Verhandlungen mit den Krankenkassen:Ärzte fordern zehn Prozent mehr Geld

Auch die Mediziner wollen von den Milliarden-Rücklagen im Gesundheitsfonds etwas abbekommen: Sie verlangen drei Milliarden Euro zusätzliches Honorar - und rufen damit scharfen Protest der Kassen hervor.

Guido Bohsem und Charlotte Frank

Die Ärzte und Psychotherapeuten fordern für 2013 ein Honorar-Plus von fast zehn Prozent. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, pochte vor Beginn des Ärztetages in Nürnberg auf zusätzliche drei Milliarden Euro von den Krankenkassen.

Die Ärzteschaft habe seit 1994 keinen Inflationsausgleich erhalten. Er verwies dabei auf die hohen Rücklagen im Gesundheitssystem. Nach Expertenschätzung werden die Reserven im Gesundheitsfonds und in den einzelnen Kassen bis zum Ende des Jahres auf mehr als 20 Milliarden Euro steigen. 2011 haben die 153.000 niedergelassenen Ärzte gut 33 Milliarden Euro erhalten.

Bis Ende August will der KBV-Chef die Verhandlungen mit den Krankenkassen über das Honorar des kommenden Jahres abgeschlossen haben. Die Gespräche gestalten sich aber offenbar schwierig. Die Kassen versuchten die Grundlagen für die Berechnung des Honorars zu manipulieren, sagte Köhler. Die Versicherer griffen dafür auf allerlei Tricks zurück, von denen manche sehr unfair seien. "Die vom Gesetzgeber festgeschriebenen Rechte werden von den Kassen nicht respektiert", sagte er.

Köhlers Äußerungen stießen auf scharfen Protest der Kassen. Der stellvertretende Vorsitzende ihres Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte der Süddeutschen Zeitung, das Honorar der niedergelassenen Ärzte steige schneller als die durchschnittliche Kostenentwicklung in den Arztpraxen. "Heute hat ein niedergelassener Arzt im Durchschnitt nach Abzug der Praxiskosten insgesamt ein Brutto-Honorar von rund 165.000 Euro", sagte der Kassen-Funktionär. Der routinierte Ruf der KBV nach mehr Honorar sei offensichtlich mehr der Gewohnheit als echtem Bedarf geschuldet, fügte Stackelberg hinzu.

KBV-Chef Köhler sprach sich zudem für einen deutlichen Abbau der Bürokratie aus. Etwa 14 Prozent der Arbeitszeit eines jeden Arztes gingen für das Ausfüllen von Formularen drauf. "Das hindert viele daran, sich ausreichend um die Patienten zu kümmern", sagte er. Bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit eines niedergelassenen Arztes von 55 Stunden in der Woche koste diese Verwaltungsarbeit der Mediziner hochgerechnet 3,2 Milliarden Euro im Jahr.

Insgesamt jedoch sehe die Ärzteschaft ihr Berufsbild deutlich positiver als bislang angenommen, sagte Köhler. Das habe eine Umfrage unter mehr als 11.000 Medizinern ergeben. Neun von zehn Ärzten gaben an, Spaß an der Arbeit zu haben und sie als sinnvoll zu empfinden. Mehr als 80 Prozent würden den Beruf erneut ergreifen. Dies sei eine überraschende Erkenntnis, sagte Köhler. Sie sei aber auch darauf zurückzuführen, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen der Ärzte in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hätten. An die Kassen appellierte er, ihre Kampagnen einzustellen. Es sei nicht deren Aufgabe, gegen die Ärzteschaft vorzugehen.

Köhler will nun dem Ärzte-TÜV der verschiedenen Kassen im Internet ein eigenes Angebot entgegensetzen. Bis zum Herbst werde ein Portal eingerichtet, auf dem Ärzte die Kassen bewerten und ihre Leistungen kommentieren könnten. Am Ende würden Schulnoten vergeben und die Kassen verglichen. So könne der Versicherte einen Überblick gewinnen, welche Kasse am besten sei.

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