Verhandlungen der Regierung in Athen:Mutmacher der Nation

Verhandlungen der Regierung in Athen: Der neuen Regierung dankbar: Eine Menschenmenge versammelt sich vor dem griechischen Parlament.

Der neuen Regierung dankbar: Eine Menschenmenge versammelt sich vor dem griechischen Parlament.

(Foto: AFP)
  • Die Europäische Zentralbank zeigt der neuen griechischen Regierung Grenzen auf. Diese jedoch bleibt optimistisch: Es sei bereits ein Erfolg, dass es überhaupt Verhandlungen gebe.
  • Tsipras will trotz des Drucks seine Wahlversprechen halten.
  • Die Zustimmung zur Regierung ist laut Umfragen in Griechenland deutlich gewachsen.

Von Christiane Schlötzer, Athen, und Markus Zydra

Die griechische Hauptstadt liegt bereits in tiefer Dunkelheit, als Regierungschef Alexis Tsipras und Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) telefonieren. Es soll ein sehr kurzes Gespräch gewesen sein. Mehr will man bei der EZB in Frankfurt nicht sagen. Nur noch so viel: Draghi habe Tsipras von der Entscheidung der Notenbank unterrichten wollen, griechische Staatsanleihen vom 11. Februar an nicht mehr als Sicherheit für neues Geld von der Zentralbank anzunehmen. Von diesem Paukenschlag sollte der Premier nicht erst aus der Presse erfahren.

Es gibt auch eine griechische Version dieses Zwiegesprächs. Sie wird am Donnerstag in Athen verbreitet, wo man dafür gesorgt hat, dass das Telefonat überhaupt bekannt geworden ist. Diese Darstellung verrät den Schock, den der kräftige Warnschuss der Notenbank ausgelöst haben muss, und sie geht so: Demnach sagte Tsipras zu Europas oberstem Währungshüter, die Wähler hätten seiner Linkspartei Syriza ein Mandat gegeben und er gedenke daran festzuhalten. Frei übersetzt heißt das: Wenn ihr mir die Luft abdrückt, werdet ihr schon sehen, was passiert.

Vorwurf an Draghi, "das Spiel von Merkel zu spielen"

Über Facebook rufen Syriza-Anhänger dann am Donnerstagmorgen schon zu einer abendlichen Demonstration auf dem zentralen Syntagma-Platz auf. Die soll "eine Antwort für Draghi" sein. Die Facebook-Gruppe nennt sich "Würde jetzt" und postuliert: "Wir haben keine Angst, wir gehen keinen Schritt zurück, wir gewinnen."

Am Abend warfen Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude EZB-Chef Mario Draghi vor, "das Spiel von Merkel zu spielen".

Erst einmal aber beginnt der Tag feierlich, mit der Eröffnung des neuen Parlaments, in dem Syriza nun mit 149 von 300 Abgeordneten die größte Fraktion stellt. Antonis Samaras, der abgewählte Premier, steht nach dem Schwur auf Verfassung und Vaterland lange mit verschränkten Armen in der ersten Bankreihe, so als habe er immer noch nicht ganz verstanden, welcher Kulturbruch da erst vor zehn Tagen bei der Parlamentswahl stattgefunden hat. Seine konservative Fraktion ist von 129 auf 76 Sitze geschrumpft.

Tsipras nimmt auf dem ersten Platz der Regierungsbank die Gratulation des Erzbischofs entgegen. Der ist im festlichen Ornat erschienen, der Premier wie stets ohne Schlips. Die italienische Krawatte, die ihm der Kollege Matteo Renzi geschenkt hat, will er erst tragen, wenn sein Land die Krise überwunden hat.

Die ersten Tage der Regierung gleichen einer Achterbahnfahrt

Davon kann derzeit keine Rede sein. Vielmehr erlebt die neue griechische Regierung eine Art Achterbahnfahrt, ohne angeschnallt zu sein. Finanzminister Yanis Varoufakis hatte sich noch am Mittwochmorgen nach seinem Gespräch mit Draghi gelöst gezeigt. "Sehr fruchtbar" sei die Unterhaltung gewesen, sagte der stets lässig auftretende Varoufakis. Und weiter: Er habe Draghi die Situation seines Landes erklärt und hoffe auf Unterstützung der EZB. Nur zwölf Stunden später war es vorbei mit der Lockerheit. Da hatte das oberste Gremium der Notenbank, der EZB-Rat, gesprochen.

Daraus ergibt sich nun nicht zwingend die Pleite des griechischen Bankensektors. Der hat auch noch andere Finanzierungsmöglichkeiten, wenn auch teurere als das EZB-Geld. Doch Draghi hat deutlich gemacht, von wem die griechische Regierung wirklich abhängig ist.

Die bemüht sich dann am Morgen danach zwar, den Druck, mit dem Draghi Athen zurück auf Sparkurs drängen will, kleinzureden. Aber das gelingt nicht recht. Man halte unerschütterlich an dem "Sozialrettungsprogramm" fest, wie es die Wähler gebilligt hätten, versichert das griechische Finanzressort.

"Das alte politische Personal dachte, dass ihm der Staat gehört"

Wie dünn jedoch das Seil ist, auf dem Tsipras balanciert, zeigt ein Bericht der Zeitung Kathimerini. Da werden griechische Banker zitiert, die den Regierungschef dringend darum bitten, mit den Euro-Partnern eine Verlängerung des am 28. Februar auslaufenden Kreditprogramms zu erreichen. Andernfalls bestehe ein hohes Risiko für Griechenlands Finanzsystem. "Die Zeit läuft gegen uns", titelt das Blatt.

Giorgos Katrougalos, Minister für Verwaltungsreform, ist mitverantwortlich für den Ärger bei der EZB. Denn er will 3500 Beamte, welche die Vorgänger entlassen haben, wieder einstellen. Katrougalos empfängt in einem Büro mit traumhaftem Blick auf den Nationalgarten. Das ist schon der ganze Luxus. Der Syriza-Politiker übernahm Büros ohne Computer. Die hatten die Vorgänger mitgenommen. "Das alte politische Personal dachte, dass ihm der Staat gehört", sagt Katrougalos. Von Syriza werde erwartet, "dass wir anders sind".

Deshalb müsse die Linke auch ihre Wahlversprechen halten. Die Wiedereinstellung der 3500 Beamten nennt der Minister eine "notwendige, symbolische Aktion". Man liege mit weniger als 600 000 Staatsdienern unter EU-Durchschnitt. Vor der Krise waren es 300 000 mehr. Die meisten gingen in Frührente. Das belastet die Sozialkassen. Katrougalos meint, das Problem sei nicht die Zahl der Beamten, sondern der Klientelismus. Der habe "gigantische" Strukturen geschaffen, "aber in den Kontrollmechanismen fehlen die Leute".

Viele Griechen haben ihr Geld auf ausländische Konten geschickt

Den mit 50 Mann bestückten Polizeibus vor seinem Ministerium hat der Neue wegfahren lassen. Auch das gefällt vielen Griechen. Die Zustimmung zur Regierung ist seit der Wahl, wie Umfragen zeigen, sogar deutlich gewachsen. Katrougalos gibt zu: "Wir haben auch viele geborgte Stimmen." Aber auch das verpflichte.

Vor den Bankautomaten bilden sich am Donnerstag keine Schlangen, die Griechen geraten nicht in Panik. Viele haben allerdings in den vergangenen Wochen bereits wieder Geld auf ausländische Konten geschickt, aus Angst vor einem Absturz des Landes. Statt die EZB-Breitseite lange zu erläutern, zeigen Zeitungen, die auf Syriza-Kurs sind, lieber das schöne Bild von Tsipras und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vom Vortag aus Brüssel. "Sie gingen Hand und Hand in die Gespräche", freut sich das Blatt Ta Nea.

Die eher konservative Kathimerini wiederum macht der eigenen Klientel wenig Hoffnung, rasch wieder an die Macht zu kommen, "selbst im Fall eines totalen Zusammenbruchs". Tsipras würde in diesem Szenario "als Held dastehen, der sich mit Berlin angelegt hat", so ein Kommentar. Ein Minister der neuen Regierung, der von sich behauptet, er sei "immer ein Optimist", sagt es so: "Ich hatte befürchtet, sie würden überhaupt nicht mit uns verhandeln. Aber wir verhandeln."

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