Vereinigte Staaten:Rekordverluste in US-Finanzbranche

Die Rettung des weltgrößten Versicherers AIG verschlingt weit mehr Geld als angenommen. Auch andere Institute machen enorme Verluste.

Moritz Koch

Die Firma verbuchte im dritten Quartal einen Rekordverlust von 24,5 Milliarden Dollar. Dies verstärkt zusammen mit Riesenverlusten beim Hypothekenfinanzierer Fannie Mae die Angst vor einer neuen Entlassungswelle in der Finanzbranche.

Vereinigte Staaten: AIG in Not: Konditionen der Hilfskredite haben sich als zu hart erwiesen

AIG in Not: Konditionen der Hilfskredite haben sich als zu hart erwiesen

(Foto: Foto: AFP)

Weltweit sind in der Finanzbranche bereits 150.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Analysten rechnen damit, dass in den kommenden Monaten weitere 70.000 Job gestrichen werden.

Paket von 150 Milliarden Dollar

Auch die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) ist pessimistisch: Allein in New York könnten innerhalb der nächsten Jahre 55.000 bis 78.000 Arbeitsplätze in der Finanzbranche verschwinden, schätzt sie.

Die Krise um den Versicherer AIG hatte die Finanzmärkte Mitte September in Panik versetzt. Nur durch einen Notkredit konnte der Kollaps des Konzerns abgewendet werden. Die Notenbank lieh AIG 85 Milliarden Dollar, verlangte aber Zinsen von etwa 14 Prozent. Als sich abzeichnete, dass das Geld nicht ausreichen werde, stellte die Fed noch einmal 38 Milliarden Dollar bereit.

Doch die Konditionen der Kredite erwiesen sich als zu hart. Statt sich zu erholen, taumelte der weltgrößte Versicherer noch tiefer in die Krise. Die Verluste aus den vergangenen zwölf Monaten summieren sich auf 43 Milliarden Dollar. Nun wird das gesamte Rettungsprogramm neu aufgelegt.

Insgesamt wird es mehr als 150 Milliarden Dollar statt den bisher zugesagten 123 Milliarden Dollar umfassen. Nie zuvor hat die US-Regierung so viel Geld in ein privates Unternehmen investiert. Um sicherzustellen, dass AIG seine Schuld eines Tages begleichen kann, werden die Kreditbedingungen stark gelockert.

In einer gemeinsamen Erklärung von Finanzministerium und Fed heißt es, die Schritte seien nötig, "damit das Unternehmen stark bleiben und seine Fähigkeit bewahren kann, seine Restrukturierung erfolgreich abzuschließen". AIG-Chef Edward Liddy versprach: "Die Steuerzahler werden ein gutes Geschäft machen." Die Regierung will nun für 40 Milliarden Dollar Vorzugsaktien von AIG kaufen.

Das Geld kommt aus dem 700-Milliarden-Dollar umfassenden Fonds, den die USA zur Rettung ihres Finanzsystems aufgelegt haben. Ursprünglich war dieser Fonds allein für Banken vorgesehen. Die Kredite der Notenbank werden im Gegenzug von 85 Milliarden Dollar auf knapp 60 Milliarden Dollar reduziert und die Zinsforderungen von 14 auf etwa acht Prozent gesenkt.

Längere Rückzahlungsfrist

AIG muss das Geld zudem nicht in schon in zwei Jahren, sondern erst in fünf Jahren zurückzahlen. Darüber hinaus will der Staat mehr als 50 Milliarden Dollar ausgeben, um AIG zu helfen, komplexe Wertpapiere zu kaufen, die es versichert hat. Der Wert dieser Anlagen hat sich seit Ausbruch der Finanzkrise drastisch verringert, so dass AIG gezwungen ist, die Versicherungen mit immer mehr Kapital zu hinterlegen.

Gelingt der Kauf der Wertpapiere, sollen sie in Zweckgesellschaften außerhalb der AIG-Bilanz zwischengelagert werden. Der Konzern wäre von einer schweren Last befreit. Die Neustrukturierung ist für die scheidende amerikanische Regierung ein Eingeständnis des Scheiterns. Sie hatte im September zwar entschieden, dass der Versicherer mit seinen mehr als 100.000 Mitarbeitern zu tief in das globale Finanzsystem verwoben sei, als es pleite gehen dürfte. Aber sie wollte den Konzern für sein Missmanagement strafen.

Die harten Konditionen sollen AIG zwingen, Firmenbeteiligungen und Unternehmenstöchter zu verkaufen. Während die Pleite von AIG auf diese Weise kurzfristig abgewendet werden, setzte die Regierung jedoch die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens aufs Spiel. Denn AIG war gezwungen, sein Vermögen zu Spottpreisen verkaufen, um die Zinsen zu bedienen.

Meldungen über den offenbar bevorstehenden Verkauf des taiwanischen Lebensversicherer Nan Shan Life scheinen dies zu bestätigen. Das globale Marktumfeld erschwere es, einen zufriedenstellenden Preis zu erzielen, heiß es aus Verhandlungskreisen. Taiwanischen Medien zufolge kann AIG für seinen 95-prozentigen Anteil nur zwei bis 2,5 Milliarden Dollar bekommen.

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