Vereinbarung zwischen Deutschland und der Schweiz:Was das Steuerabkommen bringt

Wer Schwarzgeld in der Schweiz gebunkert hat, kommt günstig davon: Bisher nicht versteuertes Geld wird durch eine Einmalzahlung legalisiert, die von Schweizer Banken berechnet wird. Allerdings soll dieser Betrag nun etwas höher ausfallen als bislang vorgesehen.

Hans von der Hagen

Bei Abkommen zwischen Staaten gilt: Entweder werden sie abgelehnt oder angenommen. Nachbesserungen sind nicht vorgesehen. Dummerweise hat das beim Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland so nicht hingehauen.

Steuerabkommen mit der Schweiz

SPD-Chef Gabriel stänkert gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz: "Es gibt keine Chance, dass wir das unterstützen."

(Foto: dpa)

Unterzeichnet wurde es bereits im September vergangenen Jahres, doch auf Drängen der Opposition musste kräftig nachgebessert werden. An diesem Donnerstag unterschrieben nun beide Länder ein Protokoll zur Änderung des Abkommens - allerdings ist die Opposition auch mit der nun verschärften Variante des Abkommens nicht einverstanden.

Es sei ein "Abkommen zur Legalisierung von Steuerkriminalität zu günstigen Konditionen", sagte der stellvertretende Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, Süddeutsche.de. Die Bundesregierung sei über den Tisch gezogen worden. Schäuble habe das Abkommen ursprünglich als Schnäppchen-Angebot für deutsche Steuerhinterzieher und Schweizer Banken gesehen. Jetzt sei aus dem Super-Schnäppchen ein Sonderangebot für Steuerhinterzieher geworden. Es gebe zwar einige Fortschritte, doch die wesentlichen Mängel des Abkommens blieben bestehen.

Was hat sich getan?

[] Deutsche Altvermögen im Nachbarland sollen nun nachträglich mit Sätzen von 21 bis 41 Prozent besteuert werden. Anonym natürlich. Bislang war eine Spanne von 19 bis 34 Prozent geplant. Wer privat einen niedrigeren Steuersatz hat, kann sich auch selbst anzeigen.

[] Zudem werden künftig Erbschaften erfasst: Deutsche Erben von Schweizer Schwarzgeldkonten müssen demnach entweder pauschal einen 50-prozentigen Steuerabzug hinnehmen - oder aber ihre Erbschaft gegenüber dem deutschen Fiskus offenlegen.

[] Im Rahmen des erweiterten Informationsaustauschs dürften künftig innerhalb von zwei Jahren 1300 Fälle abgefragt werden. Bislang waren 999 vorgesehen. Das bedeutet, dass im Rahmen der Verfahrenskontrolle auch ohne konkreten Verdachtsmoment die Finanzämter in der Schweiz beispielsweise nachfragen können, ob eine Person ein Konto dort hat. Das Finanzministerium weist ausdrücklich darauf hin, dass davon nicht die Auskunftsanfragen bei konkretem Verdacht betroffen sind. Die sind bereits im deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen geregelt und können in unbegrenzter Zahl gestellt werden.

[] Deutsche Steuerpflichtige können ihr Geld aus der Schweiz schon mit Inkrafttreten des Abkommens zum 1. Januar 2013 nicht mehr ohne Meldung in Drittländer bringen. Bislang war eine Frist bis Ende Mai 2013 vorgesehen.

[] Zudem wird deutlicher gemacht, dass Zinszahlungen, die unter das zwischen der Europäischen Union und der Schweiz geltende Zinsbesteuerungsabkommen fallen, vom Anwendungsbereich des Steuerabkommens ausgenommen sind.

Unverändert blieb, dass die Deutschen mit Geld in der Schweiz für laufende Vermögenserträge künftig - wie im Inland - eine Steuer von knapp 26,4 Prozent zahlen müssen.

Finanzministerium hofft auf zehn Milliarden Euro - mindestens

Auch war schon im ursprünglichen Abkommen geregelt, dass "Beteiligte an Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb steuererheblicher Daten von Bankkunden vor Unterzeichnung dieses Abkommens begangenen wurden" nicht weiter verfolgt werden. Davon dürften die drei Finanzbeamte profitieren, gegen die die Schweiz jüngst einen Haftbefehl verhängt hatte. Verfahren nach "schweizerischem Recht gegen Mitarbeitende von Banken in der Schweiz" werden allerdings nicht eingestellt.

Unklar ist, wie viel Geld der deutsche Staat mit Hilfe des Abkommens kassieren wird. Angesichts von geschätzt mindestens 100 Milliarden Euro an unversteuertem Kapital in der Schweiz gelten Zusatzeinnahmen von zehn Milliarden im Finanzministerium als "vorsichtige Schätzung". Und so ist man offensichtlich zufrieden in Berlin - mehr habe nicht herausgeholt werden können, hieß es im Ministerium.

Offiziell wurde mitgeteilt, dass Deutschland nun Zugriff auf Steuereinnahmen habe, die "ohne Abkommen laufend verjähren würden". Künftig mache es keinen Unterschied mehr, ob jemand sein Vermögen in der Schweiz oder in Deutschland habe.

Eine Abfrage pro Finanzamt

In der SPD schließt man sich dieser Bewertung nicht an. Das Abkommen enthalte zu viele Schlupflöcher, kritisiert SPD-Chef Sigmar Gabriel - und kündigte Ärger an. "Es gibt keine Chance, dass wir das unterstützen." Einem "Persilschein für Schweizer Banken", die sich vor Strafverfolgung schützen und reinwaschen wollten, könnten die SPD-regierten Länder im Bundesrat nicht zustimmen. Auch sei die erwartete Summe von zehn Milliarden Euro aus der nachträglichen Besteuerung wegen der verbleibenden Schlupflöcher unrealistisch.

Sein Parteifreund Poß wurde noch konkreter: Der Anwendungsbereich des Abkommens sei lückenhaft, da etwa über Familienstiftungen und Trusts noch immer Vermögen vor dem deutschen Fiskus versteckt werden könnte. Zudem hätten Steuerstraftäter noch bis zum nächsten Jahr Zeit, Schwarzgeld unerkannt in Drittländer zu bringen. Es wäre möglich gewesen, da eine rückwirkende Regelung zu finden, findet Poß. Verwundert nimmt er auch zur Kenntnis, dass die Besteuerung der Deutschen nun Aufgabe der Schweizer Banken sei, die dabei von den dortigen Aufsichtsbehörden nur stichprobenartig kontrolliert würden.

Zahl der Kontobewegungen ist entscheidend

In der Tat ist das System, wie die Vermögen nachträglich besteuert werden, kurios: Die Schweizer Banken sollen überprüfen, wie viele Kontenbewegungen die deutschen Kunden in den vergangenen Jahre hatte. Wurden beispielsweise oft Zahlungseingänge verbucht, wird das als ein Indiz dafür gewertet, dass wiederholt womöglich unversteuerte Einnahmen auf einem Konto gelandet sind. In diesen Fällen wird ein höherer Steuersatz zugrundegelegt. Gab es indes nur wenige Kontobewegungen, ist es wahrscheinlicher, dass ein Kunde lediglich die Zinsen nicht versteuert hat. In dem Fall fällt der Steuersatz niedriger aus. Gezahlt werden die fälligen Abgaben als Einmalbetrag - und schwupp: Der Kunde ist kein Steuerbetrüger mehr.

Die Nachbesserungen veränderten eben nicht "die Grundkonstruktion des Abkommens, das den Steuerstraftätern Anonymität garantiert", sagte Poß. "Der pflichtbewusste Steuerzahler zahlt weiterhin die Zeche für die Steuerhinterzieher."

Gemäß dem Abkommen sollen die deutschen Finanzverwaltungen auch auf den Erwerb von Bankdaten-CDs verzichten. Da sich zudem das Auskunftsrecht ohne konkreten Verdachtsmoment auf 1300 Abfragen in zwei Jahren beschränkt - Poß rechnet das auf eine Anfrage pro Finanzamt im Jahr um - hätten es die Finanzämter auch künftig schwer, Steuerhinterzieher zu entdecken.

Im Finanzministerium sieht man das weniger problematisch: Mit diesem Abkommen gebe es ja dann kein Schwarzgeld mehr in der Schweiz, heißt es. Darum könne man künftig auch auf den Ankauf von Steuer-CDs verzichten.

Die Schweizerische Bankiersvereinigung müht sich unterdessen um Zurückhaltung. Sie nehme die Unterzeichnung zur Kenntnis und glaubt, dass "die Schweiz den Forderungen der deutschen Seite weit entgegengekommen" sei. Weitere Anpassungen würden nicht mehr unterstützt, droht der Interessensverband der deutschen Opposition. "In seiner Gesamtheit" sei das Abkommen für die Kunden jedoch ausgewogen, da es ihnen "eine faire Chance" böte, "ihre Steuersituation unter Wahrung der Privatsphäre zu regularisieren."

Damit die Bundesregierung nicht zu lange auf den Ertrag dieser Regularisierung warten muss, haben sich die Schweizer Banken übrigens verpflichtet, binnen 25 Tagen nach Inkrafttreten des Abkommens zwei Milliarden Schweizer Franken an den deutschen Fiskus zu überweisen - als Vorauszahlung auf die geplante Nachbesteuerung. Wenn das Abkommen nicht durch den Bundesrat geht, wird daraus natürlich nichts. Vielleicht wird dann die SPD nochmal den Rat ihres frühreren Finanzminister Peer Steinbrück ins Spiel bringen. Der wollte die "7. Kavallerie von Fort Yuma" in die Schweiz schicken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: