Verdacht auf Untreue:Anklage gegen frühere HSH-Nordbank-Manager erhoben

Nachspiel vor Gericht: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat Anklage gegen sechs ehemalige Vorstandsmitglieder der vom Staat geretteten HSH Nordbank erhoben. Sie sollen die Bank durch dubiose Finanztransaktionen in Schieflage gebracht haben.

Kristina Läsker

Zweieinhalb Jahre haben die Hamburger Fahnder akribisch Informationen zusammengetragen, nun gehen sie aufs Ganze: Erstmals in der deutschen Geschichte nimmt sich eine Staatsanwaltschaft einen kompletten ehemaligen Bankenvorstand wegen dubioser Wertpapiergeschäfte vor. Die Behörde der Hansestadt habe Anklage gegen den früheren Chef der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, und seinen Vorgänger Hans Berger erhoben, sagte der Hamburger Oberstaatsanwalt Peter Brunners.

Nonnenmacher vor HSH-Untersuchungsausschuss in Kiel

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat einem Medienbericht zufolge Anklage gegen sechs frühere Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank erhoben. Beschuldigt würde unter anderem der ehemalige Vorstandsvorsitzende Dirk Jens Nonnenmacher.

(Foto: dpa)

Angeklagt sind auch die einstigen Top-Banker Joachim Friedrich (zuständig für Kapitalmärkte) Hartmut Strauß (Risikomanagement), Peter Rieck (Immobilien) und Bernhard Visker (Regionales). "Bei allen sechs besteht der Verdacht der Untreue in besonders schwerem Fall", sagte Brunners. Auf schwere Untreue stehen Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Friedrich und Nonnenmacher sollen zudem die Bilanz gefälscht haben. Ihnen wird "unrichtige Darstellung nach dem Aktiengesetz" vorgeworfen. Alle Betroffenen weisen die Vorwürfe entschieden zurück.

Im Blickpunkt stehen Geschäfte namens Omega 52 und 55 aus den Jahren 2007 und 2008. Die HSH Nordbank musste diese Transaktionen mit knapp 500 Millionen Euro abschreiben und geriet in bedrohliche Schieflage. Das Institut machte 2008 insgesamt Verluste über 2,7 Milliarden Euro und konnte nur durch milliardenstarke Finanzhilfen der Eignerländer Hamburg und Schleswig-Holstein vor der Pleite gerettet werden.

Die Ermittler haben vor allem dem Omega-55-Deal nachgespürt. Die Vorstände hatten das komplexe Geschäft im Dezember 2007 in einem Eilbeschluss durchgewunken. Die Fahnder bezweifeln, dass sich die Banker genügend Zeit für die Entscheidung genommen haben. Sollte es zum Prozess kommen, dürfte es darum gehen, ob die Risiken erkennbar waren und wer für deren Prüfung verantwortlich war. Ob also einzelne Vorstände den kommenden Schaden hätten erkennen müssen oder ob sie ihn sogar billigend in Kauf genommen haben - schließlich steckten die Banken mitten in der Finanzkrise. "Es ist die erste Anklage, in der ein kompletter Vorstand in die strafrechtliche Verantwortung genommen wird für Fehlentscheidungen während des Finanzkrise", sagte der Rechtsanwalt Gerhard Strate. "Der Prozess wird Signalwirkung haben."

Ermittelt wurde seit Sommer 2009: In mehreren Razzien wurden die Zentralen der HSH gefilzt und Wohnungen der Vorstände durchsucht. Mehr als 40 Zeugen wurden über Stunden und Tage verhört - in Deutschland wie in Großbritannien. Die Londoner Niederlassung der HSH hatte die riskanten Geschäfte 2007 eingefädelt. Befragt wurde neben HSH-Mitarbeitern auch der einstige Hamburger CDU-Finanzsenator und HSH-Aufsichtsratschef Wolfgang Peiner.

Eigentlich hatten die Staatsanwälte ihre Recherchen im Herbst abschließen wollen. Doch dann hatten sich die beiden Ex-Chefs der Bank, Berger und Nonnenmacher, überraschend vernehmen lassen - was die Anklage verzögert hatte. Nun sind die Akten geschlossen. Die etwa 600 Seiten dicke Anklageschrift sei den Angeschuldigten noch vor Silvester zugestellt worden, sagte Oberstaatsanwalt Brunners. "Da es sich um einen komplexen Fall handelt, kann es bis zu einem Prozess voraussichtlich noch Monate dauern." Vorher muss noch das Hamburger Landgericht entscheiden, ob es die Anklage zur Hauptverhandlung zulässt.

Für die Anklagen mussten die Fahnder tief in die Geschehnisse im Herbst 2007 eintauchen: Damals hatte sich der Vorstand um die dünne Kapitaldecke der HSH gesorgt und nach einer Chance gesucht, die Bilanz zu entlasten. Das war wichtig, weil die Bank an die Börse gehen wollte und unbedingt eine gute Beurteilung der Rating-Agenturen brauchte.

Die Lösung bot ein windiges Überkreuzgeschäft: So versicherte die HSH ein milliardenschweres Immobilienpaket bei der französischen Großbank BNP Paribas gegen Verluste - und musste es deshalb nicht mehr mit Eigenkapital unterlegen. Das ließ die Bilanz besser aussehen. Im Gegenzug übernahm das norddeutsche Institut die Liquiditätsgarantie für ein Finanzvehikel namens Omega 55. Darin parkte die BNP Paribas riesige Pakete mit Ramschhypotheken. Ein folgenschwerer Deal: Die Pakete verloren während der Finanzkrise kräftig an Wert - und verursachten hohe Verluste. Allein auf Omega 55 musste die HSH mehr als 330 Millionen Euro abschreiben. Bei der endgültigen Auflösung der Omega-Geschäfte im Januar 2010 wurde zwar ein Teil wieder aufgeholt, es blieb ein dreistelliger Millionenverlust.

Die Anwälte von Rieck, Visker, Friedrich und Strauß wehren sich gegen die Vorwürfe der Untreue. Die Ermittlungen seien "politisch motiviert" gewesen, heißt es in den Stellungnahmen. "Bei Omega 55 handelt es sich weder um ein bankunübliches, noch um ein hochriskantes Geschäft." Dass die HSH aber Fehler gemacht hat, hatte Nonnenmacher vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg im November 2010 eingeräumt. "Heute wissen wir, dass die Kreditvorlage, auf deren Grundlage der Vorstand damals die Entscheidung getroffen hat, deutliche Mängel aufgewiesen hat."

Den Vorwurf der Bilanzfälschung wies er damals als "absurd" zurück: Im ersten Quartal 2008 war das Omega-Geschäft nur mit dem Nominalwert in die Bilanz eingestellt worden. Stattdessen hätte die HSH den Marktwert einstellen müssen, doch dann hätte unter dem Strich kein Gewinn gestanden, sondern ein Verlust. Aus Sicht von Nonnenmacher war das eine Schwäche, aber keine Straftat: "Eine falsche Bilanz ist keine gefälschte Bilanz."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: