Verdacht auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche:Monate der Abrechnung

Akis Tsohatzopoulos

Akis Tsochatzopoulos auf dem Weg zu seinem Prozess in Athen. 

(Foto: AFP)

Akis Tsochatzopoulos war einer der mächtigsten Männer Griechenlands. Nun muss er sich mit seinem Clan vor Gericht verantworten. Der Ex-Verteidigungsminister soll beim Kauf deutscher U-Boote Schmiergeld kassiert und dabei Steuern hinterzogen haben.

Von Klaus Ott und Tasos Telloglou

Akis Tsochatzopoulos winkt ins Publikum, als er den Gerichtssaal betritt. Der Angeklagte will zuversichtlich wirken, selbst nach gut einem Jahr Untersuchungshaft und den vielen Vorwürfen gegen ihn und seine Familie. Der frühere Spitzenpolitiker, der jahrzehntelang einer der mächtigsten Männer in Griechenland war, soll schamlos die Hand aufgehalten haben. Er soll mithilfe von 18 Verwandten und Mitarbeitern Schmiergeld in Millionenhöhe kassiert haben, als Griechenland deutsche U-Boote und russische Abwehrraketen kaufte. Tsochatzopoulos war unter anderem Verteidigungsminister. Bestechlichkeit wäre wegen der kurzen Verfolgungsfrist für Politiker im Falle von Korruption allerdings längst verjährt. Stattdessen geht es seit dieser Woche vor Gericht um Geldwäsche und Steuerhinterziehung.

Diese Delikte würden genügen für zehn bis 20 Jahre Freiheitsstrafe, was für den 73-jährigen Tsochatzopoulos womöglich hieße: lebenslänglich. Wird an dem Ex-Minister ein Exempel statuiert? Soll er stellvertretend für das System büßen? Es ist der erste große Prozess in Athen gegen einen einst führenden Repräsentanten der alten Cliquen, die Hellas heruntergewirtschaftet und in eine tiefe Krise gestürzt haben. Korruption, Selbstbedienung, Nepotismus: So haben die Sozialisten (Pasok) und die Konservativen (Nea Dimokratia) das Land geführt und geprägt. Jetzt beginnen die Tage, Wochen und Monate der Abrechnung. Mit Tsochatzopoulos, der Mitbegründer der Pasok war, mehrere Ministerposten innehatte und beinahe mal Parteichef und Ministerpräsident geworden wäre, in der Hauptrolle. Eine traurige Rolle, für ihn und für sein Land.

Der alte Mann mit den tiefen Falten im Gesicht betrachtet sich und seine Familie als Opfer. Nach seiner Verhaftung hat er die Justiz der "Menschenfresserei" und der "Ausrottung meiner Familie" bezichtigt. Jetzt, vor Gericht, empört er sich über "Staatswillkür". Seine Verteidiger springen auf und attackieren die Staatsanwaltschaft, als diese von "unmoralischen" und "illegalen" Praktiken spricht. Es geht turbulent zu bei Beginn des Prozesses gegen Tsochatzopoulos, gegen seine Ehefrau, seine Ex-Ehefrau, seine Tochter und weitere Angeklagte aus seinem Clan.

Alle widersprechen, nur einer nicht

Alle Beschuldigten widersprechen vehement den Vorwürfen, nur einer nicht. Ein Cousin des Ex-Ministers, Nikolaos Zigras, bittet das griechische Volk um Verzeihung. Tsochatzopoulos habe ihn "in die Affäre verwickelt". Zigras soll geholfen haben, Schmiergeld nach Griechenland zu schleusen. Der Cousin könnte zum Kronzeugen werden, zum Zeugen der Anklage, der dem einstigen Spitzenpolitiker endgültig den Weg zurück in die Freiheit verbaut.

Zu acht Jahren Gefängnis (und 520.000 Euro Geldstrafe) ist der Ex-Minister kürzlich bereits wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden; in einem ersten, kleinen Prozess. Nun noch ein, zwei Jahrzehnte obendrauf, dann müsste der Ex-Minister schon 90 oder 100 Jahre alt werden, um wieder freizukommen. Der frühere Spitzenmann von Partei und Staat ist nicht der einzige Prominente, der inzwischen hinter Gittern sitzt. Im Gefängnis im Athener Vorort Korydallos, im VIP-Flügel dort, wie der Volksmund spottet.

Auch andere ehemalige Staatsdiener und frühere Größen aus der Wirtschaft sind hier in Untersuchungshaft. Aber keiner ist so tief gefallen wie Tsochatzopoulos. Er gehörte fast vier Jahrzehnte der Pasok-Spitze an, fast drei Jahrzehnte dem Parlament und mehr als zwei Jahrzehnte dem Kabinett. Er hat viel mitregiert, als Minister des Inneren, für öffentliche Arbeiten, für Transport und Telekommunikation, der Verteidigung und für Entwicklung. Und er hat gut gelebt.

Seine zweite Frau hat Tsochatzopoulos in Paris geheiratet. Es war ein rauschendes Fest, im Luxushotel Four Seasons. Die Familie hat im Laufe der Zeit ein stattliches Immobilienvermögen angesammelt, 23 Wohnungen und Häuser, darunter in der teuersten Straße in Athen, nahe der Akropolis. Das ist, sofern es stimmt, viel Vermögen für einen, der in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki in einfachen Verhältnissen aufwuchs, in Deutschland studierte und später in der Heimat Politiker wurde. Als Minister wird man nicht automatisch Multimillionär.

Tsochatzopoulus' Tagebücher

In der mehr als 1000 Seiten starken Anklageschrift steht, Tsochatzopoulos habe über Verwandte und Offshore-Firmen mehr als 35 Millionen Euro Schmiergeld kassiert. Den größeren Teil beim Kauf der russischen Abwehrraketen, den kleineren Teil, als der deutsche Handelskonzern Ferrostaal vier U-Boote zum Preis von 1,4 Milliarden Euro an die griechische Marine verkaufte. Das Geld soll während und nach der Amtszeit als Verteidigungsminister geflossen sein.

Die Staatsanwälte glauben, sie könnten dem Hauptangeklagten die Bildung einer kriminellen Bande zur Geldwäsche nachweisen, mit Firmen in Zypern, der Schweiz, Liberia und den USA. Tagebücher, die Tsochatzopoulus geschrieben hat, sollen das belegen; zusammen mit vielen weiteren Dokumenten. Hohe Millionenwerte sind bereits arrestiert worden. Zu Unrecht, wehrt sich der ehemalige Verteidigungsminister. Um die Vorwürfe zu entkräften, will der Angeklagte eine Reihe von ehemaligen Weggefährten bei Gericht aufmarschieren lassen. Die früheren Mitglieder des griechischen Außen- und Verteidigungsrates, das den Kauf der Rüstungsgüter beschlossen hatte, sollen aussagen. Unter ihnen die Ex-Regierungschefs Kostas Simitis und Giorgos Papandreou und der heutige Sozialistenchef Evangelos Venizelos. Sie alle hätten beim U-Boot-Vertrag mitgewirkt. Doch nach der griechischen Rechtsordnung müssen sie nicht als Zeugen vor Gericht erscheinen, und sie werden wohl auch nicht kommen.

Sollte Tsochatzopoulos die ihm angelasteten Delikte tatsächlich begangen haben und deswegen zu Gefängnis verurteilt werden, wäre das gerecht und ungerecht zugleich. Gerecht, weil er sich mit Millionen, die ihm nicht zugestanden hätten, auf Kosten des eigenen Volkes ein schönes Leben gemacht hätte. Ungerecht, weil von denen, die nach Erkenntnissen der deutschen Justiz bei den U-Booten bestochen haben, niemand Haftstrafen bekam. Warum sollen eigentlich nur die vermeintlich Geschmierten (in diesem Fall wegen Begleitdelikten) einsitzen und nicht auch diejenigen, die geschmiert haben? Zu solch einem Geschäft gehören ja immer zwei.

Viele Spuren führen nach Deutschland

Aus dem Gerichtssaal in Athen führen viele Spuren nach Deutschland, wo der Stahlkonzern Thyssen-Krupp zusammen mit Partnern die vier U-Boote gebaut und mithilfe der früheren MAN-Tochter Ferrostaal verkauft hat. Bei Thyssen-Krupp hat sich niemand die Hände schmutzig gemacht, das Schmiergeldrisiko übernahm die auf Handelsgeschäfte spezialisierte Ferrostaal AG. Hohe zweistellige Millionenbeträge flossen in dunkle Kanäle. Zwielichtige Vermittler, die sich "Gebetskreis" nannten, sorgten einerseits dafür, dass die Gelder ihren Zweck erfüllten, und zweigten andererseits offenbar einiges für sich selbst ab. Mehrere Ferrostaal-Manager kamen in Untersuchungshaft, aber zu Gefängnis verurteilt wurde am Ende niemand. Der Handelskonzern musste 140 Millionen Euro an illegalen Gewinnen an die deutsche Staatskasse abführen.

Das erinnert an andere Schmiergeldaffären bei der früheren Ferrostaal-Mutter MAN, bei Daimler und bei Siemens. Auch dort kamen diejenigen, die in Griechenland und anderswo auf der Welt geschmiert hatten oder die Millionen dafür bereitgestellt hatten, glimpflich davon. Allenfalls Freiheitsstrafen auf Bewährung, wenn überhaupt. Und Geldbußen für die Konzerne, wenn auch in beträchtlicher Höhe, bis zu insgesamt 1,2 Milliarden Euro bei Siemens. Und die Oberen in den deutschen Konzernen, die Vorstände, die haben nie etwas gewusst von den globalen Schmierereien. Oder nichts wissen wollen? Sie waschen ihre Hände in Unschuld. Ausgerechnet die griechische Justiz unternimmt jetzt in der Causa Siemens den freilich untauglichen Versuch, nicht nur eigene Landsleute vor Gericht zu stellen und ins Gefängnis zu stecken, sondern auch 13 Deutsche bis hin zum ehemaligen Konzernchef Heinrich von Pierer. Die Beweislage gibt dafür nichts her.

Auch bei Siemens soll ein griechischer Minister die Hand aufgehalten haben, sollen die Bestochenen sich mit den Millionen aus Deutschland schöne Wohnungen und Häuser zugelegt haben, in Athen und auf Mykonos, inklusive Mitbenutzungsrecht für Tennisplatz, Swimmingpool und Hubschrauberlandeplatz. Auch ihnen soll der Prozess gemacht werden. Eifrige Ermittler leuchten die dunkle Vergangenheit im eigenen Lande aus, ein Kulturwandel beginnt. Das Verfahren gegen Tsochatzopoulos ist nur der Auftakt. Bis in seinem Fall über Schuld und Unschuld entschieden ist, werden noch einige Monate vergehen. Bis dahin muss der einst so mächtige Mann nach jedem Verhandlungstag zurück nach Korydallos, ins Gefängnis. Er sitzt dort nicht alleine.

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