Verbraucher:Einkaufen und Gutes tun

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Mit jedem verkauften Nussriegel in Deutschland wird ein Energie-Riegel für die geflüchteten Rohingyas in Bangladesh finanziert. (Foto: Kevin Frayer/Getty Images)

Die neue Lebensmittelmarke Share will mit ihren Erlösen Menschen in Not helfen. An diesem Montag kommen ihre Produkte in die Läden von Rewe und dm, die die Initiative massiv unterstützen.

Von Michael Kläsgen

Es gibt so viele Start-ups, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Das junge Unternehmen Share aber, das erst 2017 gegründet wurde, hat ziemlich schnell zwei mächtige und gewichtige Unterstützer gefunden: die Handelskonzerne Rewe und dm. Von diesem Montag an werden seine Artikel bereits in 5000 Rewe- und dm-Filialen zu kaufen sein. Ein Traum für Gründer, die sonst lange um einen Platz in den Regalen der großen Handelsketten kämpfen müssen.

Rewe und dm räumen aber nicht nur Platz in ihren Regalen frei, sie finanzieren darüber hinaus auch 3000 Parkplatz-Plakate und verteilen 20 Millionen Handzettel. Sie werben also kostenlos für die "soziale Lebensmittelmarke" Share. Das Start-up hätte das alles nie allein stemmen können. Rewe und dm machen den Start damit zu dem bislang größten Launch eines sozial engagierten Food-Start-ups in Deutschland.

Insofern verwundert es nicht, wenn das Team rund um den in Berlin beheimateten Wiener Gründer Sebastian Stricker, 35, extrem gespannt ist, wie der Traum weitergehen wird. Das Team besteht aus neun Mitarbeitern, darunter vier Mitgründer, allesamt ehemaligen Entwicklungshelfer und Unternehmensberater. Das scheint die richtige Zusammensetzung für die Zielsetzung von Share zu sein.

Es geht um sozialen Konsum, einem der Mega-Trends im Einzelhandel, und konkret um drei Produkte: Mineralwasser von der Allgäuer Alpenquelle, die ihr Wasser aus einem Naturpark schöpft, einen selbst entwickelten Bio-Nussriegel und vegane Handseife.

Für jedes verkaufte Produkt verteilt Share ein gleichwertiges Gut an einen Menschen in Not. Der Käufer kauft also nicht nur für sich, sondern spendet gleichzeitig einen kleinen Teil des Betrages für ein soziales Projekt - zum Beispiel für den Bau oder die Reparatur von Brunnen in Liberia und Äthiopien. Share garantiert, dass mit jeder gekauften Flasche mindestens ein voller Tag Trinkwasser aus diesen Brunnen für die dort lebenden Menschen ermöglicht wird. Ähnlich bei den Nussriegeln: Für jeden 35-Gramm-Riegel werden etwa vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, für das Stricker früher arbeitete, mindestens 100 Gramm High Energy Biscuits an Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch verteilt.

Stricker sagt, Share richte sich aber nicht nur an bedürftige Menschen in fernen Ländern. Das Start-up kooperiert auch mit der Berliner Tafel und trifft damit gerade jetzt einen Nerv. Nach dem Eklat, den die Essener Tafel auslöste, weil sie Ausländern den Zugang verwehrte, stehen nun auch Menschen in Deutschland im Fokus der Öffentlichkeit, denen es schlecht geht. Ihnen will Share ebenso helfen wie Menschen in Afrika, Asien oder anderswo, nur dass sie statt Trinkwasser eine Essensration erhalten. Für jeden verkauften Müsliriegel bekommen sie eine 500-Gramm-Portion Essen.

Die Verbraucher können online nachverfolgen, wohin die Hilfe geht

Kaufe ein und tue Gutes, ist ein Motto, das gern spöttisch als Gutmenschentum belächelt wird. Tatsächlich aber ist der ethische Konsum vielen Menschen in Deutschland und Europa wichtig - und Händler und Hersteller haben sich dem längst angepasst. Hungerlöhne in Asien und Afrika, die Verschmutzung der Weltmeere und der Luft oder die Zerstörung der Regenwälder sind Themen, die schnell für positive, aber eben auch negative Schlagzeilen sorgen. Gerade im Lebensmittelbereich scheinen die Unternehmen teils darum zu wetteifern, wer als umweltfreundlicher gilt und dem Tierwohl angeblich wohlgesonnener ist.

Vieles davon ist Maskerade, aber nicht alles. Der Trend zu ethisch korrektem Konsum ist statistisch und durch Umfragen belegt - viele Unternehmen gehen deshalb darauf ein. Eines der bekanntesten sozialen Engagements im Bereich des Umweltschutzes ist das Regenwaldprojekt der Biermarke Krombacher. Der Einsatz für bedürftige Menschen über den Verkauf von Lebensmitteln, wie nun durch Share und seine Partner, kommt dagegen seltener vor.

Für Share spricht, dass es in den USA bereits einige soziale Konsumgüterfirmen wie Toms Shoes gibt, die zeigen, dass sich soziale Verantwortung und Wirtschaftlichkeit nicht ausschließen müssen. Das macht den Start von Share umso interessanter. "Der breit angelegte bundesweite Launch hat eine Reichweite, die wir bisher bei keinem sozialen Produkt gesehen haben", sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust, Executive Director von "Aktion gegen den Hunger" in Deutschland. "Die Share-Idee hat das Potenzial zu einer entscheidenden Verbesserung der Lebensbedingungen vieler Menschen beizutragen."

Laut Share-Initiator Stricker sind die Share-Produkte nicht teurer als gleichwertige Artikel im Supermarkt oder beim Drogisten. Bislang sind Produkte des sozialen Konsums eher teuer, Share richtet sich auf den Massenmarkt aus. Die Verbraucher könnten zudem nach ihrem Kauf nachverfolgen, wo die Hilfe hingeht. Jedes Produkt habe einen eigenen sogenannten Tracking Code, sagt Stricker, mit dem der Kunde online oder auf seinem Handy sehen könne, wie und wo genau geholfen wird.

Lionel Souque, Chef der Rewe Group, hält die Idee für "einfach und nachvollziehbar". Außerdem habe ihn "die Leidenschaft, das Engagement und die Begeisterung" von Sebastian Stricker überzeugt. Der hatte die Idee mit dem "1+1-Prinzip" erst vor zwei Jahren mit dem Geschäftsführer von Rewe in Tschechien auf einem Workshop besprochen. Ungewöhnlich schnell landen die Share-Produkte jetzt im Handel und es sollen nicht die einzigen bleiben.

Sebastian Stricker hat Volkswirtschaft studiert und arbeitete zunächst als Berater für die Unternehmensberatung Boston Consulting. Danach wechselte er zur Stiftung des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und arbeitete später für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen in Tansania und Westafrika. 2013 gründete er die Spenden-App ShareTheMeal, über die, wie Stricker sagt, 20 Millionen Essensrationen an Kinder in Not verteilt worden seien. Auf die App baut nun die Lebensmittelmarke Share auf. Finanziert wird sie im Moment noch zum größten Teil von den Gründern selber. "Aber potenzielle Geldgeber gibt es mehr als genug", versichert Stricker.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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