USA:Private Gefängnisse profitieren von der Krise

In den USA sitzen 120.000 Insassen in nichtstaatlichen Strafanstalten - und weil den Bundesstaaten Geld fehlt, werden es täglich mehr.

M. Koch, New York

Das neue Jahr begann in den USA so, wie das alte endete: Mit Schreckensmeldungen über die Konjunktur. Die Rezession hält das Land im Griff. Am Freitag veröffentlichte Zahlen zeigen, dass die amerikanische Industrie im Dezember so stark geschrumpft ist wie seit 28 Jahren nicht mehr. Bestellungen von Neuwagen, Möbeln und Haushaltsgeräten fielen auf den tiefsten je verzeichneten Stand. Banken und Autokonzerne hängen schon am Tropf des Staates, und nun erbitten auch die Stahlhersteller öffentliche Hilfe. Eine Branche aber entrinnt dem Abschwung, dabei ist es eigentlich ihre Aufgabe, jegliches Entkommen zu verhindern: Gefängnisfirmen blicken optimistisch in die Zukunft.

USA: Private Gefängnisfirmen sind billiger als staatliche Anstalten. Kritiker werfen ihnen jedoch vor, ihre Haftanstalten aus Profitgier verwahrlosen zu lassen. Im Bild Gefängnisinsassen der Twin Towers Correctional Facility bei Los Angeles.

Private Gefängnisfirmen sind billiger als staatliche Anstalten. Kritiker werfen ihnen jedoch vor, ihre Haftanstalten aus Profitgier verwahrlosen zu lassen. Im Bild Gefängnisinsassen der Twin Towers Correctional Facility bei Los Angeles.

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Und sie haben allen Grund dazu. Für sie wirkt die Krise wie ein Konjunkturprogramm. In vielen Bundesstaaten sind die Gefängnisse überfüllt. Doch den Gouverneuren fehlt das Geld, um neue Strafanstalten zu bauen. Ihre Steuereinnahmen sind eingebrochen und die Finanzkrise macht es ihnen unmöglich, Schulden zu günstigen Zinsen aufzunehmen. Kaliforniens Regierungschef Arnold Schwarzenegger hat daher bereits begonnen, Tausende Häftlinge in private Gefängnisse in Arizona, Mississippi und anderen Bundesstaaten überführen zu lassen. Die staatlichen Strafanstalten waren so überfüllt, dass hunderte Gefangene in Sporthallen schlafen mussten.

Gefängnisse erweitert und neu gebaut

Gebaut und betrieben werden die Privatgefängnisse von Unternehmen wie der Corrections Corporation. Mit 64 Anstalten in den Vereinigten Staaten ist sie der Marktführer. 2008 hat der Konzern zwei neue Gefängnisse errichtet, neun ältere erweitert und seinen Gewinn deutlich gesteigert. Auch die Konkurrenten CEO Group und Cornell Companies sind gut im Geschäft. Insgesamt befanden sich nach Daten des US-Justizministeriums 2007 etwa 7,4 Prozent der fast 1,6 Millionen eingesperrten Erwachsenen in privaten Strafanstalten - insgesamt etwa 120.000 Gefangene.

Die Forschungseinrichtung Reason Foundation schätzt, dass Regierungen durch die Beauftragung privater Gefängnisfirmen die Kosten für den Gefängnisbetrieb um 15 Prozent senken könnten. Die Konzerne bauen in der Regel schneller als der Staat und haben niedrigere Kosten, weil sie keine Beamten beschäftigen. Kritiker werfen ihnen vor, ihre Haftanstalten aus Profitgier verwahrlosen zu lassen. Anwaltsgruppen wie die American Civil Liberties Union haben schon mehrmals Gefängnisfirmen verklagt.

Ihre erste Boomphase erlebte die Branche in den achtziger Jahren, als sich das Land für den Kampf gegen den Drogenhandel rüstete. Doch die Planungen waren zu optimistisch, Überkapazitäten und magere Gewinne das Ergebnis. Darüber hinaus brachten Missbrauchsskandale und spektakuläre Ausbrüche die Gefängnisfirmen in Verruf. Die Aktienkurse der Unternehmen stürzten ab.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum in den Südstaaten der Protest der eingesessenen, meist weißen Bevölkerung wächst.

Private Gefängnisse profitieren von der Krise

Erst Ende der neunziger Jahre verbesserte sich ihre Lage wieder. Inzwischen laufen die Geschäfte so gut, dass von einem Goldrausch die Rede ist. Die Zellentrakte füllen sich im Rekordtempo. Vor allem das harte Vorgehen der Behörden gegen illegale Einwanderer erweist sich aus Sicht der Gefängnisbetreiber als Segen.

Der Kongress in Washington hat die Mittel für die Internierung von Immigranten in der vergangenen Legislaturperiode verdoppelt. Indirekt ist das ein Resultat der Rezession. In den neunziger Jahren, als der Arbeitsmarkt boomte, waren die billigen Arbeiter aus Lateinamerika willkommen. Sie machten Jobs, für die sich andere zu schade waren. Sie schufteten auf den Feldern von Agrarbetrieben oder putzen die Küchen von Restaurants. Verhaftungen oder gar Abschiebungen waren selten.

Zahl neuer Jobs stagniert

Doch der Boom auf dem Arbeitsmarkt ist vorbei, schon seit Jahren stagniert die Zahl der neu geschaffenen Jobs. Die Konjunkturkrise hat die Konkurrenz um Arbeit weiter verschärft und damit den Druck auf die Regierung erhöht, härter gegen die Immigranten vorzugehen. Gerade in den Südstaaten wächst der Protest der eingesessenen, meist weißen Bevölkerung. "Die Einwanderer nehmen uns die Arbeitsplätze" - die Parolen und Ressentiments klingen vertraut. Wie Anfang der neunziger Jahre in Deutschland kommt es nun auch in den USA immer öfter zu Übergriffen auf Einwanderer. Die Behörden beugen sich dem Druck. Eine Verhaftungswelle rollt durch die Einwandererviertel der USA, und jeder inhaftierte Immigrant bringt den Gefängnisfirmen etwa 100 Dollar pro Tag.

Die Situation wird sich in diesem Jahr nicht entspannen. Im Gegenteil: Die Notenbank rechnet damit, dass die Arbeitslosenquote in Amerika 2009 auf mehr als acht Prozent steigen wird. Viele Experten halten selbst das für zu niedrig gegriffen. Kein Wunder, dass Damon Hininger, Vorstandsmitglied der Corrections Corporation, erst kürzlich in einem Interview frohlockte: "Für uns ist die Zukunft voller Chancen."

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