USA:Moment der Wahrheit

Die USA werben um Investoren. Die Unternehmen wollen es sich mit der Regierung Trump nicht verscherzen.

Von Claus Hulverscheidt, National Harbor

Drei Stunden lang geht alles gut im großen Ballsaal des Hotels Gaylord, das vor den Toren der US-Hauptstadt Washington so idyllisch am Potomac River liegt: Freundliche Menschen sagen freundliche Dinge übereinander, von Aufbruchsstimmung ist die Rede, von Optimismus und Rekorden. "Wir heißen Ihr Kapital und Ihre Ideen willkommen", ruft Energieminister Rick Perry in den riesigen Raum hinein, und Kabinettskollege Wilbur Ross assistiert: "Es gab nie einen besseren Zeitpunkt, in den Vereinigten Staaten zu investieren." Schließlich, so der Wirtschaftsminister ganz ohne Ironie, sei mit der Regierung Trump "die Vernunft" in die Politik zurückgekehrt. So groß ist die Harmonie, dass auch Ludwig Willisch seinen Beitrag leisten möchte. "Die USA", so schwärmt der Amerika-Chef des Autobauers BMW, "sind uns eine zweite Heimat geworden."

Es ist eine Szenerie, wie man sie sich angesichts der Schlagzeilen der vergangenen Monate kaum hatte vorstellen können: Hier die mehr als 3000 Manager aus aller Herren Länder, die sich im Konferenzsaal des Gaylord und an den Messeständen Dutzender Bundesstaaten und Regierungsagenturen über Investitionsmöglichkeiten in den USA informieren wollen - allein aus China sind 155 gekommen. Und dort Ross und Perry, Seite an Seite mit Steven Mnuchin und Alexander Acosta, den Ministern für Finanzen und Arbeit - der geballte wirtschaftspolitische Sachverstand jener Regierung also, die weltweit Handelsvereinbarungen aufkündigen will und jahrzehntealten Partnerländern mit Strafzöllen droht. Wie soll das zusammengehen?

Donald Trump, Mike Pence

Donald Trump besucht eine Fabrik. Im Wahlkampf hat er den Amerikanern viel versprochen.

(Foto: Evan Vucci/AP)

Es geht - zumindest für jene ersten drei Stunden des "Investitionsgipfels", den die staatliche Ansiedlungsagentur Select USA" einmal im Jahr veranstaltet. Erst als Ross mit Jeffrey Immelt und Mary Barra auf der Bühne sitzt, den Chefs von General Electric (GE) und General Motors (GM), um über die Segnungen des Wirtschaftsstandorts USA zu plaudern, hebt eine Dame im Saal die Hand und stellt die Frage, die seit dem frühen Morgen unsichtbar über dem Podium hängt: "Erleichtert die Handelspolitik der Regierung Trump die Ansiedlung ausländischer Unternehmen eigentlich oder erschwert sie sie?" Ross, offiziell der Moderator dieser Podiumsrunde, tut einfach so, als ginge ihn die Sache nichts an, und Immelt, der die Managerkollegen im Saal gerade noch kumpelig-ausschweifend über Wege zum Erfolg belehrt hat, kichert verlegen: "Das soll Mary mal beantworten", sagt er in Richtung Barra, die beide Herren ob deren Hasenfüßigkeit wohl für den Rest ihres Lebens verachten wird.

Nun ja, weicht die GM-Chefin aus, es sei schon nicht schlecht, dass der Präsident das ausufernde Regelwerk für Unternehmen überarbeiten und straffen wolle. Regeln seien gut und wichtig, aber vielleicht nicht im heutigen Ausmaß. Es ist der Moment, da auch Immelt - in den letzten Monaten gelegentlich auch Trump-kritisch - wieder mitmischen will: "Deregulierung, Steuerreform, Infrastruktur - das sind alles Themen, über die wir seit 30 Jahren reden. Es wäre großartig, wenn da endlich etwas passieren würde." Das Gleiche gelte für die Frage fairer Welthandelsbedingungen und den Abbau des hohen US-Exportdefizits. "Nur weil es dieser Präsident ist, der jetzt darüber spricht, ist es noch nicht falsch", so der GE-Chef. Ross kann sich beruhigt im Sessel zurücklehnen.

Zollschranken

US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross hat die deutschen Exportüberschüsse kritisiert und einmal mehr höhere Zölle für Ausfuhren europäischer Autobauer in die Vereinigten Staaten ins Spiel gebracht. Anders als zuletzt Präsident Donald Trump sprach Ross beim jährlichen "Investitionsgipfel" seiner Regierung aber nicht von Strafzöllen. Er brachte vielmehr eine Angleichung bereits bestehender Ausfuhrabgaben ins Spiel. "Der Zoll für europäische Autos, die in die USA kommen, beträgt 2,5 Prozent. Der Zoll für amerikanische Autos, die nach Europa kommen, beträgt zehn Prozent", sagt er auf die Frage, wie sein Land künftig mit deutschen Autoexporten umzugehen gedenke. Details nannte er nicht. Womöglich tut sich hier jedoch ein Weg auf, der beiden Seiten einen gesichtswahrenden Kompromiss ermöglicht. Claus Hulverscheidt

Zwei Dinge werden deutlich bei dieser Konferenz in National Harbor, jenem seltsamen kleinen Ort am Potomac, der praktisch nur aus Hotels, Restaurants, Geschäften und einem Casino besteht: Die Unternehmerschaft, die heimische wie die ausländische, will es sich mit dieser Regierung nicht verscherzen - zu wichtig ist der nordamerikanische Markt für das eigene Wohlergehen. Und die Regierung wiederum kann es sich angesichts ihrer vollmundigen Wahlkampfversprechen schlicht nicht leisten, auf den dreistelligen Milliardenbetrag zu verzichten, den ausländische Investoren jedes Jahr ins Land bringen. Mehr als sechs Millionen amerikanische Jobs und sagenhafte 425 Milliarden Dollar an Exporterlösen hängen von Firmen ab, die ihren Hauptsitz außerhalb der USA haben.

Knallharter Pragmatismus also statt knallharter Rhetorik - wenn überhaupt einmal so etwas wie Kritik laut wird, dann allenfalls zwischen den Zeilen. Willisch etwa, dessen Konzern wegen seines Werks in Mexiko schon wiederholt von Präsident Trump kritisiert wurde, rechnet einmal mehr vor, dass BMW der größte Autoexporteur der Vereinigten Staaten sei - vor GM, vor Ford, vor Chrysler. "Darauf würde man so auf Anhieb wirklich nicht kommen", entgegnet Jay Timmons, Präsident des größten US-Industrieverbands NAM, der mit dem Mann aus München auf dem Podium sitzt. Willisch: "Darum sag ich's ja."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: