Finanzen:Das Eine-Billion-Dollar-Risiko

Credit-Card Industry Faces 'Volcanic' Senate Eruption

Viele Amerikaner haben gleich drei oder vier Kreditkarten.

(Foto: Bloomberg)
  • Noch ist die Lage ruhig. Aber erste Experten warnen vor den ansteigenden Kreditkartenschulden in den USA.
  • Je nachdem, welche Karten man einbezieht, sind die Amerikaner mit bis zu einer Billion Dollar verschuldet.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Dass der US Postal Service, die gute alte amerikanische Post, auch 241 Jahre nach seiner Gründung durch Benjamin Franklin noch immer gut im Geschäft ist, hat er nicht zuletzt der Citibank zu verdanken. Und der Bank of America. Und JP Morgan. Und den unzähligen anderen Geldhäusern des Landes, die die Bürger Tag für Tag mit Zehntausenden Kreditkartenangeboten überhäufen. Mindestens einmal in der Woche liegt eine entsprechende Offerte im Briefkasten, wehren kann man sich eigentlich nur, indem man Darlehen nicht zurückzahlt und damit die eigene Kreditwürdigkeit systematisch schädigt. Das aber wollen naturgemäß die wenigsten.

In den vergangenen Monaten haben die amerikanischen Geldhäuser den Kampf um neue Kunden noch weiter verschärft. Kein Wunder: Angesichts von bis zu 25 Prozent Zinsen gehört das Kreditkartensegment zu den wenigen, mit denen die Institute im Privatkundengeschäft noch richtig Geld verdienen können.

Allein im zweiten Quartal dieses Jahres türmten die Kunden 18 Milliarden Dollar an neuen Schulden auf - so viel, dass jetzt die ersten Experten Alarm schlagen: Noch, so Nancy Bush von der Beratungsfirma BAB Research, sei alles in Ordnung. Die Immobilienkrise der Jahre 2007 und 2008 habe jedoch gezeigt, wie rasch und radikal sich die Lage für die Banken ändern könne. "Sie müssen sehr vorsichtig sein", so Bush im Gespräch mit der Londoner Financial Times.

Im Durchschnitt 131 000 Dollar Schulden hat ein US-Haushalt

Was Fachleuten Sorge macht, ist, dass wie schon vor neun Jahren zwei ungute Entwicklungen zu beobachten sind, die sich gegenseitig noch befeuern können. Einerseits nähern sich die Kreditkartenschulden der Amerikaner mit großen Schritten der Marke von 700 Milliarden Dollar, je nachdem, welche Karten man einbezieht, kommt man gar auf fast eine Billion Dollar. Gleichzeitig trübt sich die ohnehin instabile Konjunkturentwicklung weiter ein.

Sollte der Trend in eine neue Rezession nebst Wiederanstieg der Arbeitslosigkeit münden, was nicht wenige US-Ökonomen vorhersagen, käme eine fatale Abwärtsspirale in Gang: Immer mehr Kreditkartenschuldner könnten ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen, die Banken gerieten in Schieflage und schränkten die Darlehensvergabe ein, was die Wirtschaft weiter belasten würde. Ein Horror-Szenario - zumal das Waffenarsenal der Notenbank Fed wegen der Spätfolgen der letzte Krise immer noch weitgehend leer ist.

Viele Amerikaner haben nicht eine, sondern drei oder vier Kreditkarten

Nach einer Erhebung der Deutsche- Bank-Analyseabteilung in New York haben die großen US-Geldhäuser ihre Kreditkartenausleihungen in den Monaten April bis Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum im Schnitt um 8,6 Prozent ausgeweitet. Dahinter stehen aggressive Marketing- und Bonusprogramme, mit denen die Institute um Neukunden buhlen. Außerdem werden zunehmend Menschen mit geringerer Bonität angesprochen, die bislang keine Kreditkarte erhielten. Besonders aggressiv ging Sun Trust, der Bankriese aus Atlanta, vor, der das Geschäft im zweiten Quartal um 26 Prozent ausweitete. Die Konkurrenz jedoch schlief nicht: Bei der US Bank betrug das Plus 16, bei Citigroup und Region Financial jeweils zwölf und bei Wells Fargo immerhin noch zehn Prozent.

Das Kreditkartengeschäft ist in den USA ein sehr viel größerer Risikofaktor für die Gesamtwirtschaft als andernorts. Anders als etwa in Deutschland müssen die Kunden die Schulden, die sich ansammeln, nicht einmal im Monat begleichen. Vielmehr reicht eine sogenannte Mindesttilgung, die oft nicht mehr als 25 Dollar beträgt. Die Rückzahlung der verbleibenden Summe kann man auf die Folgemonate verschieben, was für alle Beteiligten zunächst ein gutes Geschäft ist: Der Kunde kann sich Dinge leisten, die er sich im Moment eigentlich gar nicht leisten kann, die Wirtschaft floriert, und die Banken kassieren, aufs Jahr hochgerechnet, Zinsen von durchschnittlich 14 bis 18 Prozent.

Kreditkartenschulden sind meist nicht die einzigen Verbindlichkeiten

Das Problem ist, dass viele Amerikaner nicht eine, sondern drei, vier Kreditkarten besitzen. Hinzu kommen Kundenkreditkarten großer Kaufhäuser und Geschäfte, die ebenfalls Einkäufe auf Pump ermöglichen. Die Gefahr, den Überblick zu verlieren und in einem Sumpf aus Schulden zu versinken, steigt mit jeder Karte, die man zusätzlich ins Portemonnaie steckt.

Hinzu kommt: Kreditkartenschulden sind meist nicht die einzigen Verbindlichkeiten. Viele Amerikaner müssen zudem Haus-, Auto und Studentendarlehen abbezahlen. Lässt man die schuldenfreien Haushalte einmal außen vor, so stehen nach Angaben des Finanzportals Nerdwallet alle übrigen mit durchschnittlich 131 000 Dollar in der Kreide. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten der US-Verbraucher auf über zwölf Billionen Dollar. Kreditkartenschulden machen davon gut sechs Prozent aus.

Kritisch wird es bei einem gesamtwirtschaftlicher Schock - einer deutlichen Zinserhöhung etwa oder eben einem Konjunktureinbruch. Noch ist die Lage ruhig, aber es gibt erste Warnzeichen: Als das Finanzhaus Synchrony Financial, das Kunden von Amazon, Wal-Mart, Gap und anderen Einzelhandelskonzernen mit Kreditkarten versorgt, jüngst einen Anstieg der Zahlungsausfälle meldete, rauschten branchenweit die Aktienkurse in den Keller.

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