USA gegen europäische Konzerne:Die große Reinigung

Hunderte amerikanische Anwälte durchforsten Siemens, die Bank UBS muss Kundendaten herausrücken: Warum die US-Justiz nun auch europäische Unternehmen verfolgt.

U. Schäfer

Die Amerikaner pflegen eine eigene Art des Kapitalismus: rauer, ungezügelter und radikaler. Die Vereinigten Staaten halten das Prinzip der freien Marktwirtschaft hoch. Doch dass die Amerikaner die Wirtschaft in jeglicher Hinsicht frei gewähren lassen und den Interessen der Unternehmen alles unterordnen, ist ein ebenso beliebtes wie falsches Vorurteil. Niemand erlebt dies derzeit so deutlich wie zwei Konzerne aus Europa: Siemens und die Schweizer Großbank UBS.

USA gegen europäische Konzerne: Weil die Siemens-Aktie an der New Yorker Börse gelistet ist, steht der Konzern nach dem Schmiergeldskandal nun unter dem Druck der amerikanischen Börsenaufsicht SEC.

Weil die Siemens-Aktie an der New Yorker Börse gelistet ist, steht der Konzern nach dem Schmiergeldskandal nun unter dem Druck der amerikanischen Börsenaufsicht SEC.

(Foto: Foto: AP)

Immer wieder häufen sich Skandale

Alle Jahre wieder durchläuft die amerikanische Wirtschaft einen brutalen Reinigungsprozess. Wenn sich die Skandale häufen, schlagen die Ermittler erbarmungslos zu. Sie gehen dann gegen alle vor, die den freien Markt allzu dreist für ihre Geschäfte ausgenutzt haben. So war es in den 80er Jahren, als das Imperium der Junk-Bond-Könige zerfiel und ihr Anführer Michael Milken zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. So war es 2000 und 2001, als die New Economy zusammenbrach und Amerika betrügerische Bankrotte bei einst namhaften Unternehmen wie Enron oder MCI Worldcom erlebte. Verdächtige Manager wurden vor laufenden Kameras in Handschellen abgeführt.

Auch jetzt schwingt sich die amerikanische Justiz wieder machtvoll auf. Sie ermittelt gegen große amerikanische Investmentbanken wegen Betrugs. Und sie geht hart gegen Siemens und UBS vor.So zwingt die Börsenaufsicht SEC den Siemens-Konzern, sich wegen des Schmiergeldskandals von Grund auf zu ändern: Auf Drängen der Amerikaner durchforsten Hunderte amerikanische Anwälte das Unternehmen. Auch die Schadenersatzklagen, die der Aufsichtsrat gegen elf ehemalige Vorstände vorbereitet, gehen auf den Druck der SEC zurück. Siemens wird zum Verhängnis, was einst als Errungenschaft gefeiert wurde: dass die Aktie des Unternehmens an der New Yorker Börse gelistet ist.

USA setzt UBS unter Druck

Nicht sehr viel besser ergeht es derzeit UBS, dem größten Vermögensverwalter der Welt. UBS ist das wichtigste Unternehmen der Schweiz. Die Bank verwaltet insgesamt über zwei Billionen Schweizer Franken, umgerechnet 1,2 Billionen Euro. Doch nun setzt die amerikanische Justiz das traditionsreiche Haus, das in den USA mehr Leute beschäftigt als in der Schweiz, gleich mehrfach unter Druck. Der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo nötigte UBS, insgesamt 19 Milliarden Dollar an zweifelhaften Wertpapieren zurückzukaufen, sogenannte Auktionsanleihen, die die Bank ihren Kunden angeblich als sichere Anlagen angedreht haben soll.

Die US-Justiz ermittelt deswegen gegen mehrere Institute. Cuomo zwang auch andere namhafte Banken wie die Citigroup, Merrill Lynch und Morgan Stanley, ihren Kunden die Auktionsanleihen wieder abzunehmen - doch niemand musste derart bluten wie UBS. Für die Schweizer verschärfen sich damit die Verluste aus der Finanzkrise: Die Geldmanager aus Zürich hatten bereits 28 Milliarden Dollar abschreiben müssen.

Das Schweizer Bankgeheimnis wackelt

Noch weitaus gefährlicher für UBS sind aber die Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung, die derzeit in den USA laufen. Die Großbank mit Sitz in Zürich soll reichen Amerikanern geholfen haben, 19 Milliarden Dollar am Fiskus vorbeizuschleusen. Einer ihrer wichtigsten Banker wird deshalb seit Monaten in Florida unter Hausarrest gehalten, ein anderer steht in Fort Lauderdale vor Gericht und hat ausgepackt: Er habe mit dem Wissen seiner Vorgesetzten beim Steuerbetrug geholfen, sagt der Mann.

Seither wackelt das Schweizer Bankgeheimnis - und damit die wichtigste Grundlage für den Erfolg der Schweizer Banken. Die Amerikaner haben UBS genötigt, die Daten von 20.000 Kunden herauszurücken. Schon jetzt verlassen reiche Kunden aus Angst die Bank. Sie haben in drei Monaten fast 44 Milliarden Franken abgezogen. Noch ist offen, wie das Drama um UBS enden wird, denn der jüngste Reinigungsprozess im amerikanischen Kapitalismus steht erst am Anfang. Man darf allerdings davon ausgehen, dass die Amerikaner genauso hart gegen die europäischen Konzerne vorgehen wie gegen ihre eigenen Unternehmen.

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