US-Zinspolitik:Das Billionen-Problem

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Die US-Notenbank-Chefin Janet Yellen. Anleger erhoffen sich von ihr Hinweise, wann eine Leitzinserhöhung erfolgt. (Foto: Zach Gibson/Bloomberg)

Die US-Notenbank will ihr Programm zur Senkung der Langfristzinsen rückabwickeln. Es ist eine Operation mit ungewissem Ausgang.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Um die Größe der Aufgabe zu verstehen, muss man diese schier unfassbare Zahl einmal ins Verhältnis setzen: 3,6 Billionen Dollar, das entspricht etwa der Jahreswirtschaftsleistung Deutschlands - und ist die Summe, die die US-Notenbank Fed in den letzten Jahren ausgegeben hat, um über den Kauf von Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren die langfristigen Marktzinsen zu senken. Nun, da die Konjunktur wieder runder läuft und die Arbeitslosigkeit rapide gesunken ist, soll der gigantische Berg langsam wieder abgetragen werden.

Starten soll die Operation im Oktober. Das gab die Fed nach einer Sitzung ihres federführenden Ausschusses am Mittwochabend in Washington bekannt. Ihren Leitzins ließen die Währungshüter wie erwartet mit 1,0 bis 1,25 Prozent unverändert. Mit dem Kauf der festverzinslichen Papiere war es der Fed gelungen, deren Kurse in die Höhe zu treiben und damit die Renditen sowie das allgemeine Marktzinsniveau abzusenken. Um zu verhindern, dass bei der Rückabwicklung des sogenannten QE-Programms nun das Gegenteil passiert, wird die Notenbank die Anleihen nicht etwa auf dem offenen Markt verkaufen, sondern schlicht warten, bis jeder Titel fällig und der Nennwert erstattet wird.

Auf mittlere Sicht werden im Schnitt etwa 300 Milliarden Dollar pro Jahr an Wertpapieren fällig

Angesichts der unterschiedlichen Laufzeiten ist das ein Prozess, der Jahrzehnte dauern wird. Um die Dinge zu beschleunigen, wollen Fed-Chefin Janet Yellen und ihre Kollegen im ersten Schritte Erlöse aus Zinszahlungen und auslaufenden Bonds nicht mehr eins zu eins in den Kauf neuer Papiere investieren. Damit begänne die Bilanzsumme, die sich seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 von damals rund 900 Milliarden auf etwa 4,5 Billionen - also 4 500 000 000 000 - Dollar verfünffacht hat, langsam zu schrumpfen. Viele Experten gehen davon aus, dass die Notenbank nicht zur Ausgangssumme zurückkehren wird, sondern eher einen Zielwert von etwa 1,5 Billionen Dollar anstrebt.

Wichtigstes Ziel der Fed ist es , ein erneutes "taper tantrum" wie 2013 zu vermeiden. Damals hatte Yellens Vorgänger Ben Bernanke überraschend angekündigt, das Volumen der Wertpapierkäufe langsam zurückzufahren ( to taper). Die Märkte reagierten panisch: Die Risikoprämien der Anleihen schossen in die Höhe, die Aktienkurse in den Keller. "Taper tantrum" lässt sich nicht wörtlich übersetzen, es ist eher eine Verballhornung, die auf die Wut- und Trotzanfälle kleiner Kinder anspielt.

Ob eine sanfte Rückabwicklung gelingt, ist längst nicht ausgemacht. Auf mittlere Sicht werden im Schnitt etwa 300 Milliarden Dollar pro Jahr an Wertpapieren fällig. Der Zinserhöhungsdruck, der dadurch ausgelöst wird, könnte bis zu 0,2 Prozentpunkte betragen. Das entspräche der Wirkung von ein bis zwei kleinen Leitzinserhöhungen. Torsten Sløk, Chef-Weltwirtschaftsexperte der Deutschen Bank in New York, mag den Beschwichtigungen der Notenbanker daher nicht recht trauen: Wenn, wie die Fed behaupte, der Kauf der Wertpapiere einen Effekt gehabt habe, dann werde auch ihr Verkauf einen Effekt haben, so der Top-Ökonom. Das zu bestreiten sei so, "als würde man sagen, dass eine Senkung der Steuern Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung hat, eine Steuererhöhung aber nicht".

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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