US-Steuerreform:Trump handelt, Deutschland erstarrt

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Banken und Versicherer fürchten, dass die Steuerreform den internationalen Wettbewerb verzerrt. Statt schnell zu reagieren, schiebt die Bundesregie­rung ein Steuerprojekt weiter auf.

Von C. Gammelin, M. Schreiber, H. Fromme und E. Dostert, Berlin

Donald Trump hat es zügig geschafft, eine gewaltige Steuerreform durchzusetzen, die Amerika als Wirtschaftsstandort hoch attraktiv macht. Und was ist die Antwort des Exportweltmeisters Deutschland, der die Auswirkungen der Reform spüren bekommen wird? Eine Ansage, dass sich seinerseits ein lang angekündigtes Steuerreförmchen weiter verspätet. Der geschäftsführende Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU) sagte der SZ, dass der deutsch-französische Vorschlag für eine gemeinsame Grundlage zur Erhebung der Körperschaftsteuer nicht wie angekündigt im Dezember 2017 fertig wird. "Der Vorschlag kommt, aber nicht im Dezember", sagte Altmaier. Und warum? "Die Abstimmung ist im Detail superschwierig. Meine Vorstellung ist, dass wir einen ersten Strich darunter machen können, wenn wir den nächsten deutsch-französischen Ministerrat haben. Der ist noch nicht terminiert, wird aber sicherlich im ersten Halbjahr 2018 stattfinden."

Die deutsche Politik reagiert überraschend beschaulich auf das Tempo, das Washington vorlegt, um die Wirtschaftsmacht Amerika noch mächtiger zu machen. Zwar hatte der inzwischen ausgeschiedene Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Anfang 2017 eine Steuerreform für Firmen angekündigt - auch als Reaktion auf das sich nach dem Brexit-Votum und der Trump-Wahl abzeichnende weltweite Steuerdumping. Doch dann kam der Wahlkampf, und es passierte nichts. Jetzt ist ein Interimsminister im Amt, und es passiert weiter nichts.

Die deutsch-französische Steuerinitiative sollte eigentlich dazu dienen, die europäische Steuergesetzgebung voranzubringen und europäisches Steuerdumping zu verhindern. Auch da geht es jetzt nicht voran. Immerhin werden Warnungen vor einem "Unterbietungswettbewerb" bei Steuern laut. Altmaier und vier weitere europäische Finanzminister haben sogar einen Brief an ihren US-Kollegen Steve Mnuchin geschrieben, in dem sie fordern, das internationale Regelwerk zu beachten und für Zusammenarbeit werben.

Die deutschen Wirtschaftsverbände reagieren deutlich besorgter. Sie fordern Gegenmaßnahmen, um Deutschland wieder attraktiver zu machen. Mit verbesserten Abschreibungsregelungen und Verschärfungen für grenzüberschreitend tätige Unternehmen setze das US-Gesetzespaket "erhebliche Anreize", Konzernfunktionen und Investitionen in die USA zu verlagern, sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Die US-Steuerreform verschärfe den Standortwettbewerb zwischen Europa und den USA "signifikant", sagt Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Maschinenbauverbandes VDMA. Als mögliche "Stellschrauben", an denen die deutsche Politik drehen könnte, sieht der Verband die Höhe der Steuersätze, eine mittelstandsorientierte Forschungsförderung und Abschreibungssätze, die den tatsächlichen Wertverlust realistischer abbilden. "Wir müssen uns die Steuerpläne in Ruhe ansehen", sagt ein Sprecher des deutschen Maschinenbaukonzerns Trumpf. Er hat seit 1969 einen Standort in den USA und gerade eine Smart Factory in Chicago eröffnet.

Trumpf-Fabrik in Chicago. Deutsche Firmen befürchten durch die US-Politik erhebliche Nachteile. (Foto: Steve Hall © Hall+Merrick)

Standortentscheidungen seien "sehr vielschichtig", so der Sprecher. Sie hingen von der Nähe zu Kunden und Zulieferern ab. "Steuerliche Themen sind wichtig. Aber sie beeinflussen unsere langfristige Strategie auf einzelnen Märkten nicht vorrangig." Die USA sind für Trumpf der zweitgrößte Markt nach Deutschland. Rund 420 Millionen Euro setzte das Unternehmen in den USA im letzten Geschäftsjahr um. Das Unternehmen erzielt vier Fünftel seiner Erlöse im Ausland: "Jede Form steuerlicher Barrieren ist Gift für Firmen, die wie wir in einem weltweiten Verbundnetz arbeiten".

Europäische Banken und Versicherer sind direkt von den US-Steuerplänen betroffen. Für große Banken hat die US-Reform einen überraschenden negativen Nebeneffekt, der sich "bald auch in den Bilanzen von Banken niederschlagen dürfte", wie Oliver von Schweinitz, Steuer- und Bankenfachmann der Wirtschaftskanzlei GGV sagt. Sie zwingt die Geldhäuser zu milliardenhohen Abschreibungen.

Hintergrund ist ein komplizierter bilanzieller Effekt. Weil viele Geldhäuser in der Krise hohe Verluste gemacht haben, verfügen einige über große Verlustvorträge. Das sind Bilanzposten, dank derer sie weniger Steuern zahlen, wenn sie Gewinn machen. Sinkt der Steuersatz, sinkt automatisch auch der Wert dieser Verlustvorträge. Die US-Bank Citigroup könnte die Reform zu Abschreibungen von 16 bis 17 Milliarden Dollar zwingen; den Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse drohen Korrekturen von drei und zwei Milliarden. Auch die Deutsche Bank wird den Effekt spüren. Dass die Aktienkurse der Banken bisher nicht mit großen Verlusten reagiert haben, liegt daran, dass die Abschreibung nicht das für die Aufseher wichtige Kernkapital schmälert. Und der bilanzielle Einmaleffekt wird überlagert durch generell höheres Wachstum, was der Branche dauerhaft zugutekommt.

Europäische Versicherer sind empört über ein Detail, das ihnen das Geschäft in den USA erheblich erschweren kann. US-Töchter von ausländischen Firmen, die mehr als 500 Millionen Dollar Umsatz machen, müssen für 2018 eine Steuer von fünf Prozent auf den abgegebenen Umsatz zahlen, von 2019 an sind es zehn Prozent.

Wenn Industrieversicherer wie Allianz Global Corporate & Speciality, HDI Global oder Zurich einen europäischen Konzern gegen Feuer- und Haftpflichtrisiken absichern, tun sie das durch ein internationales Programm. Damit sind Fabriken, Vertriebsgesellschaften und alle anderen Töchter weltweit versichert. Aus rechtlichen Gründen müssen aber Tochtergesellschaften in vielen Ländern die Versicherungsprämie jeweils vor Ort zahlen - an dort ansässige Töchter der Versicherer. Sie leiten dann die gesamte Summe oder einen Teil davon an den Mutterkonzern weiter, der auch das Risiko trägt. Auf die weitergeleiteten Beträge wird in den USA künftig die Zusatzsteuer fällig. Ähnliches gilt für viele Rückversicherungsgeschäfte. Betroffen sind deshalb auch der Londoner Lloyd's-Markt, Munich Re, Swiss Re und viele andere Gesellschaften. Für US-Versicherer, die im Ausland aktiv sind, gibt es keine ähnliche Strafsteuer.

© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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