US-Notenbank-Vize Yellen:Die Taube und der 600-Pfund-Gorilla

Vizechefin der Fed Janet Yellen

Vizepräsidentin der US-Notenbank Janet Yellen: hier beim Treffen von IWF und Weltbank im Oktober 2012 in Tokio

(Foto: Bloomberg)

2014 könnte der Chefsessel der US-Notenbank frei werden. Beste Chancen auf die Nachfolge hat Vizepräsidentin Janet Yellen. Die 66-Jährige ist eine hervorragende Ökonomin, sah die Finanzkrise voraus und ist eine so genannte Taube: Sie hat ein Herz für den Arbeitsmarkt - und nimmt dafür Inflation in Kauf. Ausgerechnet sie müsste dann auch das Gelddrucken beenden.

Von Nikolaus Piper, New York

Vergangenes Jahr sah die Welt noch ganz anders aus. Ein Sieg des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney galt als möglich, wenn nicht gar als wahrscheinlich. Die Finanzmärkte begannen sich darauf einzustellen, dass Ben Bernanke, der Chef der Federal Reserve, keine dritte Amtszeit mehr bekommt und am 31. Januar 2014 von dem konservative Ökonomen Glenn Hubbard ersetzt wird. Es wäre ein harter Bruch geworden. Hubbard hätte, so die Spekulation, so schnell wie möglich mit dem Gelddrucken aufgehört.

Jetzt ist Barack Obama Präsident geblieben und die Märkte spekulieren über andere Namen für die potenzielle Bernanke-Nachfolge: Favoritin ist Janet Yellen, 66, die Stellvertreterin Bernankes. Yellen gilt als überzeugte "Taube", was im Jargon der Notenbanker so viel heißt wie: Sie sorgt sich eher um die Arbeitslosigkeit als um die Inflation. Und sie wird alles tun, um mit den Mitteln der Geldpolitik Wachstum zu generieren.

Sie habe eine "inflationäre Schlagseite", warf ihr der konservative Republikaner Richard Shelby vor, als er ihr die Nominierung 2010 verweigern wollte. Heute ist sie das Fed-Mitglied, das dem Präsidenten Bernanke am nächsten steht. Auf sie würde es paradoxerweise fallen, die Abkehr von der Politik des Gelddruckens nun ihrerseits einzuleiten. Es ist sicher kein Zufall, dass in Washington und New York derzeit ihr Name in Zusammenhang mit Konzepten für eine Normalisierung der Geldpolitik diskutiert wird.

Dabei ist ihre Nominierung noch keinesfalls eine ausgemachte Sache. Noch gilt es nicht einmal als sicher, wenn auch als wahrscheinlich, dass Amtsinhaber Bernanke tatsächlich aufhören will. Außerdem gibt es noch weitere Kandidaten: Harvard-Professor und Obama-Berater Lawrence Summers, von dem schon lange bekannt ist, dass er den Job gerne haben möchte. Als möglicher Bewerber gilt auch Ex-Finanzminister Timothy Geithner. Für Yellen spricht, dass sie am meisten Kontinuität bringen würde und dass sie die erste Frau an der Spitze der fast 100 Jahre alten Institution wäre.

Yellen erklärte Obama die Krise

Vor allem aber hat sie eine erstklassige Biografie als Ökonomin. Ihr Mentor an der Universität Yale war der spätere Nobelpreisträger James Tobin, Erfinder der so genannten Finanztransaktionssteuer (die er aber ganz anderes einsetzen wollte als seine Schüler heute). Verheiratet ist Yellen mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger von 2001, George Akerlof.

Yellen war oberste Wirtschaftsberaterin von Präsident Bill Clinton. Als Chefin der Federal Reserve Bank of San Francisco drängte sie den damaligen Fed-Chef, Alan Greenspan, zu schnellen Zinserhöhungen, um die Spekulation zu dämpfen. Und sie warnte früh vor dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes. Im Juni 2007 sagte sie, laut Fed-Protokoll: "Ich spüre immer noch die Gegenwart eines 600-Pfund-Gorillas im Raum, und das ist der Wohnungsbausektor." Im Dezember 2007 rief sie, wie das Wall Street Journal berichtet, als eine der ersten zu Zinssenkungen auf.

Nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Bear Stearns im März hatte sie, wieder laut Informationen des WSJ, ein möglicherweise entscheidendes Gespräch mit dem damaligen Senator von Illinois, Barack Obama. In 30 Minuten erklärte sie ihm die Logik der beginnenden Finanzkrise. Sie war eine der wenigen Experten, die der Kandidat damals zu Rate zog.

Eine Wählscheibe, um die Wirtschaft zu retten

Aber was wird die Fed nun tun, unter Yellen oder vorher? Viele Ökonomen erwarten, dass die Notenbank noch in diesem Jahr damit beginnen wird, den Prozess des Gelddruckens zu verlangsamen. Die USA haben heute - im Gegensatz zu Europa und Japan - einen langsamen aber stabilen Aufschwung. Der Internationale Währungsfonds sagt für dieses Jahr 1,9 Prozent Wachstum voraus. Wenn der Effekt der erzwungenen staatlichen Sparmaßnahmen ("Sequester") gegen Jahresende ausläuft, könnten es noch mehr werden.

Die Erwartungen äußern sich derzeit in einem gestiegenen Dollar- Kurs; der Euro ist entsprechend wieder unter die Marke von 1,30 Dollar gesunken. Auch das Haushaltsdefizit sinkt schnell: Nach Schätzungen des Haushaltsbüros des Kongresses soll der Fehlbetrag von 7,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr auf 5,3 Prozent 2013 und 3,7 Prozent 2014 zurückgehen.

In der Umgebung der Fed wird seit kurzem ein neuer Begriff verwendet: "the dial" - die Wählscheibe. Nach der letzten Sitzung am 1. Mai erklärte der Offenmarktausschuss der Fed zu Überraschung vieler, man sei bereit, das Tempo der Geldschöpfung "zu erhöhen oder zu verlangsamen", je nachdem, was für die jeweilige Situation angemessen ist. Was das bedeutet, erklärte Charles Plosser, der Präsident der Federal Reserve of Philadelphia: Die Fed habe eine "Wählscheibe, und die kann sie in beide Richtungen drehen".

Was Plosser und andere offenbar vermeiden möchten, ist die Erfahrung der Jahre 2004 bis 2006. Damals erhöhte die Fed bei jeder Sitzung den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt. "So etwas weckt Erwartungen, die gefährlich werden können, sagt ein Fed-Beobachter. Also will sich die Notenbank die Flexibilität sichern, auch auf unerwartete Dinge zu reagieren.

Derzeit kauft die Fed jeden Monat Hypotheken für 40 Milliarden Dollar und Staatsanleihen für 45 Milliarden. Auch deren Erträge werden reinvestiert. Alles zusammen drückt die langfristigen Zinsen und erhöht die Geldmenge. Seit September ist die Bilanzsumme der Fed von 2,58 auf 3,04 Billionen Dollar gestiegen.

Als Erstes könnte die Fed damit aufhören, die Erträge der aufgekauften Wertpapiere zu reinvestieren, möglicherweise bereits im dritten Quartal. Das wäre ein erstes Signal, dass der Kurs sich ändert. Die Fed hätte dann Gelegenheit zu beobachten, wie die Märkte darauf reagieren. Was den Leitzins selbst betrifft, hat sich Bernanke allerdings festgelegt: Er soll auf seinem historischen Tiefstand von 0,00 bis 0,25 Prozent bleiben, bis die Arbeitslosigkeit unter die Quote von 6,5 Prozent sinkt. Derzeit liegt sie bei 7,5 Prozent.

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