US-Markt:Alles ganz groß

Ford auf der NAIAS: Neuer F-150 - Ranger

Der Ford F 150 ist das meistverkaufte Auto in den USA. Jetzt versucht sich auch Volkswagen mit solch einem Modell.

(Foto: oh)

Kunden und Automanager in den USA interessieren sich kaum noch für den Dieselskandal.

Von Max Hägler, Claus Hulverscheidt, Detroit

Wieder also eine Automesse, die von so vielen ungemütlichen Ereignissen für Volkswagen überschattet wird: Der Konzern gesteht bei der US-Regierung seine Schuld ein im Dieselskandal. Ein Manager wird in Fesseln vorgeführt. Milliardenklagen, Milliardenstrafen. Und dies nicht nur jetzt - das ganze vergangene Jahr ging das schon so. Man könnte meinen, dass deshalb hier, in den USA, wo der Abgasskandal seinen Ausgang genommen hat, die Deutschen, der Diesel und VW im Speziellen völlig unten durch sind.

Auf der Auto Show in Detroit zeigt sich jedoch, dass es in dieser Angelegenheit zwei Sichtweisen gibt, zwei Welten gar. Die kritische Welt, das ist die der Politik, der betrogenen Kunden, der Anwälte, die aus dem Vergehen Profit machen wollen. Aber der Markt, der ist etwas ganz anderes. Von "Dieselgate" oder irgendwelcher anderen Erregung über die Deutschen ist hier nichts zu spüren, und auch in den meisten Zeitungen und Fernsehsendungen des Landes fand der VW-Skandal in den vergangenen Monaten kaum noch statt.

Die Deutschen in Detroit - das ist wieder business as usual. Die dreckigen Aggregate sind kein Thema hier unter den Managern. "Weder der Sergio noch der Carlos fragen, was los ist", fasst Daimler-Boss Dieter Zetsche seine Gespräche zusammen. Nun kann man davon ausgehen, dass die Firmenchefs Sergio Marchionne (Fiat-Chrysler) und Carlos Ghosn (Renault-Nissan) sicher sehr wohl einmal gefragt haben, was da in Deutschland eigentlich vor sich geht beim Thema Diesel - schließlich läuft derzeit auch eine mehr oder weniger freiwillige Untersuchung von Daimlers Aggregaten, die mitunter bemerkenswert miserable Abgaswerte produzieren. Zumal auch die Motoren, die "Sergio" und "Carlos" verkaufen, nicht immer frei von Fehl und Tadel sind. Aber andererseits: Wen interessiert's? "Wir haben gerade das historisch beste Jahr unserer Geschichte abgeschlossen", sagt Zetsche gut gelaunt. Warum sich also die Laune verderben lassen.

BMW und Daimler finden sogar Zeit zu einem Kleine-Jungs-Kampf

Tatsächlich sind die Verkaufszahlen so gut, dass Daimler und BMW in Detroit Zeit finden für einen Kleine-Jungs-Kampf: Am Sonntagabend hatten die Stuttgarter stolz verkündet, sie seien 2016 mit gut zwei Millionen verkauften Autos Marktführer bei den Premiumanbietern gewesen - endlich wieder nach mehr als einem Jahrzehnt. Wenige Stunden später konterten die Münchner, vertreten von Vorstand Ian Robertson: Wir sind die Nummer eins! Um die Spitzenposition zu behaupten, hatte BMW einfach seine Tochtermarken Mini und Rolls-Royce dazugerechnet. Zetsche später dazu: "Wurscht". Dann warte man halt bis 2017. Oder man nehme die 200 000 Lkw dazu, die Daimler verkauft. Wer sich auf diesem Level balgt, dem geht es nicht übel. Auch in den USA lief das Geschäft für die deutschen Hersteller ordentlich. Zwar verbuchte etwa BMW einen leichten Rückgang. Insgesamt jedoch verkaufen alle viele Autos. Und der Skandalkonzern aus Wolfsburg? Ausgerechnet er hat 2016 weltweit die meisten Pkw von allen verkauft: 10,3 Millionen. Damit hat VW Toyota überholt. Und die Diskussionen über einen kompletten Rückzug aus den USA drehen sich gerade ins Gegenteil: Die Marke VW hat hier nur knapp acht Prozent verloren, obwohl der Absatz von Diesel-Pkw, der vor dem Abgasskandal 25 Prozent betragen hatte, komplett weggebrochen ist. Jetzt heißt es: "We want to reignite America's love for Volkswagen" - "Wir wollen Amerikas Liebe für Volkswagen neu entfachen." So ganz groß allerdings war diese Liebe nie. VW verkauft in den USA derzeit vor allem die Stufenheck-Version des Golf, den Jetta. Aber auch nur in Nischendimensionen. Der Name Volkswagen ist hier reichlich unpassend. Aus dieser schon immer so unbedeutenden Marktposition zu kommen, war der Anstoß für den vermeintlich so sauberen Diesel: Mit einem billigen, sauberen Auto wollte man den Markt aufrollen. Es klappte nicht, auch weil der Diesel trotz der betrügerischen Kampagne nicht interessiert: Anders als in Europa, wird er nicht staatlich gefördert, ein Liter kostet deshalb mit umgerechnet 65 Euro-Cent fünf Cent mehr als die gleiche Menge Benzin. Vor dem Skandal tankte einer von 100 neu verkauften Pkws Diesel, im vergangenen Jahr war es noch einer von 1000. Zum Vergleich: in Europa ist es knapp jeder zweite. Völlig tot ist der Diesel in Amerika allerdings noch nicht: Wegen des geringeren Verbrauchs gibt es dieses Jahr sogar das meistverkaufte Auto der USA, den Ford 150, erstmals als Selbstzündervariante.

Der einstige Vorkämpfer VW beteiligt sich nicht mehr an der Überzeugungsarbeit. Man wolle ein "wichtiger und profitabler Volumenhersteller" in den USA werden, sagt Markenchef Herbert Diess zwar. Allerdings: Diesel wird es nicht mehr geben. "Wir haben keine Pläne, Diesel wieder einzuführen", sagt Hinrich Woebcken, USA-Chef von VW, im Gespräch mit der SZ.

Stattdessen versuchen es die Wolfsburger nun mit dem, was in den USA funktioniert: mit großen Benzinern. Mit dem Atlas präsentieren sie in Detroit einen riesigen, siebensitzigen SUV. Und der Tiguan wurde eigens für den nordamerikanischen Markt im Vergleich zur europäischen Version um 30 Zentimeter verlängert. Anders als früher heißt es jetzt nicht mehr, ein Volkswagen sei besser oder sauberer als die Produkte der Konkurrenz. Das VW-Motto in den USA lautet jetzt vielmehr: "It's bigger!"

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