Strafzölle gegen Europa:Trumps Bedenkenträger melden sich zu Wort

U.S. President Trump hosts signing ceremony to establish tariffs on imports of steel and aluminum at the White House in Washington

Donald Trump mit Stahlarbeitern bei der feierlichen Unterzeichnung im Weißen Haus.

(Foto: Leah Millis/Reuters)
  • Republikanische Parteifreunde aus allen Teilen des Landes haben Vorbehalte gegen die von US-Präsident Trump eingeführten Strafzölle auf Stahl und Aluminium.
  • Viele fürchten, dass der Schritt ihre eigene Wiederwahl bei den Kongresswahlen im Herbst gefährdet.
  • Mit der Importabgabe will der Präsident heimische Hersteller vor ausländischer Konkurrenz schützen, Arbeitsplätze sichern und möglichst neue schaffen.

Von Claus Hulverscheidt, New York, und Benedikt Müller, Düsseldorf

Das laute Gezeter in Europa, Japan und China hatte Donald Trump noch kaltgelassen, dann aber meldeten sich plötzlich Bedenkenträger, deren Wort für den US-Präsidenten Gewicht hat: republikanische Parteifreunde aus allen Teilen des Landes, darunter zahlreiche eingefleischte Trump-Fans. Die meisten von ihnen müssen sich im Herbst der Kongresswahl stellen, einem Votum, das auch für den Präsidenten selbst ein wichtiger Stimmungstest ist. Und viele fürchten, dass die geplante flächendeckende Einführung von Importzöllen auf Stahl und Aluminium ihren Bundesstaaten am Ende mehr schaden als nutzen wird. Oder anders gesagt: die eigene Wiederwahl gefährdet.

Insgesamt 107 republikanische Kongressmitglieder unterzeichneten ein entsprechendes Schreiben an Trump, das zur Wochenmitte im Weißen Haus einging. Sie kommen aus Michigan und Georgia, wo große stahl- und aluminiumverarbeitende Firmen wie General Motors und Coca-Cola residieren, die wegen der Einfuhrzölle nun deutlich höhere Rohstoffpreise befürchten. Sie kommen aber auch aus ganz anderen Regionen, aus Idaho etwa, wo sich die Landwirte sorgen, dass sie es wären, die von Vergeltungsmaßnahmen der Chinesen und Europäer getroffen würden.

Die Bemühungen der EU-Kommission vorerst gescheitert

Es war der Moment, als Trump und seine Adlaten plötzlich begannen, über mögliche Ausnahmen von den geplanten Zöllen zu sprechen. Diese werden 25 Prozent für Stahl- und zehn Prozent für Aluminiumimporte betragen und noch im März in Kraft treten. Verschont werden sollen nur "echte Freunde, die sowohl beim Handel als auch in Sachen Militär fair mit uns umgehen", sagte Trump bei der Unterzeichnung seines Dekrets am Donnerstagabend im Weißen Haus. Damit sind zunächst einmal nur die direkten Nachbarn Kanada und Mexiko gemeint. Die Europäer hingegen fallen offensichtlich nicht in diese Kategorie. Damit sind die entsprechenden Bemühungen der EU-Kommission vorerst gescheitert.

Mit der Importabgabe will der Präsident heimische Hersteller vor ausländischer Konkurrenz schützen, Arbeitsplätze sichern und möglichst neue schaffen. Tatsächlich kündigten einige US-Stahlhersteller unmittelbar nach Bekanntgabe der Pläne an, stillgelegte Produktionsstätten wieder in Betrieb zu nehmen. Was Trump jedoch offenbar übersah: Die Branche beschäftigt zwar 140 000 Menschen, in der stahlverarbeitenden Industrie sind jedoch 6,5 Millionen tätig - fast 50 Mal so viele.

Als Präsident George W. Bush 2002 einen ähnlichen Vorstoß unternahm, waren die Folgen verheerend: Die Hoffnung auf neue Arbeitsplätze bei den Stahlherstellern erfüllte sich nicht, gleichzeitig verloren in der verarbeitenden Industrie Tausende Menschen ihre Jobs, weil Firmen zur Umgehung der Zölle Teile der Produktion ins Ausland verlagerten. Von einem Parteifreund darauf angesprochen, hatte Trump noch im Februar trotzig reagiert: "Ja, es hat unter Bush nicht geklappt", sagte er. "Aber unter Bush hat gar nichts geklappt."

Auch viele andere Branchen klagen

Zu den Hauptbetroffenen der Zölle dürfte in den USA neben der Bau- vor allem die Autoindustrie zählen. Sie hat nach einigen Erfolgsjahren ohnehin mit Problemen zu kämpfen und kann eines ganz sicher nicht gebrauchen: höhere Stahlpreise. Auch viele andere Branchen klagen: die Bierindustrie, die einen erheblichen Teil ihrer Produktion nach wie vor in Dosen abfüllt; die Lebensmittelbranche, für die dasselbe gilt; die Maschinenbauer, die Land- und Baumaschinenhersteller, die Luftfahrt-, die Schiff-, die Elektronikindustrie. "Machen wir uns nichts vor: Das ist eine Abgabe, die die amerikanischen Familien werden zahlen müssen", sagte Matthew Shay, der Präsident des Einzelhandelsverbands.

Trump hingegen, der ohnehin eine ausgeprägte Schwäche für die Schwerindustrie hat, sehnt sich nach einer Zeit zurück, in der Stahlkocher in den USA - und Europa - ihr Rohprodukt geradezu in Massen herstellten und auf den Markt warfen. Metallhändler verkauften es weiter, letztlich wurde der Stahl in irgendeiner Brücke, Maschine oder Karosserie verbaut. Doch diese Massenproduktion hat sich längst nach Asien verlagert, jede zweite Tonne wird heute in China produziert. Weltweit ist die Branche so stark gewachsen, dass sie Experten zufolge pro Jahr 2,4 Milliarden Tonnen herstellen kann. Die Menschheit benötigt jedoch nur 1,5 Milliarden Tonnen, deshalb ist der Marktpreis kräftig gesunken, mit ihm die Zahl der Arbeitsplätze in den westlichen Industriestaaten. In Deutschland etwa arbeiten heute nur noch 85 000 Menschen in der Stahlindustrie, 1980 waren es noch dreimal so viele gewesen.

Mit Massenware lässt sich dabei im Westen kaum noch Geld verdienen

Doch es sind keineswegs nur Überproduktion und gestiegene Importe, die für die Jobverluste verantwortlich sind. Vielmehr werden die Fertigungsanlagen auch immer produktiver. 1980 kam auf einen Stahlwerker rechnerisch eine jährliche Produktion von gut 150 Tonnen. Heute sind es knapp 500 Tonnen. Mit Massenware lässt sich dabei im Westen kaum noch Geld verdienen, weil die Gehälter - in Europa auch die Energiepreise - hoch sind. Deshalb drosseln die Firmen ihre Produktion, sparen Kosten, fusionieren. Doch Stahl ist nicht gleich Stahl. Viele europäische Hersteller haben Sorten entwickelt, die besonders fest oder dünn sind. Sie produzieren immer mehr Stahl nach den Wünschen der Kunden, auch in Übersee. Manche wie der österreichische Konzern Voestalpine liefern besondere Stahlsorten in ihre Werke in den USA, die dort nicht verfügbar sind. Auch hier würden Zölle negativ wirken.

Andere Hersteller fragen sich, ob ihre US-Abnehmer bereit wären, höhere Preise für europäische Sorten zu zahlen. Zum anderen würde der Wettbewerb in Europa noch härter, wenn sich mit den USA der weltgrößte Importeur abschotten würde. Dann könnte "schon in den nächsten Wochen mehr Stahl nach Europa eingeführt werden", befürchtet Henrik Adam, Vorstandsmitglied bei Tata Steel Europe. "Solche Produktionsströme werden erfahrungsgemäß schnell umgelenkt." Voestalpine-Chef Wolfgang Eder glaubt zudem, dass sich die Amerikaner mit einer Politik der Abschottung ins eigene Fleisch schneiden würden. "Je stärker ein Staat versucht, seine Stahlindustrie vor Ort mit Hilfe von Zöllen zu schützen, desto kleiner ist der Anreiz für die Unternehmen, in moderne Technologien zu investieren", sagt der frühere Präsident des Weltstahlverbands.

Doch mit solch differenzierten Argumenten mag sich Trump erst gar nicht befassen. Für ihn ist klar, dass ein Staat seine eigene Stahlindustrie braucht, denn: "Hat man keinen Stahl, hat man kein Land!"

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