US-Generalkonsulin Jennifer Gavito:Lektion in Diplomatie

US-Generalkonsulin Jennifer Gavito: "Der Präsident ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Akteur in der US-Politik". Jennifer Gavito

"Der Präsident ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Akteur in der US-Politik". Jennifer Gavito

(Foto: Alexandra Schellnegger)

Seit Donald Trumps Amtsantritt ist US-Generalkonsulin Gavito in heikler Mission unterwegs.

Von Silvia Liebrich

Amerikanische Diplomaten wie Jennifer Gavito haben derzeit keinen leichten Job. Wie sollen sie mit einem Chef umgehen, der unberechenbar ist und keine Chance auslässt, Kritiker vor den Kopf zu stoßen? Und vor allem, wie erklärt man dieses Verhalten nach außen, ohne illoyal zu wirken?

Wie sich diese schwierige Aufgabe meistern lässt, zeigte die Amerikanerin nun bei einer Tagung an der Evangelischen Akademie in Tutzing am Starnberger See. Dabei helfe ihr der Rat von John Emerson, der bis Ende Januar Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland war, sagte sie offen. Dessen Tipp gab sie an die Zuhörer weiter: "Vermeiden Sie es, zu sehr auf Tweets zu reagieren, und lassen Sie sich nicht davon verunsichern."

Dabei sollte Gavito, die seit 2015 US-Generalkonsulin in München ist, bei der Welthandelstagung des Ifo-Instituts eigentlich über etwas ganz anderes reden: über die Vorzüge des transatlantischen Abkommens TTIP. Das zumindest war der Plan, als die Einladungen vor mehreren Monaten verschickt wurden. Nun aber ist es an ihr, das Gegenteil zu erklären. Denn ihr neuer Chef heißt Donald Trump, und der hat ganz andere Vorstellungen als sein Vorgänger Barack Obama. "America first", lautet sein Credo, von Freihandel hält er wenig. Das fertige TPP-Abkommen der USA mit den Pazifik-Ländern hat er gekippt, an TTIP mit der EU hat er allem Anschein nach kein Interesse.

Da bleiben viele offene Fragen. Gavito muss sie beantworten. Und sie beginnt erst einmal damit, ausdrücklich die Errungenschaften der Obama-Regierung zu loben. Etwa die als Obamacare bekannte Reform des Gesundheitswesens, den Beitritt der USA zum Klimaschutzpakt, das Atomabkommen mit Iran. Interessant ist, was Gavito in diesem Zusammenhang nicht groß erwähnt, nämlich dass Trump all diese Dinge deutlich ablehnt. Wer mag, könnte aus ihren Worten eine nicht formulierte Kritik heraushören. Das Publikum versteht es so und applaudiert.

Die Ängste im Saal lassen sich damit freilich nicht wegwischen. Ein US-Präsident, scheinbar außer Rand und Band, was bedeutet das für Deutschland und den Rest der Welt? Gavito versucht zu beruhigen. "Der Präsident ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Akteur in der US-Politik", sagt sie. Das Prinzip der gegenseitigen Kontrolle von Verfassungsorganen ließe sich nicht einfach aushebeln. Nun gelte es, den Glauben an die Demokratie zu bewahren.

Optimismus verbreiten, auch das gehört zu ihrem Job. Im Umgang mit politischen Krisen ist sie geschult, unter anderem hat sie drei Jahre die politische Abteilung am US-Generalkonsulat in Jerusalem geleitet. Die heikle Frage aus dem Publikum, welche Rolle "alternative Fakten" künftig in der US-Politik zukomme, kontert sie geschickt. "Wir sollten mit Fakten arbeiten, das Konzept alternativer Fakten, äh ..." Den Rest des Satzes lässt sie unvollendet. Sie wird verstanden.

Die Diplomatin setzt auf Sachlichkeit. Anstatt auf Tweets müsse man nun darauf achten, welche Experten für Schlüsselpositionen in Regierung und Administration nominiert würden und wie die Finanzmittel im Haushalt verteilt werden. Auch der neue Präsident muss sich damit auseinandersetzen. Trumps Plan, die USA mit einer Mauer gegen Mexiko abzuschotten, wird teuer - die Grenze ist mehr als 3100 Kilometer lang. "Die executive order für den Mauerbau reicht derzeit für 48 Meilen, mehr Geld ist nicht da", relativiert Gavito.

Sie muss aber zugeben, dass Trump sich durchsetzen könnte, weil er zumindest in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit die Mehrheit in Kongress und Repräsentantenhaus hinter sich hat. Eine Realität, die sich auch mit viel Diplomatie nicht wegdiskutieren lässt.

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