US-Geldpolitik:Greenspan und die Geister

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Behutsam — ganz behutsam — stimmt die Fed die Märkte auf höhere Zinsen ein.

Von Martin Hesse

Alan Greenspan sprüht in diesen Tagen vor Optimismus: Die amerikanische Wirtschaft entwickle sich gut, das bedrohliche Szenario einer Deflation - ein allgemein sinkendes Preisniveau mit dramatischen Folgen für die Unternehmen - sei kein Thema mehr, sagte der US-Notenbankchef vor dem Kongress.

Gute Nachrichten eigentlich. An den Börsen aber sackten die Kurse von Aktien und Anleihen ab, der Euro fiel im Vergleich zum Dollar auf den tiefsten Stand seit mehr als vier Monaten. Die Anleger lernen aus Greenspans Einlassungen vor allem eins: Die US-Notenbank Fed wird den Leitzins, der seit fast einem Jahr auf dem historischen Tief von einem Prozent liegt, wohl noch in diesem Jahr nach oben schleusen. Die Zinswende ist da.

Na und? Die Preise steigen bislang nur moderat, drastische Zinserhöhungen scheinen also vorerst nicht geboten. Angesichts eines Wirtschaftswachstums von mehr als vier Prozent sollte zudem auch ein Leitzins von zwei oder drei Prozent für die Wirtschaft kein Problem sein.

Doch Greenspan hat mit seiner Niedrigzinspolitik Geister gerufen, die er nun nicht los wird: Die Fed hat den Markt mit Geld überschwemmt. In der Ära Greenspan hat sich die Geldmenge mehr als verdoppelt, die Schere zwischen Geldmengenwachstum und Wirtschaftswachstum ist weit aufgeklappt.

Schmaler Grat

Dass die Güterpreise in den vergangenen Jahren dennoch kaum gestiegen sind, lag vor allem an Überkapazitäten in den USA und billigen Importen aus Asien. Doch ergaben zuletzt Umfragen, dass Verbraucher und Erzeuger mit steigenden Preisen rechnen.

Dafür spricht die Hausse bei den Rohstoffpreisen und die Aussicht auf eine Aufwertung der chinesischen Währung. Der Preisauftrieb könnte sich also schneller beschleunigen, als bislang absehbar ist. Greenspan müsste dann mit höheren Zinsen gegensteuern.

Das aber ist heikel, weil die Fed mit ihrer Politik eine andere Art von Inflation begünstigt hat: Viel von dem Geld, das sie so billig zur Verfügung stellt, ist in Wertpapiere geflossen: In Aktien und Anleihen in den USA, Europa und vielen Schwellenländern. Anders als bei Gütern ist bei Aktien zwar schwer messbar, ob ihre Preise zu rasch gestiegen sind.

Doch mehren sich die Stimmen, die US-Aktien gemessen an den erwarteten Gewinnen für überteuert halten. Steigen jetzt die Zinsen, würde das die Gewinnaussichten der Unternehmen tendenziell eintrüben. Zudem müssen Amerikas hoch verschuldete Verbraucher womöglich Aktien verkaufen, um höhere Schuldzinsen bedienen zu können.

Noch offensichtlicher ist die Nervosität an den Rentenmärkten: Dort sind die Kurse von Staats- und Unternehmensanleihen in der Erwartung höherer Inflationsraten und Leitzinsen zuletzt von den im vergangenen Jahr erreichten Rekordständen drastisch zurückgefallen. Spiegelbildlich dazu zogen die Renditen für US-Staatsanleihen kräftig an und liegen mittlerweile wieder höher als in Europa - übrigens ein Grund, weshalb der Euro zuletzt im Vergleich zum Dollar an Wert verlor.

Ein scharfer Rückgang der Vermögenspreise aber kann das Wachstum erheblich beeinträchtigen, etwa wenn Verbraucher in dem Gefühl sinkenden Wohlstandes weniger konsumieren.

Schon die Erwartung höherer Zinsen kann eine solche Kette auslösen. Greenspan bewegt sich auf einem schmalen Grat. Deshalb hat er am zweiten Tag seiner Ausführungen im Kongress das Inflationsrisiko erst einmal wieder heruntergespielt.

© SZ vom 22.04.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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