Urteil:Kein perfider Plan

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Das Landgericht München bescheinigt jetzt dem früheren Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer, er habe mit seinem schon legendären TV-Interview im Jahr 2002 nicht hinterhältig gegen den Kreditkunden Leo Kirch agiert.

Von Klaus Ott, München

Vierzehn Jahre, sieben Monate und drei Wochen hat es gedauert, bis das letzte große Urteil im Fall Deutsche Bank und Kirch vorliegt. Das vermutlich letzte große Urteil. Auf 268 Seiten hat das Landgericht München I aufgeschrieben, warum die früheren Bank-Chefs Rolf Breuer, Josef Ackermann und Jürgen Fitschen mitnichten versucht hätten, die Justiz zu betrügen, um horrende Schadenersatzforderungen ihres Widersachers Leo Kirch abzuwehren. Wie das Landgericht den vor fünf Monaten verkündeten Freispruch nunmehr ausführlich begründet, dürfte insbesondere für den inzwischen 78-jährigen Breuer eine späte Genugtuung sein. Er sei eben nicht hinterhältig mit dem Kreditkunden Kirch umgegangen, so das Landgericht. Was aber nichts an früheren Justizerkenntnissen ändert, wonach Breuers längst legendäres TV-Interview von Anfang Februar 2002 über Kirch ein großer Fehler war.

In dem Interview hatte Breuer als damaliger Chef des Geldinstituts die Kreditfähigkeit des Medienmagnaten (Sat 1, Pro Sieben) angezweifelt. Wenig später war der finanziell angeschlagene Kirch pleite, gab der Bank und Breuer ("Erschossen hat mich der Rolf") die Schuld und verklagte beide auf Schadenersatz in Milliardenhöhe. Nach einem aufreibenden Prozess beim Oberlandesgericht (OLG) München zahlte die Deutsche Bank 925 Millionen Euro an die Familie und die Gläubiger des inzwischen verstorbenen Fernseh- und Filmunternehmers, dem einst auch ein großes Aktienpaket am Springer-Verlag (Bild, Welt) gehört hatte. Dort, beim OLG, sollen Breuer & Co angeblich versucht haben, mit falschen Aussagen eine falsche Entscheidung zugunsten der Bank zu erreichen. Keinem der Angeklagten habe das nachgewiesen werden können, erklärt das Landgericht in seinem schriftlichen Urteil, und geht noch einen Schritt weiter. Nicht erwiesen sei vielmehr die These des OLG, die Bank und Breuer hätten Kirch mit dem TV-Interview unter Druck setzen wollen, um auf diese Weise einen lukrativen Auftrag des Medienmagnaten für die Sanierung seines Konzerns zu bekommen. Man habe "keinen Beweis" dafür gefunden, dass die angeklagten Deutsche-Bank-Vorstände ein solches Mandat von Kirch angestrebt hätten, schreibt das Landgericht in seiner "Gesamtwürdigung".

Und weiter: Es gebe auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich Breuer bei seinem TV-Interview "in wenigen Sekunden entschlossen haben könnte, einen perfiden Plan umzusetzen". Für das Landgericht sei zudem nicht erklärbar, warum der damalige Bank-Chef ausgerechnet durch "Schlechtreden" des Kunden Kirch diesen hätte bewegen wollen, dem Geldinstitut einen Beratungs- oder Investmentauftrag zu erteilen. "Keiner der Angeklagten verfolgte das Ziel, ein Mandat von Dr. Kirch zu erlangen." Folgt man dem Landgericht, dann waren nicht die Aussagen der Bankvorstände vor dem OLG falsch. Sondern die Annahme des OLG, die Bank und Breuer hätten Kirch vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt.

Hätte Peter Noll, der Vorsitzende Richter im Strafprozess um die Deutsche Bank am Landgericht, anstelle des OLG auch über Kirchs Schadenersatzforderungen zu entscheiden gehabt, dann wäre für den Medienmagnaten nichts herausgesprungen. So aber hat die Deutsche Bank fast eine Milliarde Euro gezahlt. Und dabei bleibt es auch. Nolls Verfahren war ein Strafprozess und kein Schadenersatzverfahren. Dass Noll nicht mit Kritik am OLG und insofern auch am dortigen Richterkollegen Guido Kotschy spart, ändert nachträglich nichts. Ein Strafurteil hebt kein Schadenersatzurteil auf. Juristisch sind das zwei getrennte Verfahren.

Die Deutsche Dank äußert sich dazu nicht. Sie sieht aber nach Angaben aus der Finanzbranche keinen Anlass und keine Chance, die Zahlung an Kirch nachträglich in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die 3,2 Millionen Euro, die sich die Bank von Breuer als kleinen Ausgleich für den großen Schadenersatz an Kirch geholt hat. Den ehemaligen Bank-Chef hat der Streit viel Zeit und Nerven gekostet, und wohl ein Drittel seines auf rund 10 Millionen Euro geschätzten Vermögens. Am besten wäre es gewesen, Breuer hätte in den TV-Interview bei der Frage nach Kirch einfach geschwiegen. Das hat schon 2006 der Bundesgerichtshof (BGH) deutlich gemacht.

Der BGH in Karlsruhe entschied damals: Die Bank habe mit dem Interview ihre Plicht verletzt, die Kreditwürdigkeit jener Kirch-Firma nicht zu gefährden, die Kunde des Geldinstituts war. Breuers Aussagen seien eine "unerlaubte Handlung" gewesen. Ob dadurch ein Schaden für Kirch entstanden sei, ließ der BGH offen (darüber musste dann das OLG befinden). Es könnte sein, dass sich Karlsruhe nochmals mit dem ganzen Fall beschäftigen muss. Sofern die Münchner Staatsanwaltschaft dabei bleibt, dort den Freispruch für Breuer &Co anzufechten. Ganz ausgestanden ist die Sache noch nicht.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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