Urteil im Henkel-Prozess:Die flotten Geschäfte des Kai von B.

Ein früherer PR-Manager des Henkel-Konzerns hat im Namen seiner Firma wüste Deals abgeschlossen. Doch dann stieg er in die Formel 1 ein, es kam zum großen Krach mit Daimler - und alles flog auf. Jetzt wurde Kai von B. verurteilt.

Hans von der Hagen

Manchmal funktioniert Betrug einfach zu gut: Kai von B., 44, hatte es jedenfalls raus, wie man auf Kosten seiner Firma das große Rad dreht. Dummerweise wurde es irgendwann so groß, dass es ihn selbst überrollte. Am Ende gerieten wegen B. sogar Henkel und Daimler schwer aneinander und ein Formel-1-Rennstall musste um seine Zukunft bangen. So etwas passiert eben, wenn "sehr, sehr hohe kriminelle Energie" (Oberstaatsanwalt Ralf Möllmann) freigesetzt wird.

Henkel-Betrugsaffäre - Urteil erwartet

Kai von B. muss für vier Jahre ins Gefängnis. Er hat Finanzkonzerne um Millionen betrogen - und dafür gesorgt, dass Henkel und Daimler aneinandergerieten.

(Foto: dpa)

Dabei hatte es so geschmeidig angefangen: B. war Sprecher bei dem Düsseldorfer Chemiekonzern Henkel - ein Lebemann, der reden konnte. Immerhin war der gebürtige Herforder schon einmal Chefredakteur bei einem der privaten Radiosender in Ostwestfalen-Lippe gewesen, die Wert auf das schnelle Wort legen.

Irgendwann 2007 kam er auf die falsche Spur: B. begann, gemeinsam mit zwei Komplizen Forderungen an Finanzunternehmen zu verkaufen, die Firmen angeblich an Henkel hatten.

Factoring-Gesellschaften kaufen solche Rechnungen mit einem Abschlag auf und ziehen dann später, wenn die Forderung fällig wird, den Betrag beim Schuldner ein.

Doch die Gläubiger existierten nur auf dem Papier - genauso wie die Forderungen. Damit die Geschäfte eine Zeitlang funktionierten, schufen die Betrüger eine Art Schneeball-System, bei dem geringere Forderungen durch immer höhere abgelöst wurden. Insgesamt kamen so am Ende Beträge von mehr als 40 Millionen Euro zusammen.

Ein Hochstapler hilft mit

Offenbar waren die Fälschungen überzeugend genug: B. behalf sich schließlich mit Originalmaterial, auf das die Briefköpfe des Henkel-Konzerns aufgedruckt waren. Und sie trugen die gefälschte Unterschrift des Henkel-Vorstandsvorsitzenden Kasper Rorsted.

Finanzgesellschaften aus Hürth und Hamburg fielen auf das Betrüger-Trio herein, eine Frankfurter Privatbank soll allerdings abgewunken haben, weil ihr einer der Komplizen von B. suspekt war: Zur Hand ging dem Henkel-Mann nämlich der Düsseldorfer Hochstapler Willy L., ein gelernter Gerichtsschreiber, der schon Anfang der neunziger Jahre unter dem Namen Dr. Maximilian Jung als Anwalt aufgetreten war, dabei Geld für Schein-Stiftungen einsammelte und mit seiner Masche im Laufe der Jahre einige Prominente erleichterte. Selbst so illustre Namen wie Günter Netzer, Klaus Kinkel und Hannelore Kohl sollen auf den Kö-Anwalt reingefallen sein, weiß das Handelsblatt.

Richtig heikel wurde es allerdings erst im vergangenen Jahr, als Kai von B. sich in der Formel 1 versuchte. Er bot über die Agentur "European Racing Events" (ERE) dem Rennstall Brawn GP ein üppiges Sponsoring an: 30 Millionen Euro für drei Jahre, insgesamt also 90 Millionen Euro. B. trat dabei als "Head Corporate Affairs & Sponsoring" auf. So was machte Eindruck, auch auf die Formel-1-Manager. Mit dabei war wiederum Willy L., der als Chef der Agentur ERE mit Sitz in den Niederlanden fungierte. Die ERE war zugleich eine der Firmen, die angeblich Forderungen an Henkel hatte, die später verkauft wurden.

Es machte keinen stutzig, dass hier ein einzelner Mitarbeiter aus dem hinteren Glied im Namen eines Dax-Konzerns gewaltige Summen anbot, wo doch selbst bei kleinen Beträgen in Firmen das Vier-Augen-Prinzip gewahrt wird. Und so kam es Mitte 2009 zum Vertragsabschluss. Wie die Ganoven am Ende die vielen Millionen Euro auftreiben wollten, ist unklar - möglicherweise hofften sie, einen weiteren Sponsor zu finden.

"Genialer Betrüger"

Wenige Monate später, im Herbst 2009, lief die Angelegenheit aus dem Ruder: Spekulationen machten die Runde, dass Daimler bei Brawn einsteigen wolle. B. und Willy L. wurden nervös, befürchteten, dass alles auffliegt könnte - und da hat B. offenbar eine ganz besondere Idee. Wenn Daimler einstiege, teilte er Brawn mit, müsse Henkel leider aussteigen, damit die guten Beziehungen des Konzerns zu BMW und Renault nicht gestört würden.

Brawn war verwundert und bat Daimler darum, dass Konzernchef Dieter Zetsche selbst vermitteln sollte. Zetsche tat das auch: Der Daimler-Mann verstand nicht, warum Henkel ein Problem mit den Stuttgartern haben sollte - und rief in Düsseldorf bei Henkel-Chef Rorsted an. Der wusste von nichts. Ein Formel-1-Engagement war ihm nicht bekannt. B. verwickelte sich in Widersprüche - und zeigte sich kurz darauf selbst an. Die Konsequenz: Daimler und Henkel stritten sich um 90 Millionen Euro. Aber nicht lange: Schon im Dezember einigten sich beide Konzerne und verzichteten auf alle Ansprüche. Der Rennstall Brawn, der ursprünglich aus dem Honda Racing F1 Team hervorging, fährt nun unter dem Namen Mercedes Grand Prix. Und neuer Hauptsponsor ist der malaysische Mineralölkonzern Petronas.

Vor dem Landgericht Düsseldorf ging es jetzt noch um die Schulden aus den Factoring-Verkäufen. B. hat gestanden, dass er die Forderungen gegen Henkel erfunden und an Inkassofirmen verkauft hatte. Einen Großteil des Geldes hat er mittlerweile zurückgezahlt. Mehr als zehn Millionen Euro bleiben allerdings verschwunden.

B. hatte von seinem Anteil unter anderem Steuerschulden bezahlt und Luxus-Sportwagen finanziert. Er wurde nun zu vier Jahren Haft verurteilt. Ein weiterer Komplize muss für fünfeinhalb Jahre hinter Gitter - ein Kaufmann mit dem Spitznamen "Ibiza-Tom".

Willy L., den die Staatsanwaltschaft "Initiator und Mentor" für das Betrugstrio nennt, starb indes vor wenigen Wochen im Alter von 55 Jahren. B's. Verteidiger Norbert Gatzweiler sagte nach dem Urteil, sein Mandant sei von L. verführt worden. Der sei der "Spiritus Rector" gewesen - und ein "genialer Betrüger". Für B. war er zu genial.

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