Urteil des Bundesverfassungsgerichts:Erben verpflichtet

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Das geltende System der Erbschaftsteuer ist grob ungerecht. Es begünstigt die Erben von Unternehmen in unanständiger Weise. Das Bundesverfassungsgericht erklärt es daher für verfassungswidrig - auf sanfte Weise.

Kommentar von Heribert Prantl

In der Bayerischen Verfassung steht ein schöner und klarer Satz: "Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern." Das ist richtig und wichtig und soll verhindern, dass die Spaltung der Gesellschaft in Reiche und Arme immer größer wird.

Die Erbschaftsteuer soll die sozialen Unterschiede wenigstens ein wenig ausgleichen. Im Grundgesetz steht das nicht ganz so klar, von der Erbschaftsteuer als einem Instrument zum Ausgleich sozialer Ungleichheiten ist da nicht ausdrücklich die Rede. Aber auch im Grundgesetz heißt es: "Eigentum verpflichtet".

Wozu eigentlich? Es verpflichtet vor allem dazu, Steuern zu zahlen und damit das Gemeinwesen und das Gemeinwohl zu finanzieren. Ererbtes Eigentum verpflichtet dazu erst recht - jedenfalls dann, wenn das Erbe bestimmte Freibeträge übersteigt, die dem Ehepartner und den Kindern richtigerweise zustehen.

Der Gesetzgeber wollte bisher nicht richtig, was die Verfassung verlangt

Vererbtes Eigentum verpflichtet deswegen in besonderer Weise, weil es ein Eigentum ist, das sich der Erbe nicht selbst erarbeitet hat. Ererbtes Eigentum ist, im Wortsinne, unverdientes Eigentum. Es ist dem Erben letztlich aus Zufall zugefallen. Ererbtes Vermögen gewährleistet anstrengungslosen Wohlstand. Der soll dem Erben nicht weggenommen werden; der Erbe soll aber, jenseits von nach Verwandtschaftsgrad gestaffelten Freigrenzen, Steuern zahlen.

So will es die Verfassung. Aber der Gesetzgeber hat das bisher nicht richtig gewollt: Er hat so viele Ausnahmen geschaffen, dass nur noch diejenigen reichen Erben zahlten, die einen schlechten Steuerberater hatten.

Der Gesetzgeber hat bisher die Erben von Unternehmen und Betrieben so privilegiert, dass sie steuerfrei blieben. Das Bundesverfassungsgericht beendet dieses Privileg. Auch die Erben von Betrieben sollen künftig Erbschaftsteuer zahlen: maßvoll und so, dass der Erhalt des Betriebs gesichert werden kann. Das Verfassungsgericht erlaubt daher weiterhin Ausnahmen von der Erbschaftsteuerpflicht - Verschonungsregeln also, die an den Erhalt von Arbeitsplätzen geknüpft sind. Das ist sinnvoll, das ist klug. Auch das ist ein Versuch, das Gemeinwohl zu achten.

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Steuerschlupflöcher sind ein Akt der Notwehr? Was für ein Unfug

Man kann das Wort "Erbmasse" wörtlich nehmen: Es sind Jahr für Jahr Werte zwischen 150 und 200 Milliarden Euro, die vererbt werden. Reiche Erben neigen dazu, den Staat als Wildsau zu betrachten, die in das vom Erblasser sorgsam bestellte Feld einbricht und alles verwüstet - sie tun daher so, als sei die exzessive Nutzung von Steuerschlupflöchern ein Akt der Notwehr. Das ist Unfug.

Erben in Deutschland kommen im internationalen Vergleich sehr gut weg. Die Erben von Unternehmen zum Beispiel in den USA werden stärker belastet als hierzulande. Erbschaftsteuern in Deutschland sind fast lächerlich niedrig. Die Erbschaftsteuer ist beinahe eine Bagatellsteuer, sie macht nur ein Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus. Der Staat kratzt damit nur vier Milliarden Euro zusammen.

Das Erbschaftsteueraufkommen wird sich auch nach der von Karlsruhe angeordneten Reform nicht potenzieren. Man soll auch weiterhin den Mittelstand hegen und pflegen, weil die soziale Marktwirtschaft einen gesunden Mittelstand braucht. Aber das Erbschaftsteuerrecht darf sehr wohl Erbgänge in Industriedynastien belasten, die selbst nicht mehr operativ tätig sind.

Die Spaltung der Gesellschaft wird vielleicht ein wenig, aber nicht wesentlich kleiner werden mit dem neuen Erbschaftsteuerrecht. Es ist ein Recht für eine glückliche Minderheit. Immer mehr Menschen haben nämlich immer weniger zu vererben - weil kleinere Vermögen von den Pflegekosten aufgefressen werden. Der Tod, sagt man, macht alle gleich. Das Erbrecht sorgt auch weiter dafür, dass es mit der Gleichheit schon nicht übertrieben wird.

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