Unternehmerlegende der Nachkriegszeit:Versandhaus-Gründer Werner Otto gestorben

Er gehörte zu den großen Unternehmerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit: Werner Otto, Gründer der Otto Group, ist im Alter von 102 Jahren gestorben. Aus seinem kleinen Hamburger Versandhandel entstand ein milliardenschweres Handelsimperium. Seine Immobiliengesellschaft ECE ist heute führend im Geschäft mit Einkaufscentern. Jahrzehntelang engagierte Otto sich für soziale und wohltätige Einrichtungen.

Werner Otto, Gründer der Hamburger Otto Group, ist tot. Er starb bereits am vergangenen Mittwoch im Alter von 102 Jahren im Kreise seiner Familie in Berlin, wie das Unternehmen am heutigen Dienstag in Hamburg mitteilte. Otto hatte den Versandhandel 1949 in Hamburg gegründet und bis Mitte der 60er Jahre zu einem der führenden Unternehmen der Branche ausgebaut.

Werner Otto ist tot

Werner Otto gründete 1949 den Otto Versand, heute einer der größten Versandhandels-Konzerne der Welt.

(Foto: dpa)

Am Anfang der großen Unternehmerkarriere stand allerdings eine Pleite: Versandhauspionier Otto hatte 1945 in Hamburg eine kleine Schuhfabrik eröffnet. Doch die Konkurrenz aus Süddeutschland war stärker, 1949 musste der Kaufmann schließen. Ihm blieben 6.000 Mark und eine Handvoll Mitarbeiter.

Otto gründete eine weitere Firma: einen Versandhandel mit zunächst per Hand geklebten Katalogen. Das erste Exemplar von 1950, mit 14 Seiten und eigenhändig eingeklebten Fotos, ist heute im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. Otto erinnerte sich lebhaft daran. "1950 gab es ein paar hundert Versandhandelsfirmen; davon war mindestens die Hälfte größer als mein Betrieb." Sie sind entweder verschwunden oder gehören mittlerweile zum Otto-Imperium. Heute, unter der Führung von Hans-Otto Schrader, beschäftigt die Otto Group knapp 50.000 Mitarbeiter weltweit bei einem Umsatz von zuletzt mehr als 11 Milliarden Euro.

Seit den 90er Jahren setzt der Otto-Konzern zunehmend auf den Online-Handel und ist in diesem Bereich weltweit die Nummer zwei hinter Amazon. Die Gruppe hat aber ebenso starke Standbeine im klassischen Versandhandel und im stationären Einzelhandel. Zudem ist Otto als Logistik- und Finanzdienstleister aktiv.

Die Erfolgsgeschichte von Otto spielt vor allem in den 50-er und 60-er Jahren: Damals waren die Menschen auf dem Land von den großen Kaufhäusern in den Städten abgeschnitten. Da kam der Versandhandel gerade recht, und Werner Otto setzte sich an die Spitze der Branche.

Bald erkannte er, dass das Verschicken von Katalogen langfristig nicht reichte. Er gründete den Hermes-Versand, dessen hellblaue Lieferwagen Waren bis in die entferntesten Dörfer brachten. Als erster Versandhandel nahm Otto Bestellungen per Telefon entgegen und verzichtete auf Bezahlung bei Lieferung. Der Mut zu Neuem zahlte sich aus: 1951 verbuchte das Unternehmen eine Million Mark Umsatz, 1953 schon fünf Millionen. 1958 setzte Otto 100 Millionen Mark um.

Dem unternehmungslustigen Otto reichte das allerdings nicht. Er suchte immer neue Herausforderungen. Unternehmertum verstand er als schöpferischen Prozess. "Wer statisch denkt und aus Angst vor Fehlern keinen Schritt nach vorn wagt, der sollte kein Unternehmer werden", lautete sein Credo.

1966 übergab Otto die Leitung des Unternehmens an den familienfremden Manager Günter Nawrath, behielt aber bis 1981 die Kontrolle als Aufsichtsratsvorsitzender. Dann übernahm sein Sohn Michael die Otto Group und führte sie bis 2007.

Der Gründer stieg stattdessen mit der Immobiliengesellschaft ECE in das Geschäft mit Einkaufszentren ein. Die Firma baut und vermietet Shopping-Zentren und ist heute die größte dieser Art in Europa. Seit 2000 führt Otto-Sohn Alexander ECE. Ottos dritter Sohn Frank wurde Unternehmer in der Medienbranche. Patriarch Werner Otto hinterlässt insgesamt fünf Kinder von drei Frauen.

Früh führte der Unternehmer in seinem Versandhaus die Fünf-Tage-Woche ein, wurde im großen Stil Spender. In Hamburg gab er Geld für moderne Behandlungsmethoden in der Kindermedizin, in seinem Geburtsort Seelow östlich von Berlin ließ er die Kirche restaurieren. In Berlin kaufte Otto eine neue Bühne für das Konzerthaus, in Hamburg beteiligte er sich an der Sanierung des Jungfernstieges. Der berühmten Harvard-Universität in den USA bezahlte der Unternehmer ein Museum.

Nachdem er schon 20 Jahre in seinem Altersruhesitz in Garmisch verbracht hatte, zog er mit 90 Jahren noch einmal nach Berlin, wo er seine Jugendjahre verbracht hatte. "Hier werden außergewöhnliche Ideen verwirklicht", schwärmte er.

Otto erhielt für sein Engagement zahlreiche Orden und Ehrentitel. Die Hauptstadt verlieh ihm zum 100. Geburtstag die Ehrenbürgerwürde. Die Verdienste des Unternehmers und Mäzens sollen auf einer Trauerfeier in Berlin gewürdigt werden, wie die ECE am Dienstag mitteilte. Ein Termin für die Beisetzung stehe noch nicht fest.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) würdigte den verstorbenen Versandhandels-Unternehmer. Die Nachricht von dessen Tod habe er "mit großer Trauer" zur Kenntnis genommen, hieß es in einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung der Senatskanzlei. "Werner Otto war ein Mensch und Unternehmer, der seine gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen hat", sagte Wowereit. Dabei habe er auch immer ein großes Herz für die Belange der Region und vor allem Berlins gehabt.

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