Unternehmenssteuern:Die Gans effektiv rupfen

Die Deutschen haben eines der kompliziertesten Steuersysteme der Welt - und eines der ineffektivsten. Peer Steinbrück versucht das Problem jetzt mit Pragmatismus zu lösen.

Nikolaus Piper

Die Kunst der Besteuerung besteht darin, "die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viel Federn bei möglichst wenig Geschrei bekommt".

An diese Erkenntnis von Jean-Baptiste Colbert, dem Finanzminister Ludwigs XIV sollte sich in diesen Tagen der eine oder andere in Berlin erinnern, vielleicht auch in der etwas vornehmeren Fassung, die von Friedrich II überliefert ist: Steuern sollen den Staat finanzieren, ohne die Bürger zu "bedrücken".

Weil diese klaren Maßgaben in der Bundesrepublik jahrzehntelang missachtet wurden, weil alles mögliche ins Steuerrecht hineingepackt wurde, haben die Deutschen heute eines der kompliziertesten Steuersysteme der Welt - und eines der ineffektivsten. Die Gans wird gerupft, aber sie liefert immer weniger Federn.

Mindestens zehn Jahre Arbeit

Experten arbeiten seit mindestens zehn Jahren an einer großen Reform, die das Steuerrecht radikal vereinfacht, zu niedrigeren Sätzen und einer gleichmäßigeren Besteuerung führt.

Es war einer der schwersten Fehler der großen Koalition, dieses Projekt aufgegeben zu haben. Und wie die Dinge liegen, ist diese Entscheidung auch kaum noch zu revidieren. Merkel, Müntefering und Steinbrück erhöhen die Mehrwertsteuer - ohne die Mehreinnahmen für Systemverbesserungen zu nutzen, sie halten an der antiquierten Gewerbesteuer fest und irgendwann werden sie dem Land wohl noch einen Gesundheitssoli bescheren.

Das ist die schlechte Nachricht. Und jetzt die gute: Unter den miserablen Vorgaben hat Finanzminister Steinbrück ein recht vernünftiges Konzept für die Reform der Unternehmensteuern vorgelegt.

Stellung Deutschlands könnte sich verbessern

Die Eckpunkte kommen an diesem Mittwoch ins Kabinett, und wenn alles gut geht wird, könnte sich die Stellung Deutschlands im Wettbewerb der Steuersysteme danach deutlich verbessern.

Die Gefahr liegt, darin, dass das Gesetz zerredet und zerpflückt wird, weil es in einigen Punkten der Gerechtigkeit und dem ökonomisch Nächstliegenden zu widersprechen scheint.

Die Gans effektiv rupfen

Das fängt mit der Abgeltungsteuer an. Kapitalerträge sollen künftig nur noch pauschal mit 30 (später 25) Prozent besteuert werden. Damit wird der Faktor Kapital vom Finanzamt dauerhaft besser gestellt als der Faktor Arbeit, was in der SPD schon die erwarteten Proteste ausgelöst hat.

Tatsächlich ist das ganze ungerecht - wenn man eine Idealwelt zugrunde legt, in der alle Menschen exakt nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden können.

Im Idealfall höhere Einnahmen

In der realen Welt jedoch, in der Kapital jederzeit über die Grenzen fliehen kann, ist die Abgeltungsteuer richtig weil sie die Kapitalflucht bremst und im Idealfall zu höheren Einnahmen führt. Es ist eben besser, der Gans nur wenige Federn auszureißen, als sie davonrennen zu lassen.

Entsprechendes gilt für die Unternehmensteuern. Die Sätze werden mit einem Satz von unter 30 Prozent ebenfalls deutlich niedriger liegen als die Einkommensteuern von Arbeitnehmern. Trotzdem ein sinnvoller Schritt, der die Anreize, Gewinne aus steuerlichen Gründen ins Ausland zu verlagern, verringert, der aber auch Anlass für allerlei klassenkämpferische Anwürfe bieten dürfte.

Proteste gibt es auch von der anderen Seite: Die Wirtschaftsverbände sind unzufrieden, weil Steinbrück auch auf gezahlte Kreditzinsen Steuern erheben will.

Widersprüchlich aber notwendig

Es widerspricht zunächst dem gesunden Menschenverstand, die Kosten eines Unternehmens zu besteuern. Doch der Schritt ist notwendig, um zum Beispiel ausländische Konzerne daran zu hindern, die Gewinne in Form von Kreditzinsen steuerfrei aus dem Land zu transferieren. Er ist auch ein Akt der Gerechtigkeit den mittelständischen Firmen gegenüber, die diese Form der Steuergestaltung nicht haben.

Anders gewendet: Wenn man schon die Kraft zum großen Wurf in der Steuerpolitik nicht hat, sollte man sich wenigstens zum Pragmatismus im Sinne Colberts und des Alten Fritz durchringen.

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