Unternehmensgründung:Limiteds unlimited

Immer mehr Deutsche gründen ihr Unternehmen in Großbritannien, denn die Rechtsform Limited spart gegenüber einer GmbH Kosten und Nerven. Aber Vorsicht: Der Firmeneigner sollte fit in britischer Rechnungslegung sein.

Friederike von Redwitz

"Wer das Innenleben einer GmbH mit ihren starren, komplizierten Regeln und langwierigen Prozeduren mit Kosten für alles und jeden kennt, der freut sich über jeden Weg an dieser Kapitalgesellschaft vorbei", sagt Jürgen Durand. Er ist einer der zahlreichen Deutschen, die sich bei ihrer Firmengründung für eine ausländische Rechtsform entschieden haben.

Unternehmensgründung: London lockt: Die Gründung einer britischen Limited gilt als besonders kostengünstig und unbürokratisch. Vorsicht ist dennoch geboten.

London lockt: Die Gründung einer britischen Limited gilt als besonders kostengünstig und unbürokratisch. Vorsicht ist dennoch geboten.

(Foto: Foto: AP)

Früher war Durand Geschäftsführer einer GmbH aus Weimar. Heute heißt sein Unternehmen PassivhausGruppe24 Ltd. und hat seinen offiziellen Sitz in Birmingham. Das Ltd. steht für "Limited" und bezeichnet eine britische Rechtsform, die viele Vorteile gegenüber den verschiedenen deutschen Rechtsformen soll.

EU-Recht ermöglicht Firmengründung im Ausland

Grundsätzlich ermöglicht die Europäische Rechtsprechung, ein Unternehmen in jedem beliebigen Land der EU zu gründen und anschließend einen Zweitsitz in einem anderen Land zu eröffnen. Ein deutscher Unternehmer kann also problemlos eine britische Firma gründen, auch wenn er anschließend nur in der Bundesrepublik tätig ist.

Wie die GmbH ist die "Private Limited Company" (Ltd.) besonders für kleine und mittlere Betriebe interessant, die "Public Limited Company" (PLC) betrifft dagegen große, börsennotierte Unternehmen. Ebenso wie die GmbH schützt die Limited vor persönlicher Haftung, doch wer es eilig hat, kann die Gründung einer Limited dank des geringeren bürokratischen Aufwandes deutlich schneller abwickeln.

Mitbestimmung der Arbeitnehmer kann ausgehebelt werden

Auch das deutsche Arbeitsrecht wird durch die Wahl der Rechtsform Limited tangiert, wenn auch nur in Maßen und zu Gunsten des Unternehmers. Der Fluggesellschaft Air Berlin wird beispielsweise immer wieder vorgeworfen, sie habe die Rechtsform der PLC gewählt, um Arbeitnehmerrechte auszuhebeln.

Air Berlin bestreitet das und begründet die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft nach britischem Recht mit dem Wunsch, international kapitalmarktfähig zu sein. Im übrigen gelte das deutsche Arbeitsrecht weiterhin für die in Deutschland tätigen Mitarbeiter, betont eine Unternehmenssprecherin.

Verdacht nicht aus der Welt geschafft

Dass ausgerechnet Air Berlin auf die Gültigkeit deutscher Arbeitnehmerrechte pocht, ist indes kurios. Konzernchef Joachim Hunold macht seit jeher kein Geheimnis daraus, dass er von Mitbestimmung in seinem Haus nichts hält. So ganz konnte sich der hemdsärmelige Selfmade-Unternehmer daher bislang nicht von dem Verdacht frei machen, dass die Rechtsform PLC doch etwas mit dem deutschen Arbeitsrecht zu tun haben könnte.

Limiteds unlimited

De facto ist die Rechtslage dazu zwiespältig. Tatsächlich unterliegt die britische Rechtsform nicht dem paritätischen Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, sagt Annika Böhm, Referentin für Gesellschaftsrecht beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

Die betriebliche Mitbestimmung, die zum Beispiel die Bildung von Betriebsräten betrifft, ist jedoch weiterhin anzuwenden, betont Roland Köstler, Leiter der Abteilung für Mitbestimmungsförderung bei der Hans Böckler Stiftung. Es liegt also nicht in der Rechtsform PLC begründet, dass es bei Air Berlin keinen Betriebsrat gibt. Diese Form der Mitbestimmung unterdrücke Air Berlin auf anderem Wege und unrechtmäßiger Weise, so Köstler.

Umgehung des deutschen Arbeitsrechts in der Regel kein Motiv

Die meisten Limiteds sind allerdings so klein, dass für sie die Probleme des deutschen Arbeitsrechts eher von untergeordneter Bedeutung sind. Viel wichtiger ist für viele potenzielle Unternehmer, dass für die Gründung einer Limited kein Stammkapital benötigt wird - gegenüber einem Stammkapital von 25.000 Euro bei Gründung einer GmbH.

"Doch häufig werden nicht beide Seiten der Medaille beleuchtet", sagt Böhm vom DIHK. "Man darf nicht nur an die Gründung denken, sondern muss auch die laufenden Kosten berücksichtigen."

Kenntnis der britischen Rechnungslegung gefragt

Für ein in Großbritannien registriertes Unternehmen gelten nämlich selbstverständlich die britische Rechtsprechung und Gesetzgebung, zum Beispiel was die Rechnungslegung angeht. "Auch mangelnde Sprachkenntnisse stellen häufig ein Hindernis dar", sagt Böhm.

Darum muss in der Regel auf externe Berater zurückgegriffen werden. Regelmäßig treffen beim DIHK Anfragen verunsicherter Limited-Gründer ein, die sich über Zahlungsbescheide der britischen Regierung wundern oder mit bestimmten Formalitäten Probleme haben.

"Tschüss Deutschland"

Bei einigen Probleme kann man sich von einer auf Limited-Gründungen spezialisierten Unternehmensberatung helfen lassen. "Sagen Sie jetzt dem deutschen unternehmerfeindlichen Gesellschaftsrecht "Tschüss Deutschland", wirbt beispielsweise die Go Ahead Service Ltd. aus Wiesbaden auf ihrer Web-Site. Mehr als 22.000 Limited Gründungen hat Go Ahead schon begleitet, mehr als jede andere Unternehmensberatung in Deutschland.

Limiteds unlimited

Einer ihrer Kunden ist Rolf Scherzer, Geschäftsführer von Fair Windows Ltd. in Brandenburg an der Havel. Er erzählt, dass Go Ahead vor 3 Jahren für rund 250 Euro die Gründung der Limited für sein Unternehmen abwickelte.

Seitdem kümmern sich die Berater gegen ein Entgeld von rund 100 Euro im Jahr auch um die Nachsendung von Post nach Deutschland und erinnern Scherzer an wichtige Termine. "Ich selbst habe mit Großbritannien gar nichts zu tun", sagt er.

Schwierigkeiten mit den Banken

Dennoch stößt er auf Schwierigkeiten: Anfangs wollte ihm keine Bank ein Konto einrichten, auch heute arbeitet er noch auf Guthaben-Basis. Außerdem findet er keinen Kreditversicherer, der eine Limited versichern würde. Erstaunlich ist das nicht: Wo nicht notwendigerweise Stammkapital angelegt wurde, sind auch die Sicherheiten geringer.

Über ähnliche Probleme berichtet auch Durand von Passivhausgruppe24: "Als ich einen Leasingvertrag für ein Auto abschließen wollte, wurden dreimal höhere Sicherheiten als üblich gefordert." Besonders wichtig ist für Durand übrigens sein Steuerberater, der Experte für britische Rechnungslegung ist - ein Muss für jeden Geschäftsführer einer Limited in Deutschland.

Boom der Limiteds

Trotz bestehender Schwierigkeiten kann man schon fast von einem Boom der Limiteds in Deutschland sprechen. Über ihre Anzahl gibt es nur Schätzungen - diese gehen von mehreren tausend bis zu einigen zehntausend in der Bundesrepublik.

Eigentlich erstaunlich, da auch französische, spanische oder polnische Rechtsformen Vorteile bieten, die jedoch kaum einer nutzt. Dabei ist der Grund für die rasante Zunahme relativ einfach, meint Böhm vom DIHK: "Die Limiteds werden in Deutschland einfach am besten vermarktet."

Die Bundesregierung will nicht tatenlos zusehen

Um diesem Trend etwas entgegenzusetzen, arbeiten Politiker in Bund und Ländern bereits an Alternativen zur "klassischen" GmbH. Vor allem eine Absenkung oder Abschaffung des Stammkapitals wird gefordert, ebenso wie ein Abbau der bürokratischen Hindernisse.

Die Bayrische Justizministerin Beate Merk brachte beispielsweise den Vorschlag des "Kaufmanns mit beschränkter Haftung" in den Bundestag ein, CDU-Bundestagsabgeordneter Jürgen Gehb plädiert für eine "Unternehmensgründungsgesellschaft". Doch mit einer Gesetzesänderung kann frühestens Mitte bis Ende nächsten Jahres gerechnet werden.

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