Unternehmensbesteuerung:"Unternehmen, die voll Steuern zahlen, haben einen Nachteil"

Durch Steuerschlupflöcher bringen Konzerne wie Google, Apple und Amazon die Staaten um Milliarden. Jetzt setzen die G20 einen Aktionsplan um, den die OECD vor kurzem vorgestellt hat. Achim Pross vom Zentrum für Steuerpolitik der OECD, ...

Von Silke Bigalke

Die großen Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen Steuerschlupflöcher stopfen, durch die ihnen Milliarden-Zahlungen von Konzernen wie Google, Apple und Amazon entgehen. Sie setzen einen Aktionsplan mit 15 Maßnahmen um, den die OECD erarbeitet und am Freitag vorgestellt hat. Achim Pross leitet die Abteilung für internationale Zusammenarbeit am Zentrum für Steuerpolitik der OECD, die den Plan erstellt hat.

SZ: Der Aktionsplan gegen Steuertricks ist beschlossen, wie geht es jetzt weiter?

Achim Pross: Wir sind einen großen Schritt voran gekommen, aber wir sind natürlich nicht fertig mit dem Thema Steuervermeidung und Gewinnverlagerung. Die Staaten haben unseren Vorschlägen zugestimmt, jetzt müssen die Details ausgearbeitet und die Maßnahmen umgesetzt werden. Hier sitzen alle in einem Boot und wir sind optimistisch, dass die Regierungen jetzt am Ball bleiben.

Recherche

"Wie gerecht ist das deutsche Steuersystem?" Diese Frage hat unsere Leser in der ersten Abstimmungsrunde unseres neuen Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieser Text ist einer von am Ende mehr als zwei dutzend Beiträgen, die die Fragen beantworten sollen. Alles zum Thema Steuergerechtigkeit finden Sie hier, alles zu Die Recherche finden Sie hier.

Einige Staaten leiden unter der Steuerflucht von Unternehmen, andere profitieren davon. Konflikte sind programmiert.

Es gibt oft ein Spannungsverhältnis zwischen Ländern, in denen viele Großunternehmen ihren Sitz haben und anderen, sogenannten Quellenstaaten, in denen die Unternehmen nur tätig sind. Trotzdem haben alle Staaten ein gemeinsames Interesse: Sie wollen die doppelte Nicht-Besteuerung beenden und nicht länger hinnehmen, dass Konzerne länderübergreifend keine oder fast keine Steuern zahlen.

Wenn über Steuertricks gesprochen wird, tauchen immer die gleichen Namen auf: Google, Amazon, Apple. Ist das Problem in der digitalen Wirtschaft am größten?

Es ist wohl richtig, dass man gerade in diesem Bereich fragen muss: Sind die Regeln, die wir haben, noch adäquat? Deswegen haben wir dem Aktionsplan einen Punkt zur digitalen Wirtschaft vorgeschaltet. Wir werden eine Arbeitsgruppe einrichten, die das Thema tiefer durchdringen und Vorschläge liefern soll, wie IT-Konzerne und die digitale Wirtschaft allgemein zu besteuern sind. Denn es liegt auf der Hand, dass Gewinnverlagerung und damit Steuervermeidung dort am leichtesten möglich ist, wo die Wertschöpfung in immateriellen Gütern liegt, wie in der IT-Branche.

Es gibt Lücken im Steuersystem, die seit Jahrzehnten bekannt sind. Warum passiert erst jetzt etwas?

Es ist nicht so, dass uns diese Fragen erst seit heute beschäftigen. Aber es brauchte einen G20-Prozess, um das Thema umfassend anzugehen. Viele Probleme sind auch technisch sehr kompliziert. Etwa die hybride Finanzgestaltung: Ein Unternehmen will ein anderes übernehmen und nimmt dafür einen Kredit auf. Es zahlt Zinsen. Wenn es clever ist, kann es diese steuerrechtlich zwei, drei oder sogar viermal in verschiedenen Ländern abziehen. Das führt dazu, dass Unternehmen, die ihre Steuern voll zahlen, einen Nachteil haben. Um das zu ändern, muss man aber an nationale Gesetze heran, nicht nur in einem Land. Es ist kompliziert, aber jetzt werden wir dazu Lösungen bereitstellen.

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