Unterkünfte für Flüchtlinge:Neuer Großauftrag für umstrittenen Heimbetreiber European Homecare

  • Die Firma European Homecare wird vom 1. Januar an ein Heim für 75 Flüchtlinge im niedersächsischen Meinersen weiterführen.
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit dem Misshandlungsskandal von Burbach gegen den Geschäftsführer und einen Heimleiter des Unternehmens.
  • Der Auftrag ist mindestens 207 000 Euro wert.
  • Auch Anbieter von Wohncontainern machen gute Umsätze dank der Probleme von Ländern und Kommunen, Flüchtlinge unterzubringen.

Von Jannis Brühl, Köln

Die steigende Zahl von Flüchtlingen beschert manchem Unternehmen hohe Umsätze. Zum Beispiel dem Heimbetreiber European Homecare (EHC). Er ist gut im Geschäft mit Flüchtlingsunterkünften - obwohl Ermittlungen gegen die Firmenspitze in Zusammenhang mit Misshandlungen von Asylbewerbern laufen. Nun hat EHC wieder einen öffentlichen Großauftrag erhalten und darf von Neujahr an fast vier Jahre ein Heim für 75 Flüchtlinge im niedersächsischen Kreis Gifhorn führen.

EHC betreibt die Unterkunft seit 2013, es handelt sich nun aber um einen neuen Vertrag. Das Unternehmen hatte sich gegen drei Konkurrenten durchgesetzt. Es war in die Schlagzeilen gekommen, weil in einem seiner Häuser im nordrhein-westfälischen Burbach Wachmänner Flüchtlinge misshandelt hatten. EHC ist sozusagen Marktführer im Geschäft mit der Unterbringung von Flüchtlingen und betreibt 50 Unterkünfte in Deutschland. Die Firma verkauft Kommunen und Bundesländern "soziale Dienstleistungen": Heimleitung, Verpflegung, Deutschkurse, Hausmeisterdienste - alles aus einer Hand.

"Arbeiten mit dem Unternehmen sehr gut zusammen"

Das Geschäft boomt spätestens seit 2012. Damals stieg der Umsatz der Firma um 62 Prozent auf mehr als neun Millionen Euro. Grund laut Geschäftsbericht: "Die gestiegene Zahl an Asylbewerbern". Und sie steigt weiter. Um die vielen Flüchtlinge einzuquartieren, die vor allem aus dem Irak und Syrien kommen, muss die öffentliche Hand auf private Unternehmen zurückgreifen. Besitzer von Hotels und Pensionen vermieten Zimmer, Immobilienbesitzer Flächen für Notunterkünfte. Zentral in dem System sind private Anbieter wie EHC, welche die Komplettversorgung der Flüchtlinge anbieten.

Kritiker sehen die Flüchtlingshilfe allerdings als humanitäre Aufgabe, die nicht dem privaten Sektor überlassen werden sollte. Hilfsorganisationen wie Rotes Kreuz und Malteser sind denn auch die zweiten großen Akteure im Bereich der Flüchtlingsheime. Der dritte sind Behörden: In Bayern war lange der Freistaat selbst der einzige Anbieter von Unterkünften. Doch auch er hat begonnen, Aufträge privat zu vergeben - an die Schweizer ORS, European Homecares großen Konkurrenten. Ganz sauber geht es in dem Geflecht von öffentlichen Stellen und kommerziellen Anbietern nicht immer zu. In Berlin ermitteln Staatsanwälte, weil der Chef des Landessozialamtes einen Heimbetreiber bevorzugt haben soll - dessen Geschäftsführer sein Patensohn ist.

Auch EHC bekam Ende September Ärger. Das Bild eines Wachmanns im Burbacher Heim, der mit seinem Fuß den Kopf eines Heimbewohners auf den Boden drückt, ging um die Welt. Der mutmaßliche Täter arbeitete zwar für eine andere Firma, die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt dennoch, ob der ehemalige Heimleiter und der EHC-Geschäftsführer deswegen zur Verantwortung gezogen werden können. Es geht um Körperverletzung und Freiheitsberaubung durch die Wachleute. Anfang Oktober durchsuchten Ermittler die Firmenzentrale in Essen und die Wohnungen der beiden Männer. Die nordrhein-westfälische Landesregierung entzog EHC die Leitung des Burbacher Heimes.

Für das Heim in Meinersen bei Gifhorn erhält EHC mindestens 207 000 Euro, das steht im Amtsblatt der Europäischen Union. Von dieser Schwelle an müssen Aufträge veröffentlicht werden, die Behörden vergeben haben. Der Betrag für den Betrieb bis Oktober 2018 dürfte deutlich höher liegen. In Gifhorn sind die Zustände angeblich besser als in Burbach. "Wir arbeiten mit dem Unternehmen sehr gut zusammen", sagt Kreisrätin Evelin Wißmann. Auch dem Flüchtlingsrat Niedersachsen sind keine Beschwerden bekannt. Verdachtsfälle in anderen Unterkünften seien kein Grund, eine Firma nicht zu berücksichtigen, sagt Wißmann. Das Verfahren müsse nach Vergaberecht offen für alle sein. Den Auftrag erhielt EHC, weil die Firma den niedrigsten Preis bot. Einen Wachdienst wie in Burbach wollte die Kommune in Meinersen nicht haben.

Gute Auftragslage

EHC-Geschäftsführer Sascha Korte sagte in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, er sei zufrieden mit seinen Geschäften: "Wir selbst haben vielleicht in der linksautonomen Szene ein Imageproblem, aber nicht bei der öffentlichen Hand. Unsere Auftragslage ist gut." In diesem Jahr soll der Umsatz auf bis zu 16 Millionen Euro steigen. Kortes Vater hatte bereits Ende der Achtzigerjahre mit der Unterbringung von Aussiedlern aus der Sowjetunion Geld verdient. Wie viele Aufträge EHC seit den Vorfällen in Burbach erhalten hat, verrät das Unternehmen nicht.

Veröffentlichte Aufträge erzählen vieles über das Geschäft mit den Hilfesuchenden. Sie zeigen, dass Firmen seit einigen Monaten Millionen Euro mit Vermietung und Verkauf von Wohncontainern an die öffentliche Hand einnehmen. Dort müssen Asylsuchende leben, weil die Heimplätze nicht reichen. Die Vergabedaten bestätigen, dass beim Wachpersonal oft galt: Billig geht vor fähig. Ob Cottbus, Gießen oder Zirndorf, in fast allen Aufträgen für Bewachung seit 2011 galt nur ein Zuschlagskriterium: "niedrigster Preis".

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