Unterhaltung:Kreativ um jeden Preis

Inside The D23 Expo 2015

Sichern Milliardenumsätze: "Toy-Story"-Figuren wie Buzz Lightyear.

(Foto: Patrick T. Fallon/Bloomberg)

Pixar zählt zu den erfolgreichsten Trickfilmstudios - auch die Übernahme durch den großen Disney-Konzern hat die Bilanz nicht getrübt. Die Grundregel: Lieber Geld verlieren, als einen schlechten Film in die Kinos bringen.

Von Kathrin Werner, Austin

Büros kann man sie kaum noch nennen. Bei Pixar in Kalifornien dürfen sich die Trickfilm-Animatoren ihre Arbeitsecken selbst gestalten. Einer hat eine Taco-Imbissbude auf sechs Quadratmetern gebaut, samt Verkaufsfenster. Ein anderer arbeitet in einem mittelalterlichen Schloss. Nebenan wuchert ein Dschungel-Paradies, das Licht ist grün gedimmt, ein Holzpapagei hockt auf einer Stange. "Standard-Bürowürfel fühlen sich einfach zu seelenlos an", erzählt Dave Mullins, der gerade bei seinem ersten Pixar-Film Regie geführt hat: dem Kurzfilm "Lou", der im Sommer in die Kinos kommt.

Mullins hat im Jahr 2000 bei Pixar angefangen. Er kann sich noch daran erinnern, wie die Pixar-Leute in den von Steve Jobs, dem Apple-Gründer und damaligem Pixar-Chef, höchstpersönlich gestalteten Firmensitz einzogen. "Steve hatte sehr spezifische Ideen, wie dieses Gebäude gebaut werden soll", erzählt Mullins. "Nirgends Schrauben und Nägel, die Wände mussten zusammengesteckt sein, alles sollte perfekt sein." Doch dann fielen die Kreativen ein. "Und sie haben alles auseinandergenommen. Einer hat sogar ein riesiges Loch in die Wand gesägt. Steve war erst ziemlich wütend", sagt Mullins. Aber dann dachte Jobs nach - und ließ seine Leute gewähren. "Die Idee dahinter war schließlich: Dass wir unsere Umwelt selbst so gestalten, dass wir uns wohlfühlen und kreativ sein können." Kreativität habe immer Priorität bei Pixar, sagt Mullins.

Die Geschichte von Pixar begann mit drei Männern: Jobs war Geldgeber und eine Art Außenminister. Hinzu kamen John Lasseter, der mit wenigen Strichen eine Figur erfinden kann, die Menschen lachen oder weinen lässt, und Ed Catmull, Computer-Nerd und Managementtalent. Sie haben das Animationsstudio zu dem gemacht, was es ist: dem vielleicht kreativsten Unternehmen der Welt. "Wir geben unseren Filmemachern sowohl Verantwortung als auch Freiheit", sagt Catmull, der ein Buch geschrieben hat über Pixars Prinzipien, es heißt "Die Kreativitäts-AG".

Auch Disney ist erfolgreicher geworden, seit das kleine Studio zum Konzern gehört

Die Mischung aus Verantwortung und Freiheit funktioniert. Seit "Toy Story" im Jahr 1995, dem ersten vollständig computeranimierten Spielfilm, startete jeder einzelne Pixar-Film als Nummer eins an den Kinokassen, das Animationsstudio hat schon gut 30 Oscars gewonnen. Disney kaufte Pixar 2006 für 7,4 Milliarden Dollar, dem Erfolg tat das keinen Abbruch. Der bislang erfolgreichste Pixar-Film "Toy Story 3" spielte 2010 mehr als eine Milliarde Dollar ein, im vergangenen Sommer nahm auch der "Nemo"-Nachfolger "Findet Dorie" die Milliardenschwelle. Laut Medienberichten lag das Budget für den Film bei 200 Millionen Dollar, Disney verdiente fürstlich.

Und auch Disney ist erfolgreicher geworden, seit das kleinere Animationsstudio zum großen Konzern gehört. Disney hatte vor dem Pixar-Kauf schon lange keine großen Hits mehr, danach gelang "Frozen", der mit 1,3 Milliarden Dollar Einnahmen erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten.

Das Labor für Kreativität verlangt seinen Mitarbeitern einiges ab. "Es gibt diese totale Verpflichtung gegenüber der Story", erzählt Regisseur Mullins. Die Animationstechnik, erfunden von Pixars Kreativteam, sei inzwischen für alle Filmemacher leicht verfügbar. "Heute unterscheidet man sich nicht mehr so sehr damit, wie die Dinge aussehen, sondern mit der Geschichte", sagt Mullins. Wenn eine Geschichte nicht funktioniert, müsse sie bei Pixar so lange umgeschrieben werden, bis der Film perfekt ist - koste es, was es wolle. Und die Kosten können mehrere Millionen betragen.

Fünf Jahre wurde an der Geschichte für einen Kurzfilm von sechs Minuten gearbeitet

Der Druck auf die Mitarbeiter ist hoch. Aber gleichzeitig bekommen sie Zeit, Budget und Freiheit. "Die Bereitschaft, immer weiter an der Geschichte zu arbeiten, bis sie stimmt, kann ganz schön schmerzhaft und schwierig sein", sagt Dana Murray, die Produzentin von Mullins Kurzfilm "Lou". "Man hat einen Plan, ein Budget und denkt, man läuft in die richtige Richtung. Und dann fällt alles auseinander und man muss alles neu denken." "Lou" ist ein sechs Minuten langer Film, der auf einem Schulhof spielt. Ein kleiner Junge hänselt alle anderen Kinder und nimmt ihnen ihr Spielzeug weg - bis sich das Spielzeug rächt. Es setzt sich zu einem Monster mit Baseball-Augen zusammen, das dem Schulhof-Tyrann eine Lehre erteilt: Freunde findet man, indem man gibt, nicht wegnimmt. "Bei Lou haben wir eine ganze Geschichte mit zwei gegensätzlichen Hauptfiguren in sechs Minuten gepackt. Es gab eine Menge Versuche, bis wir die richtige Dynamik gefunden haben", sagt Mullins. Er hat immer wieder Spielzeug neu zusammengesetzt und die Geschichte umgeschrieben. "Ich habe sehr, sehr lange Zeit daran gearbeitet." Genauer gesagt: fünf Jahre lang. Noch länger hatte er den Pixar-Chefs zuvor Ideen für Kurzfilme vorgeschlagen, immer und immer wieder neue, seit 2005 schon. Vor "Lou" war ihnen nie etwas gut genug. Das habe seine Kreativität noch weiter angestachelt, sagt er. "Man darf nicht aufgeben."

Mullins und Murray haben fast gleichzeitig bei Pixar angefangen, damals hatte das Filmstudio 500 Mitarbeiter, heute sind es rund 1200. "Dieses Wachstum war gigantisch", sagt Murray. "Abgesehen vom Wachstum aber hat sich gar nicht so viel geändert unter Disney, sie erlauben noch immer diesen Fokus auf die Geschichten." Pixar hat bei der Übernahme ausgehandelt, dass die Prinzipien der Firma auch unter dem Dach des Konzerns erhalten bleiben. Es sei immer besser, Geld zu verlieren, als einen schlechten Film zu produzieren, sagt Pixar-Mitgründer Catmull. Er leitet inzwischen nicht nur Pixar, sondern auch die Walt Disney Animation Studios. Gelegentliches Scheitern, Fehler, harte Arbeit und schlechtes Feedback seien zwar frustrierend, aber ein wichtiger Teil des Prozesses. "Wenn wir keine Risiken eingehen, wird ein Film nie wirklich kreativ."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: