Unter Nachbarn:Rosenkrieg der Finanzminister

Peer Steinbrück und Karl-Heinz Grasser trennt mehr als nur der Altersunterschied.

Alexander Hagelüken

Er hatte sich solche Mühe geben. Alle 24 EU-Kollegen hatte Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser in die alte Residenz der Habsburger eingeladen, damit sie nicht in seelenlosen Konferenzbunkern tagen mussten wie sonst. Ließ zum Abendmahl im Palais Liechtenstein Lachs-Mango-Tartar auf grünem Spargel auffahren. Und bot selbst den Finanzministergattinnen, küss die Hand, etwas Besonderes: einen Besuch bei den berühmten Lipizzanern in der spanischen Hofreitschule.

Unter Nachbarn: Zwei, die sich nicht mögen: die Finanzminister Peer Steinbrück (links) und Karl-Heinz Grasser im EU-Ministerrat.

Zwei, die sich nicht mögen: die Finanzminister Peer Steinbrück (links) und Karl-Heinz Grasser im EU-Ministerrat.

(Foto: Foto: dpa)

Doch dann kam der deutsche Ressortchef Peer Steinbrück - und machte schlechte Laune. Österreich locke deutsche Firmen mit niedrigen Steuersätzen, schimpfte Steinbrück. "Sehr ehrgeizig und aggressiv" gingen Grasser und Co. vor, polterte der Minister. Der düpierte Gastgeber lächelte milde und spottete: "Wer schneller ist, wird in dieser Welt gewinnen."

Nüchtern der eine, prätentiös der andere

Steinbrück, 59, und Grasser, 37, trennt mehr als der Altersunterschied. Während der Berliner Amtshüter norddeutsch nüchtern auftritt, inszeniert sich der Wiener.

Bei Finanzministertreffen profiliert er sich mit den schärfsten Äußerungen, sobald er Mikrofone sieht. Zwischen seinen arbeitsblassen Kollegen wirkt der Dauergebräunte, als komme er gerade vom Skilift. Grasser ist kein Kassenwart, sondern eine Celebrity, um die sich auf dem Opernball die Fotografen drängeln, wenn er mit seiner tiefdekolletierten Neu-Angetrauten, Kristallerbin Fiona Swarovski, einschwebt.

Sauer stößt seinen deutschen Amtskollegen das Selbstbewusstsein auf, mit dem Grasser Österreichs Wandlung vom Sorgenkind zum Klassenstreber vermarktet. Als er sein Amt im Jahr 2000 antrat, wies die Alpenrepublik mit die größten Etatlöcher im ganzen Euroraum auf. Der junge Haushaltsherr senkte das Defizit - und verlangt Gleiches von anderen.

Ungebetene Noten

Kein anderer Finanzminister geißelte das Scheitern der Deutschen am Stabilitätspakt so scharf wie der Österreicher. Und keiner verteilte ungebeten Noten wie Grasser: "Mein Kollege Hans Eichel hat eine Steuerreform in den Abschwung hinein gemacht - und nichts erreicht."

Rosenkrieg der Finanzminister

In der neuen Bundesregierung wird betont, das Problem sei nicht Grassers Position, sondern sein Stilmangel. So habe der alerte Gastgeber einfach VW-Chef Bernd Pischetsrieder zum Finanzministertreffen eingeladen, ohne Steinbrück darüber zu informieren.

Grassers Getreue wiederum werfen dem Deutschen Großmannssucht vor - bis zum letzten Pinselstrich. Als die 25 EU-Minister im Palais Liechtenstein für einen guten Zweck ein Bild malten, habe Steinbrück seine Initialen peinlich riesig auf der Leinwand verewigt.

Bei soviel Harmonie dürfte sich die Auseinandersetzung um Firmenabwerbungen verschärfen. Steinbrück beschwerte sich am Wochenende, österreichische Institutionen schrieben gezielt Firmen in der Bundesrepublik an - "stellen Sie sich vor, der deutsche Piefke macht so was!"

Aktives Abwerben bestritten

Grasser bestritt aktives Abwerben. Vor einigen Monaten klang er in einem Interview viel offensiver. "Die Wirtschaftsagentur ABA hat allein 2004 42 Unternehmen aus Deutschland nach Österreich geholt", prahlte Grasser damals. "Derzeit verhandelt die Agentur mit 150 Unternehmen aus Deutschland, es gibt mehr als 1000 weitere Anfragen."

Der Rosenkrieg verhindert, dass die beiden einzigen deutschsprachigen EU-Finanzminister gemeinsame Initiativen starten - in Brüssel gilt das als Manko.

Auffällig ist, dass sich die Regierungschefs beider Länder seit Jahren deutlich besser verstehen als ihre Haushälter. Erst recht, seit Angela Merkel Kanzlerin wurde. Womöglich wird der flotte Karl-Heinz Grasser erst dann wirklich nett, wenn Deutschland die erste Frau als Finanzminister hat.

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