Unister:Geldkoffer in Venedig

Unister meldet nach Tod des Chefs Insolvenz an

Blumen vor dem Firmensitz von Unister in Leipzig: In der vergangenen Woche ist Gründer Thomas Wagner bei einem Flugzeugabsturz gestorben.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Unister-Chef Wagner soll vor dem Flugzeug-Absturz hereingelegt worden sein, er war wohl auch nicht sauber.

Von Klaus Ott

Irgendwann in den nächsten Monaten, spätestens im nächsten Jahr hätte Thomas Wagner vor Gericht erscheinen müssen. Er hätte dann auf der Anklagebank Platz nehmen müssen. Bei der 15. Strafkammer des Landgerichts Leipzig ist gegen Verantwortliche der Firmengruppe Unister ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung und anderen Delikten anhängig. Einer von vier Beschuldigten war Wagner, der Unister gegründet und groß gemacht hatte. Mit Online-Reiseportalen wie "fluege.de" und "ab-in-den-urlaub.de", mit denen immer mehr Touristen ihre Ferien buchten. Ein vermeintlich florierendes Geschäft für die in Leipzig ansässige Firmen-Gruppe, die immerhin 1100 Beschäftigte hat. War es ein Geschäft, das zum Teil auf Lug und Trug beruhte?

12 Millionen Euro Kredit gegen 1,5 Millionen Euro Vorkasse. Alles in bar

Das will das Landgericht Leipzig herausfinden, doch den prominentesten der vier Angeklagten muss die Justiz aus der Liste der Beschuldigten streichen. Wagner ist im Alter von 38 Jahren in der vergangenen Woche ums Leben gekommen. Die Privatmaschine stürzte beim Rückflug aus Venedig in Slowenien ab. Dort wollte er offenbar Geld auftreiben für seine seit einiger Zeit recht klamme Firmengruppe. Zusammen mit Wagner starben ein Mitbegründer von Unister, ein weiterer Geschäftsmann und der Pilot. Die Umstände des Kurztrips nach Venedig wirken genauso fragwürdig wie die Finanzen von Unister. Ein Insider bezeichnet die Buchhaltung des inzwischen in Insolvenz befindlichen Reiseportals als "chaotisch" und "undurchsichtig".

Undurchsichtig war wohl vieles bei Unister, genau wie die letzte Reise des Firmengründers. Das Unternehmen soll schon seit mehreren Monaten klamm gewesen sein. Nun ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs. Möglicherweise wurde Jungunternehmer Wagner, der schon als Student ins Reisegeschäft eingestiegen war, bei seinem Trip nach Venedig auch hereingelegt. Seine Lebensgefährtin soll den Ermittlern erzählt haben, ihr Freund habe in Venedig Geld für Unister auftreiben wollen. Ihm seien von einem israelischen Geschäftsmann zwölf Millionen Euro Darlehen versprochen worden. Voraussetzung: Er, Wagner, müsse zuvor 1,5 Millionen Euro Kreditausfallversicherung zahlen. Alles in bar. Zunächst sei die Sache gut gelaufen. Auf der Rückfahrt zum Flughafen in Venedig sei Wagner aber aufgefallen, dass nur die obersten Scheine der Geldbündel mit den angeblichen zwölf Millionen Euro echt seien. Das berichtet Focus, so erzählt es auch ein Insider.

Das Reiseportal soll in mehr als 87 000 Fällen Kunden um Rabatte betrogen haben

Der Unister-Chef erstattete jedenfalls Strafanzeige bei den italienischen Behörden - vor dem Rückflug nach Leipzig, der mit dem Tod endete. Mit an Bord war, neben Wagner, einem Mitbegründer des Reiseportals und dem Piloten, auch der mutmaßliche Vermittler der schief gegangenen Deals in Venedig. Eine weitere Strafanzeige, die offenbar auf der Aussage von Wagners Lebensgefährtin beruht, liegt der Dresdner Generalstaatsanwaltschaft vor. Die sächsischen Ermittler gehen aber nicht nur dem Betrugsverdacht nach. Sie untersuchen auch, was es mit den 1,5 Millionen Euro auf sich hat, die der Unister-Chef mit nach Venedig genommen haben soll. Waren das Firmengelder, und falls ja, wurden sie leichtfertig ausgegeben? Also veruntreut? Ein Mitgesellschafter des Reiseportals hat Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet.

Mit viel Rummel und mit prominenten Werbefiguren wie Michael Ballack und Reiner Calmund, Fußball-Nationalspieler beziehungsweise Fußball-Manager, hatte Unister Reisekonzernen wie TUI immer mehr zugesetzt. In Spitzenzeiten setzte Wagners Firmengruppe zwei Milliarden Euro im Jahr um. Doch längst verwandelt sich die einstige Erfolgsgeschichte mehr und mehr in einen Krimi, nicht nur wegen der Geldkoffer in Venedig und der dadurch ausgelösten neuen Ermittlungen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden kümmert sich schon seit Jahr und Tag um Unister. Dabei geht es auch um den Verdacht des banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs in mehr als 87 000 Fällen. Das Reiseportal soll Rabatte etwa von Fluggesellschaften nicht an Kunden weitergegeben haben.

Ob es in diesem Punkt zum Prozess gegen Firmen-Verantwortliche kommt, hat das Landgericht Leipzig noch nicht entschieden. Andere Anklagepunkte sind schon zur Hauptverhandlung zugelassen, die irgendwann beginnt, nun ohne Wagner, dem abgestürzten Firmenchef. Um dessen Hinterlassenschaft kümmert sich Lucas Flöther, ein Anwalt aus Halle, der als Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Nach Wagners Tod hatten nacheinander die Unister-Holding und mehrere Tochterfirmen Insolvenz angemeldet. Flöther muss sich mit seinen Leuten nun mühsam einen Durchblick verschaffen. Er muss erforschen, wie viel Geld wohin geflossen ist. Eine Sisyphus-Arbeit.

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