Unicredit:Kopflos in der Krise

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Im römischen Kommunalwahlkampf zog er sich zurück, seine Initiativen als Politiker werden eher belächelt: Corrado Passera. (Foto: imago/Italy Photo Press)

Mitten in Börsenturbulenzen leistet sich die wichtigste italienische Bank Unicredit eine Führungskrise.

Von Ulrike Sauer, Rom

"Die Revolution ist möglich" - das klingt kurios als Motto der Parteigründung eines früheren Bankmanagers, der sich im konservativen Polit-Milieu zu Hause fühlt. Corrado Passera, 61, kam mit dem Slogan nicht weit. Seine Partei Italia Unica fristet seit 2014 ein eher trauriges Dasein. Dabei hatte der ehemalige Chef des Mailänder Geldhauses Banca Intesa Großes im Sinn. Er schlug vor, Italiens stagnierende Wirtschaft mit einem Investitionsschock in Höhe von 400 Milliarden Euro in Schwung zu bringen. In den Wahlkampf um das Mailänder Rathaus steckte er im Frühjahr 1,4 Millionen Euro. Chancen aufs Bürgermeisteramt hatte er keine, und so zog sich der Ex-Manager vorzeitig aus dem Kommunalwahlkampf zurück und unterstützte den Kandidaten der Rechten. Der unterlag bei der Stichwahl am Sonntag.

Dafür geistert Passera nun schon seit Tagen als einer der Anwärter auf den heikelsten Posten in der schwer angeschlagenen italienischen Bankbranche durch die Medien. Die Tageszeitung Il Fatto quotidiano berichtete am Sonntag, Passera würde Ende der Woche zum Nachfolger des entlassenen Unicredit-Chefs Federico Ghizzoni ernannt. Hört sich bizarr an? Ein arbeitsloser Mann, der 2011 den Erzrivalen Banca Intesa verlassen hat, um in der Notstandsregierung von Mario Monti in Rom als Industrieminister anzutreten? Einer, dessen Initiativen inzwischen müde belächelt werden? Aus dem Kreis der Unicredit-Aktionäre erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters, dass Passera tatsächlich zu den ins Auge gefassten Kandidaten gehört. Eine Entscheidung sei nicht gefallen.

Das Gerücht passt durchaus ins Bild: Mitten in einer strukturellen Bankenmisere in Italien steckt auch das einzige Institut mit europäischem Format in einer schwierigen Lage. Die HVB-Mutter hat in einem Jahr 70 Prozent ihres Börsenwerts eingebüßt. Schon seit dem vergangenen Sommer rumorte es unter den Anteilseignern, war fraglich, wie lange sich Ghizzoni auf seinem Posten im 28. Stock des Mailänder Bankenturms hält. Mitte Mai erzielte man dann eine Einigung über die Ablösung des 60-Jährigen, der seit 36 Jahren bei Unicredit arbeitet.

Nur wer, wann und wie das Steuer bei Unicredit drehen soll, davon hat keiner eine Ahnung. Das Ergebnis: Ausgerechnet das einzige italienische Institut, dem die europäische Bankenaufsicht Systemrelevanz beimisst, geht kopflos durch die Turbulenzen. Die Extravaganz der Führungskrise bleibt nicht ungestraft. Die Aktie ist eine leichte Beute der Spekulation.

Auch der Aufsichtsratschef Giuseppe Vita, 81, reagiert seltsam. Vor Ende Juli werde die Kür des Nachfolgers nicht erfolgen, sagte er in einem Zeitungsinterview. Dabei sind die Börsen vor dem Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der EU nervös. Im Fall eines Brexits macht man sich auf schwere Zeiten gefasst. Der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan appellierte am vergangenen Freitag an die Aktionäre, den vakanten Chefsessel so schnell wie möglich zu besetzen. "Je länger es dauert, desto mehr wird eine wichtige italienische Bank geschwächt", sagte er.

Vor zehn Jahren traute man Unicredit zu, einmal zu Europas führendem Geldhaus aufzusteigen. Nach einem langen Fusionsreigen gründete die Stärke "der ersten paneuropäischen Bank" auf dem festen Glauben an Europa und auf dem Charisma des Konzern-Chefs Alessandro Profumo. Das komplexe, in 17 Ländern agierende Gebilde war aber schwer zu regieren. Solange die Rendite stimmte, ließen die Aktionäre den selbstherrlichen Profumo walten. Als die Gewinne versiegten, warfen sie ihn 2010 raus. Rasch wurde der unprätentiöse Ghizzoni installiert, der für Kontinuität stand. Ein radikaler Umbau blieb aus. So änderte sich auch an den Problemen nichts. Die Gewinne sind spärlich. Die europäischen Aufseher wundern sich über dürftige Kapitalpolster. Der Aktienkurs geht steil nach unten. Ghizzonis Strategieplan, der den Abbau von 18 000 Stellen vorsah, fiel im November bei den Anlegern durch.

Seit Mai bieten die Großaktionäre nun das peinliche Schauspiel ihres Kampfs um Macht und Einfluss. Unicredit wird von acht Aktionären kontrolliert, die zusammen ein Fünftel der Anteile besitzen und sich nicht auf eine Linie einigen können. Da sitzen die Araber und US-Investor Blackrock neben den italienischen Sparkassenstiftungen und die deutsche Allianz neben italienischen Privataktionären. Ihr Streit offenbart erneut, dass die Schwächen in der Unternehmensführung wohl das eigentliche Problem der Bank sind. Ghizzonis Rauswurf hat die Skepsis der internationalen Anleger bestärkt. Unicredit verlor weitere 17 Prozent.

Die Bank ist nur noch 15 Milliarden Euro wert, weniger als die Hälfte ihrer Mailänder Rivalin Banca Intesa.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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