Umweltverschmutzung in Textilbranche:Giftige Wäsche

Greenpeace attackiert führende Modemarken wie Adidas, H&M und Calvin Klein. Der Vorwurf: Sie verwendeten bei der Produktion schädliche Chemie. Die umstrittenen Substanzen bedrohen nicht nur Umwelt und Menschen in den Fertigungsländern, sondern landen auch bei uns im Kleiderschrank.

Silvia Liebrich und Elisabeth Dostert

Freunde der Mode haben ihre Lieblingsmarken. Doch egal ob T-Shirt, Jeans oder Sneakers - auch hier gilt: nicht alles was teuer ist, muss gut und gesund sein. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die hat herausgefunden, dass viele Artikel bekannter Marken Spuren der Chemikalie Nonylphenolethoxylate (NPE) enthalten.

Umweltverschmutzung in Textilbranche: Viel Ärger um den Stoff: In kaum einer anderen Branche wird so viel Wasser benötigt wie in der Bekleidungsindustrie. Um ein Kilogramm Stoff zu produzieren, werden bis zu 100 Liter verbraucht.

Viel Ärger um den Stoff: In kaum einer anderen Branche wird so viel Wasser benötigt wie in der Bekleidungsindustrie. Um ein Kilogramm Stoff zu produzieren, werden bis zu 100 Liter verbraucht.

(Foto: AFP)

Zwar stellen diese NPE-Reste für Träger von T-Shirts oder Schuhen in den von Greenpeace ermittelten Konzentrationen kein unmittelbares Gesundheitsrisiko dar, wohl aber für die Menschen in den Produktionsländern. Denn NPE wird zu giftigem Nonylphenol (NP) abgebaut, das über das Abwasser in Flüsse und Seen gelangt, sich dort anreichert und so in die Nahrungskette gelangt. Die Substanz ist hormonell wirksam und schon in geringer Konzentration schädlich, beklagt Greenpeace.

Erschreckendes Ergebnis der Studie: Bei nahezu allen 15 untersuchten Anbietern wurden die Chemiker fündig. Darunter Marken wie Puma, Adidas, Nike, H&M, Calvin Klein, Converse, G-Star-Raw, Lacoste oder Kappa. Lediglich die Artikel der Modekette Gap blieben unbeanstandet. Bei dem Test ließen die Umweltschützer 78 Markenartikel aus 13 Herstellerländern auf NPE untersuchen. Laut Greenpeace wurde die Chemikalie in zwei Dritteln der Proben entdeckt.

Die neuen Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Anwendung gefährlicher Chemikalien in der Textilindustrie nicht nur auf China beschränkt ist", erklärt Manfred Santen, Chemieexperte bei Greenpeace. "Die Umweltverschmutzung durch die Textilindustrie ist ein globales Problem." Weil die chinesischen Löhne zuletzt stark gestiegen sind, haben viele Modehersteller ihre Produktion in arme Länder wie Bangladesch oder Pakistan verlegt. Arbeitskräfte sind dort noch billiger und die Umweltschutzstandards noch niedriger.

NPE darf innerhalb der Europäischen Union seit 2003 nur noch sehr eingeschränkt verwendet werden. Außerhalb der EU ist das anders. Vor allem große Bekleidungshersteller in China, Bangladesch und Vietnam verwenden das Waschmittel. Aber auch in der Türkei, einem wichtigen Lieferland für Europa, wird die Chemikalie in großem Umfang eingesetzt. Das hat beträchtliche Auswirkungen auf die Umwelt, denn in kaum einer anderen Branche wird so viel Wasser benötigt wie in der Bekleidungsindustrie: Um ein Kilo Stoff zu produzieren, werden bis zu 100 Liter verbraucht.

Umweltschützer fordern die Textilindustrie seit Jahren auf, den Einsatz giftiger Chemikalien drastisch zu reduzieren, mit wenig Erfolg. NPE ist nur eine von vielen umstrittenen Substanzen. Greenpeace hatte erst im Juli die Verschmutzung zweier chinesischer Flüsse durch Textilfabriken beanstandet, in denen auch große Markenhersteller fertigen lassen. In den Flussdeltas von Jangtse und Pearl River wiesen Wissenschaftler einen ganzen Gift-Cocktail nach.

"Es muss transparenter werden"

Greenpeace hat seine Resultate vor Veröffentlichung den beanstandeten Markenhersteller präsentiert. Nur zwei haben den Angaben zufolge reagiert. Die Sportartikelhersteller Puma und Nike erklärten sich bereit, bis 2020 auf alle gefährlichen Chemikalien in der Produktion zu verzichten und die gesamte Lieferkette zu kontrollieren. Auch Adidas weiß um die Belastung mit Chemikalien, will sich aber nicht auf eine Jahreszahl festlegen.

Einer allein könne das Problem nicht lösen, weil Substanzen wie NPE weit verbreitet seien und die Industrie mit vielen Lieferanten kooperiere, sagt eine Adidas-Sprecherin der Süddeutschen Zeitung: "Wir setzen mehrere hundert Substanzen ein." Es gäbe seit längerem Gespräche mit Vertretern der gesamten Industrie. Noch habe Adidas keine Informationen von Greenpeace, auf welchen Teilen der Produkte genau NPE nachgewiesen worden sei. "Logos, Streifen oder Garne kommen von verschiedenen Lieferanten", so die Firmensprecherin.

Adidas führe seit 1998 eine Liste verbotenen Substanzen, erklärt sie weiter. Die jüngste Fassung stammt vom Herbst 2010. Dort taucht auch NPE auf. Der Einsatz der Substanz sei zumindest reglementiert. Da es in Europa nur für Produktionsprozesse, aber nicht für Produkte einen gesetzlichen Schwellenwert gebe, habe Adidas sich selbst eine Grenze gesetzt - die liege bei 100 Parts per Million (ppm). Das bedeutet: In einer Million Teile dürfen höchstens 100 Teile NPE vorkommen. "Nach unserem Kenntnisstand liegt die von Greenpeace nachgewiesene Belastung sehr deutlich unter diesem Wert", so die Sprecherin. Der von der EU für den Produktionsprozess festgesetzt Wert liegt bei 1000 ppm.

Auch der Schmidt-Gruppe, dem deutschen Lizenznehmer der italienischen Modemarke Kappa, sind die Studien bekannt. Auf Basis des Qualitätssiegels Oeko-Tex Standard 100 sei vor mehreren Jahren eine Qualitätsrichtlinie entwickelt worden, sagt Marketingchef Tobias Blick. Die Vorgaben seien für alle Lieferanten der Kappa Deutschland GmbH bindend. "Mit Lieferanten, die diese Auflagen nicht erfüllen, arbeiten wir nicht zusammen."

Unter dem Namen Kappa, offizieller Ausrüster von Borussia Dortmund, entwickelt der Mittelständler eigene Kollektionen, die unter anderem in China entstehen. Die Ware werde sowohl vor Ort getestet als auch von unabhängigen Laboren in Deutschland wie dem SGS Institut Fresenius, sagt Blick. Insbesondere bei Sportmode gebe es aber einen Graumarkt. Blick schließt nicht aus, dass die von Greenpeace monierten Produkte so auf den Markt kämen.

Dreist findet Greenpeace-Experte Santen, dass einige der beanstandeten Markenhersteller mit ihrer vermeintlichen Umweltfreundlichkeit werben. So heißt es etwa im Nachhaltigkeitsbericht der schwedischen Kette H&M: "Wir wenden das Vorsorgeprinzip in unserer Umweltarbeit an und haben einen präventiven Ansatz mit der Substitution gefährlicher Chemikalien übernommen." Was genau gemeint ist, bleibt unklar. Die Realität sieht anders aus. Die Regeln für die Verwendung von Chemikalien seien "lückenhaft", beklagt Santen. "Die Labels können nicht verhindern, dass die von ihnen beauftragten Fabriken gefährliche Chemikalien einsetzen."

Genau das muss sich seiner Ansicht nach ändern. "Markeninhaber sind für die gesamte Produktionskette verantwortlich und müssen dafür sorgen, dass keine gefährlichen Chemikalien die Gewässer verschmutzen. Dafür muss die Zulieferkette transparent werden."

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