Umweltskandal an der Elfenbeinküste:Tödliche Giftfracht

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Betroffene stehen in Abidjan in einer Schlange an, um ihre Entschädigung zu erhalten. (Foto: Sia Kambou/AFP)
  • Tanklastwagen der europäischen Ölhandelsfirma Trafigura sollen im Jahr 2006 heimlich Giftmüll in Abidjan an der Elfenbeinküste abgeladen haben.
  • Tausende Menschen werden kurz danach krank, klagen über Atemnot und Nasenbluten. Außerdem sollen mehr als ein Dutzend Menschen aufgrund des Umweltskandals ums Leben gekommen sein.
  • 30 000 Betroffenen hatte Trafigura bereits eine Entschädigung gezahlt.
  • In diesen Tagen bahnt sich in der Affäre eine spektakuläre Wende an. In einer neuen Sammelklage gehen nun all diejenigen gegen das Unternehmen vor, die bisher leer ausgingen.

Von Markus Balser, Berlin

Einer der größten Umweltskandale Afrikas nimmt im Jahr 2006 in Europa seinen Anfang. Als der Frachter Probo Koala in Amsterdam entladen wird, weht der Wind so beißende Schwaden in die nahen Wohngebiete, dass besorgte Anwohner die Polizei alarmieren. Mit Folgen: Die als Schmutzwasser deklarierte Fracht entpuppt sich bei ersten Untersuchungen als Giftmüll. Das Auspumpen der Ladung wird gestoppt. Hafen-Manager bieten eine ordnungsgemäße Entsorgung der Fracht in Spezialanlagen an. Kosten: 250 000 Dollar. Doch offenbar ist das dem Kapitän und der europäischen Ölhandelsfirma Trafigura, die das Schiff gechartert hatte, zu viel. Der Kapitän jedenfalls legt wieder ab.

Es beginnt eine wochenlange Odyssee. Denn auch in Estland wird das geheimnisvolle Schiff den Müll nicht los. Mitte August schließlich findet die gefährliche Ladung in Afrika einen Abnehmer: 500 Tonnen Müll aus der Probo Koala werden in Abidjan, der größten Stadt der Elfenbeinküste, entladen. Von dort, so rekonstruieren Ermittler später, schwärmen Tanklastwagen nachts heimlich mit dem toxischen Brei aus Chemikalien, Benzin- und Rohölresten aus und kippen ihre Ladung an 14 Stellen der Stadt aus. Schon Tage darauf strömen die ersten Menschen in die Hospitäler der Stadt - Anfang September klagen Tausende über Atemnot, Nasenbluten und Kopfschmerzen. Nach Angaben der ivorischen Justiz kostete die Katastrophe 17 Menschen das Leben, 150 000 Menschen brauchten nach amtlichen Angaben ärztliche Hilfe.

Eine Sammelklage von gewaltiger Dimension

Die Sache hat Folgen. Wegen Unruhen in Abidjan muss das gesamte Kabinett zurücktreten. Doch ein Urteil gegen die vermeintlichen Verursacher bleibt aus. Die Regierung der Elfenbeinküste hatte sich schon 2007 mit Trafigura gegen eine Zahlung von umgerechnet 152 Millionen Euro darauf geeinigt, nicht gerichtlich gegen den Konzern vorzugehen. 2009 hatte die Firma dann doch umgerechnet 33 Millionen Euro an etwa 30 000 Betroffene gezahlt. Ivorischen Offiziellen wurde in der Folge vorgeworfen, Teile der Zahlungen unterschlagen zu haben. Für viele NGOs ist der Fall nicht nur deshalb noch lange nicht aufgearbeitet. Trotz verheerender Folgen für das Leben von mehr als 100 000 Menschen, klagte etwa die Menschenrechtsorganisation Transparency International, wurden die Geschehnisse nie strafrechtlich untersucht. In diesen Tagen bahnt sich in der Affäre eine spektakuläre Wende an. Denn in einer neuen Sammelklage von gewaltiger Dimension gehen nun all diejenigen Ivorer gegen den Konzern vor, die bisher leer ausgingen. Genau 110 937 Betroffene wollen den Rohstoffkonzern in den Niederlanden vor Gericht bringen. Neben einer Erstattung der Entsorgungskosten verlangen sie jeweils eine Entschädigung von je 2500 Euro - und damit insgesamt fast 280 Millionen Euro.

Die Anwälte erheben schwere Vorwürfe. Trafigura sei für die körperlichen, moralischen und wirtschaftlichen Schäden der Betroffenen regresspflichtig, heißt es in der 31-seitigen Klageschrift, die dem Konzern schon zugestellt wurde. Beim Gericht in Amsterdam solle die Klage nun am 2. März eingereicht werden. Aus den bisherigen Verfahren gehe hervor, dass Trafigura für den Giftmüllskandal verantwortlich sei, sagt Mathieu Cencig, der Anwalt der Kläger am Donnerstag. Nun gehe es vor Gericht darum, zu beweisen, dass die Betroffenen damals Gesundheitsschäden davongetragen hätten.

Der multinationale Trafigura-Konzern hat stets bestritten, dass die Todesfälle und die schweren Gesundheitsschäden auf die Giftmüllverklappung zurückzuführen seien. Die Trafigura-Zentrale in der Schweiz wollte die Vorgänge am Donnerstag nicht kommentieren. "Zu juristischen Auseinandersetzungen äußere sich das Unternehmen nicht", sagte eine Sprecherin. Die Zentrale von Trafigura sitzt zwar in der Schweiz, dennoch ist der Konzern in den Niederlanden eingetragen. Der neue Vorstoß der Opferanwälte wird überhaupt nur durch einen juristischen Kniff möglich.

Denn eigentlich hatte die niederländische Justiz eine Forderung von Greenpeace bereits 2011 ausgeschlagen, Trafigura wegen des Skandals in der Elfenbeinküste vor Gericht zu stellen. Zur Begründung hieß es damals, keines der Opfer lebe in den Niederlanden, und die Vorwürfe bezögen sich allein auf Vorkommnisse außerhalb des Landes. Die Kläger wollen diese Argumentation nun in den neuen Fall umschiffen und haben deshalb eine niederländische Stiftung für die Opfer gegründet. Mit einer schnellen Zahlung können die Opfer indes nicht rechnen. Anwalt Cencig erwartet eine monatelange Auseinandersetzung um die Millionenklage vor Gericht. Frühestens Ende dieses Jahres sei in Amsterdam wohl mit einer Entscheidung zu rechnen.

© SZ vom 27.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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