Umweltbundesamt:Zuckerkrank durch Stickoxid

Autoauspuff mit Abgasen

Autos verpesten die Umwelt und belasten auch die Menschen.

(Foto: Christian Ohde/imago)

Eine Studie belegt erhebliche Gesundheitsprobleme durch schlechte Luft.

Von Michael Bauchmüller und Kristiana Ludwig, Berlin

Die hohe Stickoxid-Belastung in deutschen Städten hat für hunderttausende Bundesbürger gesundheitliche Folgen. Das geht aus einer Studie hervor, die das Umweltbundesamt am Donnerstag in Berlin vorgelegt hat. Danach ließen sich acht Prozent aller Diabetes-Erkrankungen auf Stickstoffdioxid in der Außenluft zurückführen. Für das Jahr 2014 kommt die Studie auf 437 000 Erkrankungen. Von den Asthmaerkrankungen ließen sich sogar 14 Prozent auf das Reizgas zurückführen, das wären insgesamt 439 000 Fälle. "Die Studie zeigt, wie sehr Stickstoffdioxid der Gesundheit in Deutschland schadet", sagte Maria Krautzberger, die Präsidentin der obersten deutschen Bundesbehörde. "Wir sollten alles unternehmen, damit unsere Luft sauber und gesund ist." Dazu könnten auch Fahrverbote zählen.

Erst am Dienstag hatte Krautzberger in einem SZ-Interview einen konkreten Vorschlag für solche Fahrverbote unterbreitet. So sollten eine hell- und eine dunkelblaue Plakette zwischen nachgerüsteten Dieselautos und jenen der saubersten Euro-Norm unterscheiden. Je nach Belastung mit Stickstoffdioxid (NO₂) könnten die Städte so mehr oder weniger Dieselautos aus ihren Umweltzonen verbannen. Mit der Gesundheitsstudie legt die Behörde nun nach.

Denn nach den Zahlen des Umweltbundesamtes lassen sich auch 6000 vorzeitige Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf die Belastung mit Stickstoffdioxid zurückführen, in früheren Jahren waren es teils bis zu 8000. Im Vergleich zu ländlichen Regionen sei die Krankheitslast in Gegenden mit viel Verkehr um 50 Prozent höher. "Dies belegt, dass die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle im Zusammenhang mit Stickstoffdioxid an stark belasteten Standorten deutlich höher liegt", sagt Krautzberger. Die Studie wertete unter anderem Messdaten zur Stickoxid-Konzentration aus und kombinierte sie mit Zahlen zur Bevölkerung und der Todesursachenstatistik. Die Berechnungen basieren auf einem Konzept der Weltgesundheitsorganisation WHO. Insgesamt sei aber davon auszugehen, dass die Krankheitslast eher unterschätzt werde. Bewusst habe man vorsichtige Annahmen getroffen. "Die Zahlen sind die Untergrenze", sagte Krautzberger. Tatsächlich war die Europäische Umweltagentur EEA im vorigen Herbst sogar auf knapp 45 000 Todesfälle gekommen, die sich hierzulande auf die Stickstoffdioxid-Belastung der Luft zurückführen lassen.

Auch die Fachgesellschaft der Lungenärzte warnte davor, entlang viel befahrener Straßen spazieren zu gehen oder Rad zu fahren. "Bei körperlicher Aktivität wird mehr und tiefer eingeatmet, sodass mehr ungefilterte Schadstoffe aufgenommen werden", sagt Professor Joachim Heinrich vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung. Er verweist auf eine aktuelle europaweite Studie zur Luftverschmutzung durch Feinstaub, Stickoxid und Dieselruß, bei der Langzeitbeobachtungen zu Atemwegserkrankungen mit Wohnorten in Verbindung gebracht wurden. Aus Deutschland flossen Daten aus Augsburg, München, Leipzig und Nordrhein-Westfalen ein. Bei Gesunden, die einer erhöhten Konzentration von Feinstaub ausgesetzt waren, zeigte sich nach fast 13 Jahren ein um 22 Prozent erhöhtes Lungenkrebs-Risiko. Kleinkinder und chronisch Kranke seien besonders gefährdet, sagt Heinrich.

Die Lungenärzte halten Feinstaub für gefährlicher als Stickstoffdioxid. Beide Schadstoffe stünden jedoch mit dem Stadtverkehr in Verbindung. Deshalb sei es gut, dass das Bundesverwaltungsgericht nun Diesel-Fahrverbote ermöglicht hat.

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