Umstrukturierung bei Luftfahrtkonzern:EADS wird französisch

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Produktion des Airbus A380 im französischen Werk Saint-Nazaire. Das größte Modell des Konzerns soll 2015 erstmals Gewinn einbringen. (Foto: Fabrice Dimier/Bloomberg)

An diesem Mittwoch sollen die EADS-Aktionäre eine Ära beenden: Der Luft- und Raumfahrtkonzern will sich endlich vom Staatseinfluss befreien. EADS sei bald ein anderes Unternehmen, sagt Vorstandschef Enders. Doch bei den deutschen Mitarbeitern wächst die Sorge, dass die ganze Macht nach Frankreich wandert.

Von Jens Flottau

Tom Enders, 54, lässt sich in seinen Sessel fallen und gießt erst einmal einen Kaffee ein. Es ist spät geworden am Vortag - und zäh war es auch. Im Stundentakt hat der Chef des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS die Analysten der US-Banken in New York empfangen und ihnen immer wieder die gleiche Geschichte erzählt. Irgendwie wichtig, aber ziemlich ermüdend. An diesem Morgen erlaubt er sich deswegen den kleinen Luxus, in Jeans zum Frühstückstermin aufzutauchen, hier im leicht verstaubt wirkenden Hotel an der 48. Straße in Manhattan. Er sei, sagt Enders, dankbar, wenigstens einigermaßen wach zu sein.

Der EADS-Chef ist zurzeit häufig in New York, zuletzt innerhalb von einer Woche zweimal. Die Geschichte, die er Analysten, Wirtschaftsvertretern und Politikern bei seinen öffentlichen Auftritten vermitteln will, geht so: EADS ist demnächst nicht mehr das gleiche Unternehmen, es ändert sich grundlegend. Genau genommen an diesem Mittwoch vor Ostern, wenn eine außerordentliche Generalversammlung in Amsterdam beschließen wird, welche Rechte die künftigen Kernaktionäre haben: deutlich weniger als bisher.

EADS, vor 13 Jahren von Politikern als transeuropäische Gemeinschaftsfirma gegründet, soll endlich ein normales Unternehmen werden - mit weniger Staatseinfluss und mehr Unabhängigkeit, mit weniger Intrigen und mehr Schlagkraft. Ein schöner Plan. Aber gleichzeitig sind die interne Unruhe und das Gerangel so groß wie kaum zuvor. Das Machtzentrum verlagert sich gerade nach Toulouse, weg von Ottobrunn bei München. Viele in Deutschland fürchten, dass die Franzosen EADS nun endgültig kapern, jenen Konzern mit den Bereichen Airbus, Astrium, Eurocopter und Cassidian, der weltweit 133.000 Mitarbeiter an 170 Standorten beschäftigt und 56 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Doch der Reihe nach.

An diesem Mittwoch sollen die EADS-Aktionäre eine Ära beenden und den bisherigen Aktionärspakt entsorgen. Die Teilhaber dieser Vereinbarung - die bisherigen EADS-Aktionäre Daimler, die Lagardère-Gruppe, der französische Staat und die spanische Staatsholding Sepi - haben sich bereits auf die Auflösung geeinigt. Die vier hatten bislang bei EADS weitreichende Mitspracherechte und konnten große Zukäufe, Fusionen oder einen Strategiewechsel verhindern. Künftig sollen als Kernaktionäre nur noch Frankreich und Deutschland mit je zwölf Prozent sowie Spanien mit vier Prozent beteiligt sein. Der Rest der Aktien soll breit gestreut werden.

Die bisherigen privaten Großaktionäre Lagardère und Daimler werden ihre Aktien zum Teil an EADS selbst verkaufen. Die Rechte der drei verbleibenden Großaktionäre sind deutlich eingeschränkt, zumindest formal. So haben die Staaten kein Vorschlagsrecht mehr für die Mitglieder des Verwaltungsrates, der Vorsitzende wird frei gewählt. Denis Ranque, Ex-Chef des Luftfahrtelektronikspezialisten Thales, ist der Kandidat, er gilt nicht als Favorit der französischen Regierung.

Der deutsche Einfluss steigt derweil eher: Der Staat ist nun direkt und indirekt über die Staatsbank KfW sogar EADS-Teilhaber. Bisher hatte der private Daimler-Konzern die deutschen Interessen vertreten. Doch die Stuttgarter wollten raus, andere private Aktionäre haben sich nicht gefunden. Die Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) sprang ein. Und mischt sich bei Bedarf mächtig ein. Die Regierung in Berlin war es, die 2012 die geplante Fusion von EADS und dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems verhindert hat - und das, obwohl damals die neue Struktur noch gar nicht in Kraft war.

Die geplante Fusion war das Projekt von Enders. Er hatte den politischen Willen und Einfluss Berlins völlig falsch eingeschätzt. Am Ende scheiterte der Plan eines Deutschen an den Deutschen.

Fallschirmspringer und Hobbypilot Enders, Nachfolger des Franzosen Louis Gallois, ist erst seit Ende 2012 im Amt - er hat bereits kräftig vorgelegt. Mehr Effizienz, mehr Gewinn, eine stärkere Integration von EADS mit der wichtigsten Konzerntochter Airbus, darum geht es. Enders gab den Bau eines Werks in den USA bekannt, er versuchte den Zusammenschluss mit BA Systems - und verkündete, dass künftig die Konzernzentrale in Toulouse sein soll. Schließlich sei dies das Zentrum der europäischen Luftfahrtindustrie. Mancher mutmaßt, Enders habe sich die Zustimmung der französischen Seite, ihn zum EADS-Chef zu befördern, erkauft, dass er den Umzug aus Paris und München in Frankreichs Süden zugesagt habe.

Am bisherigen Standort Ottobrunn bei München - einst die stolze Zentrale der Dasa - finden schon Seminare für all jene statt, die nach Südfrankreich umziehen sollen. Berater geben Tipps, es geht um den katastrophalen Wohnungsmarkt in Toulouse, die deutsche Schule und das Freizeitangebot. Die Unruhe ist groß. Die Mitarbeiter in Deutschland sehen eine schleichende Entmachtung. Das mittlere Management werde ohne großes Aufsehen, aber systematisch mit Franzosen besetzt, heißt es in Ottobrunn.

Eurocopter-Chef Bertling hat seinen Abschied verkündet

Für Wirbel sorgte auch diese Personalie: Gerade hat der langjährige Eurocopter-Chef Lutz Bertling seinen Abschied verkündet, auch er wird durch einen Franzosen, Guillaume Faury, ersetzt. Eurocopter hat einen großen Standort in Donauwörth bei Augsburg und in Frankreich. Verschiebt sich auch dort etwas? Bis auf die kriselnde Verteidigungssparte Cassidian werden nun alle Bereiche von Franzosen geführt.

Wer auch weiterhin eine Führungsposition in der Zentrale innehaben will, der muss künftig in Toulouse sein oder zumindest einen großen Teil seiner Zeit dort verbringen. Bedeutet der Umzug der Zentrale, dass auch Produktion nach Frankreich verlagert wird? "Was in Deutschland ist, bleibt in Deutschland", versicherte Enders vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages im Herbst 2012.

Knapp 50.000 Mitarbeiter beschäftigt EADS in Deutschland. Dass in den vergangenen zehn Jahren Jobs abgewandert seien, lässt sich statistisch nicht belegen. Im Gegenteil: Seit 2000 hat EADS hierzulande fast 9000 zusätzlich geschaffen. Airbus ist dabei, die Produktion der Kurz- und Mittelstreckenbaureihe A320 von Toulouse nach Hamburg zu verlagern. Fest steht: Der Deutsche an der Konzernspitze hat noch einen weiten Weg vor sich. Es wird oft spät werden - und zäh.

© SZ vom 26.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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