Umstrittener Zinssatz:Deutsche Bank verdiente 500 Millionen mit Libor-Wetten

Serious Fraud Office Probe Deutsche Bank Over Securities Sales

Büros der Deutschen Bank in London: Von hier aus wurden Libor-Wetten getätigt.

(Foto: Getty Images)

Neue Dokumente zeigen, dass die Deutsche Bank viel Geld mit Wetten auf den Libor verdiente - jenen Zinssatz also, wegen dessen Manipulation gegen sie ermittelt wird. War doch nur Routine, beschwichtigt die Bank.

Es ist ein riskantes Spiel, in dem 0,01 Prozent Abweichung 68 Millionen Euro bedeuten können. 500 Millionen Euro soll die Deutsche Bank mit Wetten auf Veränderungen des Libor und anderer für die Finanzmärkte entscheidende Referenzzins-Sätze verdient haben, berichtet das Wall Street Journal.

Was diesen Gewinn der Deutschen Bank aus dem Jahr 2008 pikant machen könnte: Das Geldhaus steht mit anderen Großbanken im Fokus von Aufsehern und Ermittlern wegen möglicher Manipulationen des Libors in einem der größten Bankenskandale der vergangenen Jahre. Die Bank sagt zu den nun bekannt gewordenen Wetten allerdings, dass sie nichts mit den Fällen zu tun hätten, die die Ermittler untersuchen. Es seien legale Routinegeschäfte gewesen.

Jeden Tag melden Banken in London dem Finanzdienstleister Thompson Reuters, zu welchem Satz sie selbst sich Geld leihen können - Angaben, die unabhängig kaum nachgeprüft werden können. Aus den Angaben der verschiedenen Banken setzt sich die London Interbank Offered Rate zusammen:der Libor. Der Satz ist entscheidend für Geschäft mit Zinsderivaten auf Währungen, das weltweit hunderte Billionen Euro umfasst. Von ihm als Referenzzinssatz hängen viele andere Zinssätze ab, teils auch Hypotheken und Kreditkartenzinsen. Im Fall der UBS, die bereits eine Milliardenstrafe gezahlt hat, lief die Manipulation so: Der Mitarbeiter, der den Zinssatz berechnet, gab ihn auf Wunsch der Derivate-Händler seiner Bank höher oder niedriger an, als er tatsächlich war. So wurde der Libor in die Richtung manipuliert, von der sich diese Händler Gewinne versprachen.

Geringe Differenz, hoher Ertrag

Die Libor-Wetten der Deutschen Bank, die nun bekannt werden, waren wohl nicht illegal, sie fallen aber offenbar in die gleiche Zeit wie die, die nun von den Ermittlern untersucht werden. Der Bank zufolge war ihr Ziel gar nicht, Geld zu verdienen. Sie sollten nur andere Geschäfte der Bank absichern und dabei sei eben ein Gewinn herausgesprungen. Die Libor-Strategie, heißt es in einem Statement des Instituts, "streute und verringerte das Risiko des Bankportfolios auf dem Höhepunkt der Finanzkrise". Den Gewinn in Höhe von 500 Millionen Euro wollte ein Sprecher der Deutschen Bank Süddeutsche.de nicht bestätigen. Die Geschäfte zeigen dem Wall Street Journal zufolge erstmals im Detail, wie Banken viel Geld mit den täglich wechselnden Libor-Sätzen verdienen.

Im Zuge der Krise seit Herbst 2008 wetteten demnach Händler der Deutschen Bank in New York und London, dass die Verunsicherung langfristige Zinskosten in Euro, Dollar und Pfund schneller steigen lassen würde als jene, die nur auf einen Monat liefen - mit Erfolg. Kletterte der Dollar-Libor für drei Monate um ein Hundertstel Prozent schneller als der Ein-Monats-Libor, konnten die Händler Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe machen.

Die Zeitung beruft sich auf Dokumente, die ein ehemaliger Angestellter der Bank den Ermittlern zugespielt hat. Er behauptet auch, die riskanten Wetten sei die Bank nur eingegangen, weil sie selbst den Zinssatz - und damit den Erfolg der Wetten zu ihren Gunsten beeinflusste. Die Bank bestreitet das.

Im November sagte Bankvorstand Stephan Leithner dem Finanzausschuss des Bundestags, vor dem er seinen Chef Anshu Jain vertrat: "Wir haben Einzelpersonen, bei denen wir Fehlverhalten festgestellt haben." Aus der Führungsriege ist der Bank zufolge niemand dabei - also auch nicht Jain, der als Chef der Investmentabteilung bis 2012 für die entsprechenden Geschäfte zuständig war. Die Bank selbst habe aber noch keinen kompletten Überblick über ihr eigenes Handeln, heißt es aus dem Institut. Die Prüfung tausender Geschäfte aus den Jahren 2005 bis 2011 dauere an. Eine Anwaltskanzlei hilft dabei. Die Bankaufsicht Bafin hat mit der Auswertung interner Untersuchungen begonnen, berichtet Reuters unter Berufung auf Insider. Ende März soll die Prüfung beendet sein. Sollte die Bafin auf strafrechtlich relevante Fälle stoßen, übernimmt die Staatsanwaltschaft diese. Für die möglichen Kosten hat die Bank bereits Geld zurückgelegt. In welcher Höhe, verrät sie allerdings nicht.

Die Deutsche Bank ist eine von mehr als einem Dutzend Instituten, gegen die wegen mutmaßlicher Libor-Manipulationen ermittelt wird. Die UBS musste im Dezember deswegen mehr als 1,1 Milliarden Euro zahlen. Experten rechnen auch bei anderen Banken mit hohen Strafen. Für eine Verschwörung der Institute untereinander haben Ermittler bisher allerdings keine Beweise vorgelegt

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