Umsatzsteuerbetrug mit Energie:Strafverfolger warnen vor kriminellen Stromhändlern

Kabinett beschließt Strompreisbeihilfen für die Industrie

Strommasten in Oberbayern: Internationale Strafverfolger befürchten Steuerbetrug auf dem Energiemarkt.

(Foto: dpa)

So spektakulär die Razzia bei der Deutschen Bank auch war - die dubiosen Geschäfte mit Emissionszertifikaten könnten erst der Anfang sein. Ermittler fürchten kriminelle Händler auf dem Strommarkt. Hier sollen die Geschäfte für Kontrolleure kaum überprüfbar sein.

Markus Balser, München

Kaum ein Produkt ist so austauschbar wie Strom, könnte man meinen. Die Spannung ist an jeder Steckdose im Land gleich. Und doch wird kaum ein anderes deutsches Produkt so häufig gehandelt - selbst über viele Grenzen hinweg. Schätzungen gehen davon aus, dass jede Kilowattstunde in Deutschland sieben bis achtmal weiterverkauft wird, bevor sie beim Kunden landet. Ein seltsames Geschäft, das offenbar mehr und mehr Kriminelle anzieht. So fürchten es jedenfalls Strafverfolger in Europa.

Das Europäische Polizeiamt Europol in Den Haag schickte am Donnerstag angesichts der Razzia bei der Deutschen Bank rund um den Handel mit Emissionszertifikaten eine eindringliche Warnung nach Deutschland: Denn die Steuer-Betrugswelle könnte aus Sicht der Fahnder auf weitere Märkte überschwappen. Man sehe die große Gefahr, dass kriminelle Steuerbetrüger in Europa nach dem Emissionshandel nun neue Märkte für sich entdeckten, sagte ein Europol-Sprecher der Süddeutschen Zeitung. Es gebe Hinweise auf entsprechende Verlagerungen in den Handel mit Strom und Gas.

Diese Warnung bewerten Experten als brisant. Denn so spektakulär die Razzia bei der Deutschen Bank auch war - die dubiosen Geschäfte mit Emissionszertifikaten könnten erst der Anfang sein. Sollten sich die Betrüger tatsächlich im großen Stil auf dem neuen Gebiet tummeln, wäre der Schaden möglicherweise noch viel größer. Denn während der europäische Emissionshandel ein Volumen von rund 70 Milliarden Euro pro Jahr hat, liegt das Volumen des Marktes für den Strom- und Gashandel bei mehreren Hundert Milliarden Euro.

Erste Erkenntnisse zu Betrugsfällen

Deutsche Behörden bestätigen die Gefahrenlage. "Wir haben die Vermutung, dass der Stromhandel zum Betätigungsfeld für Umsatzsteuer-Betrüger wird", sagt Norbert Haag, Referatsleiter Umsatzsteuerbekämpfung beim Bundeszentralamt für Steuern in Bonn. Der Behörde lägen erste Erkenntnisse zu Betrugsfällen in diesem Segment vor, allerdings bislang noch nicht im befürchteten großen Ausmaß. "Wir können aber nicht ausschließen, dass das dicke Ende bis 2013 noch kommt", sagt Haag.

Die meisten europäischen Staaten, auch Deutschland, haben den Steuerbetrug im Emissionshandel inzwischen unmöglich gemacht und Schlupflöcher in den Gesetzen geschlossen. Nach Einschätzung von Experten liegt es jedoch nahe, dass Betrüger ihre Masche nun verlagern. Diesen Verdacht hatten auch Abhöraktionen von Fahndern in Großbritannien erhärtet. Verdächtige Händler von Emissionszertifikaten sollen entsprechende Verlagerungen geplant haben, heißt es in deutschen Ermittlungskreisen.

Beide Märkte sind international und mit dem Verkauf sind in der Regel keine physischen Lieferungen verbunden. Es geht um die Handelsbilanzen der beteiligten Unternehmen. Im Vergleich zum Emissionshandel habe der Umsatzsteuerbetrug mit Energie sogar einen großen Vorteil, so Haag: Denn während der Handel mit Zertifikaten von Behörden gut dokumentiert und leicht nachvollziehbar sei, seien Geschäfte auf dem Strommarkt für Kontrolleure kaum überprüfbar. Der Nachweis von Kettengeschäften sei so gut wie unmöglich.

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