Umbau zum reinen Online-Händler:Neckermann will jede zweite Stelle streichen

Dramatischer Stellenabbau: Der Versandhändler Neckermann will mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze streichen. Knapp 1400 Jobs fallen weg, hauptsächlich am Stammsitz in Frankfurt am Main. Neckermann wird künftig keine Kataloge mehr drucken und will ein reiner Online-Händler werden.

Der Versandhändler Neckermann will rund 1400 Arbeitsplätze streichen. Das wäre mehr als die Hälfte der Belegschaft in Deutschland. Betroffen sei vor allem der Stammsitz Frankfurt am Main, sagte Wolfgang Thurner von der Gewerkschaft Verdi. Demnach sollen in der Logistik etwa 800 und in der Verwaltung 600 Stellen wegfallen.

Hochbetrieb bei Neckermann

Eine Mitarbeiterin in der Packerei in der Zentrale von Neckermann.de in Frankfurt am Main (Archivbild). Nach den Plänen des Versandhändlers sollen alleine im Bereich Logistik rund 800 Arbeitsplätze wegfallen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Neckermann bezeichnete den Stellenabbau in einer Pressemitteilung als "unverzichtbar". Das Unternehmen begründete die Entlassung mit einem anstehenden Konzernumbau. "Das ist eine soziale Katastrophe, ein Kahlschlag", erklärte Thurner. Es sei noch offen, wie der Stellenabbau sozial abgefedert werden könne.

Die Bereiche Einkauf und Logistik sind nach Unternehmensangaben am meisten betroffen. "Das Eigentextilsortiment von neckermann.de ist in seiner bestehenden Form nicht wettbewerbsfähig. Deshalb wird dieses Teil-Sortiment eingestellt. Die damit befassten rund 140 Arbeitsplätze werden abgebaut", heißt es in der Pressemitteilung.

Außerdem werde die damit verbundene Logistik am Standort Frankfurt abgebaut - davon seien weitere 800 Arbeitsplätze betroffen. Einer "Verschlankung der Organisation" fallen fast 400 Arbeitsplätze zum Opfer, weitere Stellen sollen in der "Infrastruktur für die Entwicklung der Werbemittel" wegfallen.

Eigentümer von Neckermann begrüßen die Entlassungen

Der US-Investor Sun Capital, dem Neckermann seit Oktober 2010 gehört, zeigte sich in der Mitteilung zufrieden mit der geplanten Umstrukturierung: "Neckermann.de ist auf gutem Weg, ein reiner Online-Händler zu werden." Er übernahm Anfang 2008 zunächst 51 Prozent von Neckermann vom damaligen Eigentümer, der Arcandor AG, ehemals KarstadtQuelle. Mit der Pleite des Arcandor-Konzerns wurde Sun Capital zum alleinigen Eigentümer von Neckermann.

Schon seit Mitte der 90er Jahre hatte sich das Versandhaus zunehmend auf das Online-Geschäft ausgerichtet, weil immer weniger Menschen über den klassischen Katalog bestellten. Als eines der ersten Versandhäuser in Deutschland startete das Unternehmen 1995 sein Onlinegeschäft. Fast 90 Prozent seiner neuen Kunden gewinnt Neckermann nach eigenen Angaben inzwischen über das Internet.

Laut dem Unternehmen umfasst das Sortiment 700.000 Artikel aus den Bereichen Mode, Technik und Wohnen. Anfang 2006 sollte die Umbenennung in die neckermann.de GmbH die konsequente Ausrichtung auf den Internethandel unterstreichen, im August des Jahres ging der erste rein elektronische Katalog online. Kurz darauf verzeichnete Neckermann zum ersten Mal mehr Umsatz über das Internet als über die klassischen Bestellwege.

Neckermann zog daraus die Konsequenzen und stellte die Produktion des dicken Hauptkatalogs ein. Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger hatte sich von dem Wälzer einst zu einer Versandhauskatalog-Rezension inspirieren lassen. In der Zeit erschien 1960 sein Aufsatz mit dem Titel "Unsere kleinbürgerliche Hölle", in dem Enzensberger das Neckermann-Angebot bespricht.

Mit der angekündigten Umstrukturierung soll nun die vollständige Umstellung auf das Online-Geschäft vollzogen werden. "Nach dem Hauptkatalog werden künftig auch alle sortimentsübergreifenden Kataloge eingestellt", schreibt Neckermann. Die Kundenansprache erfolge in Zukunft mit klarem Online-Fokus.

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