·:Umbau in Gütersloh Bertelsmann steigt endgültig aus dem Musikgeschäft aus

Das Büro des Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann liegt im zweiten Stock der Zentrale in Gütersloh. Der Blick geht hinaus auf einen großen Teich und die gegenüberliegende Bertelsmann-Stiftung. Hartmut Ostrowski, 50, hat dieses Büro Anfang diesen Jahres von Gunter Thielen übernommen, verändert hat er an der Einrichtung nur wenig. Dafür verändert er den Konzern - radikaler und schneller, als es in den vergangenen Jahren in Gütersloh üblich war.

An diesem Dienstag nun verkündete Bertelsmann-Chef Ostrowski den Ausstieg aus dem Musikgeschäft. Der japanische Konzern Sony wird die übrigen 50 Prozent an der Gemeinschaftsfirma Sony BMG übernehmen und in Sony Music Entertainment umbenennen. Die Transaktion soll ein Volumen von etwa 1,5 Milliarden Dollar haben, heißt es. Nach SZ-Informationen erhält Bertelsmann einen Kaufpreis von 1,2 Milliarden Dollar (800 Millionen Euro) in cash, zudem würden sich Steuervorteile in den USA ergeben. Außerdem übernehme Sony Pensionsverpflichtungen für die Mitarbeiter. Bertelsmann hat zudem mit der neuen Firma Sony Music Entertainment langfristige Verträge geschlossen. So wird der Dienstleistungsbereich Arvato weitere sechs Jahre lang die Produktion und Distribution von CDs für Sony übernehmen. Sony BMG ist derzeit einer der wichtigsten Kunden von Arvato.

Sony BMG ist eine der größten Musikfirmen der Welt, der Umsatz lag 2007 mit 2800 Mitarbeitern bei drei Milliarden Euro. Stars wie Bruce Springsteen, Leona Lewis, Justin Timberlake, AC/DC, Céline Dion oder Alicia Keys stehen hier unter Vertrag. Dazu gehören auch Plattenfirmen wie Arista, RCA und Columbia. Chef der Firma, die ihren Sitz in New York hat, ist derzeit der frühere Bertelsmann-Manager Rolf Schmidt-Holtz. Der Verkauf ist eine strategische Weichenstellung. Denn Bertelsmann zieht sich damit endgültig aus der Musikbranche zurück. Das Geschäft war einst einer der großen Eckpfeiler des Konzerns, die Stars schmückten den weltweit agierenden Medienkonzerns. Hoffnungen lagen lange auf möglichen großen Synergien mit anderen Konzernbereichen, etwa mit der RTL-Gruppe oder dem Dienstleister Arvato.

Doch der Anfang vom Ende begann bereits 2004. Damals gründeten Bertelsmann und Sony das 50:50-Gemeinschaftsunternehmen. Eigentlich hatten die Partner damals vereinbart, mindestens fünf Jahren zusammen zu bleiben, also bis August 2009. Doch schon lange gibt es immer wieder Spekulationen, dass Bertelsmann aussteigen wird. Jetzt kam die Vollzugsmeldung. Seit Monaten verhandelten die Partner. Sony wollte möglichst wenig zahlen, Bertelsmann möglichst viel erlösen. Auf Bertelsmann-Seite führte Finanzvorstand Thomas Rabe die Gespräche.

Das Problem der gesamten Musikbranche ist, dass die CD-Verkäufe seit langem stark rückläufig sind und das Musikgeschäft vor allem im Internet stattfindet. Dort jedoch laden viele Nutzer die Songs runter, ohne zu zahlen. Bertelsmann will nun die Marke BMG weiter führen und hat sich auch ausgesuchte Katalogrechte gesichert. Künftig sollen aber vor allem Dienstleistungen für Künstler angeboten werden, heißt es. Damit expandiert Ostrowski, früher Chef von Arvato, weiter ins Servicegeschäft.

CD-Verkäufe gehen zurück

Ostrowski hatte noch vor seinem Amtsantritt im Dezember 2007 auf einer Führungskräftetagung in Berlin das Management auf grundlegende Veränderungen eingestellt. "Es ist eine Unternehmensweisheit, dass man ein Lamm nur in den seltensten Fällen zu einem Löwen machen kann", sagte er damals und sorgte damit für ziemliche Unruhe. Nun hat er zwei der sechs Geschäftsbereiche von Bertelsmann aufgelöst. Neben dem Musikgeschäft wurden auch die Aktivitäten mit Buchclubs in den USA verkauft. In weiteren Ländern will sich der Konzern ebenfalls davon trennen. Lediglich in Deutschland und einigen großen europäischen Märkten soll das Clubgeschäft bleiben, das einst die Keimzelle für den Bertelsmann-Konzern war.

"Die Entscheidung folgt unserer neuen Wachstumsstrategie", sagte Ostrowski am Dienstag. Der Erlös aus dem Sony-BMG-Verkauf könnte nun investiert werden, heißt es dazu in Konzernkreisen. Konkrete Projekte gibt es offenbar noch nicht, aber nach wie vor hat Bertelsmann vor allem den Bereich Bildung im Visier. Die ganz großen Summen stehen für Investitionen allerdings nicht zur Verfügung, da Bertelsmann nicht börsennotiert ist und unter einer nach wie vor hohen Verschuldung leidet.

Aber die Erfahrung sagt auch, dass das Aufräumen meist einfacher ist als neue Werte zu schaffen. So dürfte es nach wie vor das Hauptproblem von Ostrowski sein, schnell für neues Wachstum zu sorgen. CASPAR BUSSE

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