Übernahmegerüchte:Lust auf Sekt

Übernahmegerüchte: Im Februar 2015 besuchte das spanische Königspaar Felipe und Letizia das katalanische Unternehmen. Die Führung übernahm Aufsichtsratschef José Luis Bonet.

Im Februar 2015 besuchte das spanische Königspaar Felipe und Letizia das katalanische Unternehmen. Die Führung übernahm Aufsichtsratschef José Luis Bonet.

(Foto: Josep Lago/AFP)

Die spanische Firma Freixenet ist hochverschuldet und leidet unter der Wirtschaftskrise. Sie braucht dringend Geld - jetzt zeigt der deutsche Oetker-Konzern Interesse für das Traditionsunternehmen.

Von Thomas Urban, Madrid

Zwei der drei Eigentümerfamilien wollen verkaufen, ausgerechnet an die Deutschen, die dritte Familie aber will davon nichts wissen. So stellt sich laut der spanischen Wirtschaftspresse die Lage beim katalanischen Schaumweinhersteller Freixenet dar. Der deutsche Interessent ist der Bielefelder Lebensmittelkonzern Oetker über deren Wiesbadener Tochter Henkell & Co. Sie ist mit Marken wie Söhnlein Brillant, Deinhard und Kupferberg bislang vor allem im unteren Preissegment im deutschsprachigen Raum vertreten. Der Cava, wie der spanische Schaumwein heißt, wäre eine gute Ergänzung. Ein Sprecher von Henkell bestätigte lediglich, dass derzeit "Sondierungsgespräche über eine mögliche Zusammenarbeit" stattfänden.

Die spanische Familienfirma ist stark verschuldet und braucht dringend Kapital, falls sie nicht verkaufen will oder kann. Ein ganzes Bündel von Ursachen wurde für die Probleme von Freixenet ausgemacht, von inkompetenten Geschäftsführern aus dem Kreis der Familie über die große Wirtschaftskrise Spaniens bis hin zu innenpolitischen Verwerfungen wegen der Catalanistas, den Verfechtern einer staatlichen Unabhängigkeit der Region am Mittelmeer.

Vor 155 Jahren nahm die Geschichte der Firma aus dem Städtchen Sant Sadurní d'Anoia rund 50 Kilometer westlich von Barcelona ihren Anfang: 1861 beschlossen zwei bislang miteinander konkurrierende Winzerfamilien, ihre Kinder zu verheiraten. Die Firma wurde nach einem der Familiensitze benannt, der sich in einem Eschenhain befand - Esche heißt auf Katalanisch freixe. Das Ehepaar bekam vier Kinder, einen Sohn und drei Töchter. Sie erbten die Firma, aber nicht zu gleichen Teilen: Der Sohn bekam mehr. Als dann eine der Töchter vor drei Jahren kinderlos starb, übernahmen die Geschwister deren Anteile. Nun halten die Familien Hevia und Bonet je 29 Prozent, die Familie Ferrer, die auch den Vorstandsvorsitzenden stellt, dagegen 42 Prozent. Dieser, Pedro Ferrer, pocht auf sein Vorkaufsrecht.

Freixenet sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen, auch für positive: Alle Jahre wieder im Advent warten die spanischen Zuschauer auf die Weihnachtsreklame von Freixenet. Stets präsentierten internationale große Stars in Werbefilmen das prickelnde Getränk: Liza Minelli, Raquel Welch, Kim Basinger, Penélope Cruz, Placido Domingo, Shakira. Im vergangenen Jahr hatte sich die PR-Abteilung etwas Besonderes einfallen lassen: Die erfolgreichen, im ganzen Land beliebten Mädchen von der Sportgymnastik-Nationalmannschaft tanzten in glitzernd goldenen Leibchen.

Doch jenseits der Weihnachtszeit gab es durchweg negative Schlagzeilen. Die großen Probleme begannen vor einem Dutzend Jahren. In Barcelona forderte die Regionalregierung mehr Autonomierechte gegenüber Madrid. Die damalige sozialistische Zentralregierung gewährte diese auch. Doch konservative Gruppierungen in ganz Spanien waren darüber erbost, sie riefen zum Boykott katalanischer Produkte auf. Als eine der bekanntesten katalanischen Marken war Freixenet besonders davon betroffen, schon im ersten Jahr nach dem Aufruf ging der Absatz in Spanien um fast sieben Prozent zurück.

So beeilte sich der Aufsichtsratsvorsitzende José Luis Bonet, eine politische Erklärung abzugeben: Er sei für die Einheit Spaniens. Auch setzte er seinen Namen unter Erklärungen von Wirtschaftsverbänden, die den Sezessionisten vorwarfen, den Wohlstand der Region zu gefährden. Damit aber verschaffte er sich nur Ärger im Stammland, wo die Wähler gespalten sind. Galt bei der Mehrheit der Spanier Freixenet als typisch katalanisch, bezeichneten nun die radikalen Verfechter der Loslösung von Madrid die Sprüche Bonets als "unkatalanisch". Die beiden anderen Familienzweige warfen ihm nicht ohne Grund vor, anstatt sich aus dem politischen Streit herauszuhalten, mit unbedachten Äußerungen der Firma geschadet zu haben.

Hinzu kam ein Dauerstreit mit dem einheimischen Konkurrenten Codorníu, der in der Presse streuen ließ, Freixenet nehme es mit der aufwendigen Flaschengärung nicht so genau, sondern setze überwiegend auf industrielle Herstellung. Hinzu kam das Platzen der großen Immobilienblase vor acht Jahren, die Millionen Spaniern das Feiern verleidet hat. Die Geschäftsführung machte noch mehr Fehler. So wurden in Deutschland, dem wichtigsten Auslandsmarkt, die Preise über Gebühr angehoben, so dass ein Teil der Käufer, denen vor allem das exotische Flair der Marke zugesagt hatte, abgeschreckt wurde. Der Umsatz bei den deutschen Konsumenten brach um ein Fünftel ein.

In den nächsten Jahren müssen 150 Millionen Euro an Krediten bedient werden

So kam es, dass die Gewinne für die drei Familien immer weiter fielen. Im vergangenen Jahr lag der Nettogewinn bei mageren 2,2 Millionen Euro; gleichzeitig aber wuchs die Gesamtsumme der Kredite, die in den kommenden Jahren bedient werden müssen, auf 150 Millionen an. Die Madrider Tageszeitung El País will in Erfahrung gebracht haben, dass Vorstandschef Pedro Ferrer nun noch einmal 120 Millionen Euro zusammenbringen möchte, um den beiden anderen Familien so viele Anteile abzukaufen, dass er allein die Kontrolle über die Firma ausüben kann. Die Chancen dafür werden als nicht allzu hoch eingeschätzt. Daher schließen manche Kommentatoren nicht aus, dass er durch eine scheinbare Weigerung, mit Oetker auch nur zu reden, nur die Preise nach oben treiben möchte.

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