Uber:Mit Vollgas aufs Minenfeld

Photo illustration of logo of car-sharing service app Uber on a smartphone over a reserved lane for taxis in a street in Madrid

Hallo, Taxi! Vielerorts lassen sich Fahrdienste wie hier via Uber bereits per App ordern.

(Foto: Sergio Perez/Reuters)

Der umstrittene Fahrdienst Uber erhält 3,5 Milliarden Dollar von einem saudi-arabischen Staatsfonds. Der Deal hat auch eine politische Komponente - sie reicht zurück bis zum 11. September 2001.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Man kann nicht sagen, dass Travis Kalanick Ärger mit der Politik bisher aus dem Weg gegangen wäre - im Gegenteil: Die Streitereien des kalifornischen Unternehmers mit Bürgermeistern, Ministern, ja Staatspräsidenten sind längst fester Bestandteil jener Begleitmusik, die den Aufstieg des Taxivermittlers Uber vom kleinen Start-up in San Francisco zum größten Fahrdienstanbieter der Welt seit Jahren untermalt. Ein frecher kleiner Verstoß gegen die örtlichen Beförderungsbestimmungen, ein einhelliger Aufschrei der politischen Prominenz - und schon hat sich Uber in einem neuen Markt einen Namen gemacht. So läuft das bereits seit 2009.

Nun allerdings hat Firmengründer Kalanick die Lokalpolitik hinter sich gelassen und sich auf das weite Feld der Weltpolitik vorgewagt - und es ist zumindest auf den ersten Blick nicht ganz klar, ob der 39-Jährige weiß, welches Minenfeld er da betreten hat. Mit 3,5 Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Euro) wird sich der saudi-arabische Staatsfonds PIF an Uber beteiligen, der Einstieg soll der Beginn einer strategischen Partnerschaft und Teil jener "Vision 2030" sein, mit der das Königshaus in Riad sich unabhängiger von Einnahmen aus dem Ölgeschäft machen will. Auch die wirtschaftlichen Vorteile für Kalanick liegen auf der Hand, denn die Regionalmacht am Golf ist für ihn einer der wichtigsten Wachstumsmärkte überhaupt.

Präsident Obama will Saudi-Arabien nicht als Partner in der Golfregion verlieren

Neben diesen eher ökonomischen Überlegungen hat das Geschäft jedoch auch eine wichtige politische Komponente, denn die Regierung in Riad liegt derzeit mit dem US-Kongress über Kreuz. Grund ist ein Gesetzesvorschlag des Senats, der es den Angehörigen der Terroropfer vom 11. September 2001 erstmals erlauben würde, Mitglieder der königlichen Familie sowie saudische Banken und Stiftungen als mutmaßliche Unterstützer der Attentäter vor US-Gerichten zu verklagen. Der mittlerweile getötete Drahtzieher der Anschläge, Osama bin Laden, stammte ursprünglich aus Saudi-Arabien, und es gibt bis heute Spekulationen, dass er Helfershelfer aus der Politik hatte. Bislang genießen ausländische Staaten eine Art Immunität gegen eine Strafverfolgung in den USA. Präsident Barack Obama, für den Saudi-Arabien immer noch ein wichtiger strategischer Partner in der Golfregion ist, arbeitet hinter den Kulissen daran, dass das auch so bleibt.

Die Saudis haben bereits damit gedroht, dass sie sämtliche Investitionen aus den USA abziehen würden, sollte die Senatsvorlage wirklich Gesetz werden. Tatsächlich will Riad diesen Schritt aber möglichst vermeiden, denn der Abzug von Hunderten Milliarden Dollar würde nicht nur in Amerika Kratzer hinterlassen, sondern auch die eigene Diversifizierungsstrategie unterlaufen. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass das Königshaus mit Hilfe seiner Öl-Milliarden derzeit gezielt Verbündete und Fürsprecher in den USA akquiriert, die es im Notfall in Marsch setzen kann, um die Abgeordneten von ihren Plänen möglichst abzubringen. Erst jüngst hatte Saudi-Arabien auch eine Kooperation mit dem US-Industrieriesen General Electric vereinbart.

Von all diesen Dingen ist in der Mitteilung, die Uber am Mittwochabend verschickte, naturgemäß keine Rede. Stattdessen streichen beide Seiten die wirtschaftlichen Vorteile der Vereinbarung heraus. Von einem "Vertrauensbeweis in unser Geschäft" spricht Firmenchef Kalanick, der sich nach eigenem Bekunden zudem darauf freut, das Königshaus "bei der Umsetzung wirtschaftlicher und sozialer Reformen zu unterstützen". Auch Yasir Al Rumayyan, der geschäftsführende Direktor des Staatsfonds, gibt sich euphorisch: "Wir haben selbst gesehen, wie dieses Unternehmen die innerstädtische Mobilität auf der ganzen Welt verbessert hat, und wir freuen uns darauf, an diesem Fortschritt teilzuhaben", erklärte er. Al Rumayyan wird auch einen Sitz im Uber-Aufsichtsrat erhalten.

Der Staatsfonds ist auf der Suche nach attraktiven Anlagemöglichkeiten im In- und Ausland, um die Abhängigkeit Saudi-Arabiens vom Ölgeschäft schrittweise zu verringern. Derzeit verwaltet der Fonds, der sich auch schon bei Unternehmen in Südkorea, Russland und andernorts eingekauft hat, ein Vermögen von rund 200 Milliarden Dollar. Nach dem geplanten Börsengang des staatlichen Öl-Riesen Aramco soll sich die Anlagesumme noch einmal vervielfachen.

Für Uber ist die 3,5-Milliarden-Dollar-Spritze die größte einzelne Kapitalinjektion, die das Unternehmen in seiner jungen Geschichte je erhalten hat. Insgesamt brachte die jüngste Finanzierungsrunde fünf Milliarden Dollar ein. Die Firma, über deren Smartphone-App Kunden einen zumeist recht komfortablen Wagen mit Fahrer bestellen können, verfügt damit über Reserven in Höhe von elf Milliarden Dollar. An ihrer Bewertung von knapp 63 Milliarden Dollar hat sich durch den Kapitalzufluss nichts geändert. Uber ist und bleibt damit das wertvollste nicht börsennotierte Unternehmen im gesamten Silicon Valley.

In China und Indien hat das Unternehmen aus San Francisco starke Konkurrenten

Kalanick benötigt das Geld, um seine aggressive Expansionsstrategie, insbesondere in Asien und Nordafrika, fortsetzen zu können. Uber ist mittlerweile in neun Staaten der Region vertreten, auch südlich der Sahara sind es bereits drei Länder. Am Donnerstag gab das Unternehmen bekannt, dass es seine Dienstleistungen ab sofort auch im mittelafrikanischen Uganda anbieten will. Ghana und Tansania sollen folgen.

Am schwierigsten - und damit auch am teuersten - ist jedoch die Expansion in China und Indien, wo sich Uber mit Didi und Ola jeweils starken nationalen Konkurrenten gegenübersieht. Didi-Präsident Jean Liu hat jüngst bereits angekündigt, dass er seinerseits mehr als 3,5 Milliarden Dollar von Wagniskapitalgebern und strategischen Investoren einsammeln will. Darunter sollen auch große amerikanische Firmen sein. Liu zufolge wird sich allein Apple mit einer Milliarde Dollar beteiligen. Umgekehrt hatte Lyft, Ubers größter Konkurrent auf dem Heimatmarkt USA, jüngst 100 Millionen Dollar vom saudischen Milliardär Prinz Alwaleed Bin Talal erhalten.

Uber ist in Saudi-Arabien vor allem bei Frauen beliebt, weil diese in dem streng muslimischen Land nicht selbst Auto fahren dürfen. Nach Angaben des Fahrdienstvermittlers sind 80 Prozent der dortigen Kundschaft weiblich. Eine Uber-Sprecherin betonte, ihr Unternehmen trete selbstverständlich für das Recht von Frauen ein, selbst ein Auto zu steuern. Solange es aber noch nicht so weit sei, sei man "unglaublich stolz" darauf, den Frauen des Landes ein Maß an Mobilität ermöglichen zu können, "das es so noch nie gegeben hat".

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