Uber:Kräftig abgekühlt

Uber livery car in New York An Uber livery travels through Midtown Manhattan in New York on Tueday

Ein Wagen im Auftrag von Uber fährt durch Manhattan. Noch braucht es dafür Menschen.

(Foto: Levine-Roberts/imago)

Bald dürfte sich entscheiden, ob der Fahrdienstvermittler Uber wirklich das große Geschäft macht.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Im Vorspann zur erfolgreichen Fernsehserie "Silicon Valley" balgen sich zwei Heißluftballons um die Lufthoheit über dem Techniktal. In der ersten Staffel dominiert der mit dem Logo des Fahrdienstvermittlers Uber, vier Spielzeiten später ist der von Konkurrent Lyft ähnlich groß und im Hintergrund schwebt der des chinesischen Unternehmens Didi Chuxing einfach davon. Was noch witziger wäre als dieses ohnehin schon grandiose Intro: eine Nahaufnahme des Uber-Ballons, in dem Gründer Travis Kalanick erst zahlreiche Löcher zu stopfen versucht, dann Mitarbeiter-Ballast aus dem Korb wirft und schließlich Bargeld in den Brenner schaufelt.

Es wäre eine gewaltige Untertreibung, wenn man behaupten würde, dass Uber bislang kein besonders gutes Jahr hingelegt hat - so als würde man sagen, dass 1860 München keine besonders gute Saison gespielt hat. Zuerst ermittelte das Justizministerium wegen der Software Greyball, die Nutzer ausspionierte und Beamte in die Irre führte, dann reichte die Alphabet-Tochter Waymo Klage wegen des vermeintlichen Diebstahls vertraulicher Dokumente ein. Es gab Ärger wegen der offenbar ziemlich frauenfeindlichen Unternehmenskultur, falschen Abrechnungen für Fahrer und wegen des teilweise verstörenden Verhaltens von Kalanick.

Ja, 708 Millionen sind ein hoher Verlust - aber inzwischen ist Uber auch 69 Milliarden wert

Den Quartalsverlust von 708 Millionen Dollar feiert das Unternehmen nun als Erfolg, weil das Minus nicht ganz so hoch ist wie im Vierteljahr davor (991 Millionen) und die Barreserven (7,2 Milliarden) aufgrund einiger lukrativer Finanzierungsrunden noch immer ausreichen, um den Heißluftballon sicher in der Schwebe zu halten. "Das Ergebnis verdeutlicht, dass unser Unternehmen gesund und unverwüstlich ist", heißt es in einem Statement. Und: "Das Eindämmen der Verluste bringt uns auf einen guten Weg zur Rentabilität."

Ach ja, all dies ist in dieser Woche auch noch passiert: Finanzchef Gautam Gupta ist von Uber zu einem Start-up gewechselt, der umstrittene Ostküsten-Chef Josh Mohrer (er soll über den Uber-Algorithmus einen Journalisten ausspioniert haben) zur Venture-Capital-Firma Tusk Ventures. Anthony Levandowski, Chef der Sparte für selbstfahrende Autos, ist wegen möglichen Technologie-Diebstahls gefeuert worden. Insgesamt haben in diesem Jahr bereits zehn hochrangige Manager das Unternehmen verlassen. Kalanick wirkt gerade wie der Steuermann eines Heißluftballons, der den gewünschten Landeplatz zwar kennt und dennoch flucht, weil die Winde einfach ungünstig wehen - und er auch nicht gerade als umsichtiger Kapitän gilt.

Das langfristige Ziel von Uber ist freilich bekannt: Das Unternehmen will eine Flotte selbstfahrender Autos einführen, den Transport des Menschen nachhaltig revolutionieren und damit sehr viel Geld verdienen. Um die dafür notwendigen Investitionen stemmen zu können, braucht das Unternehmen jedoch einerseits hochtalentierte Mitarbeiter, vor allem aber dringend Umsätze in der Gegenwart und damit weiterhin Fahrer aus Fleisch und Blut und einen der Konkurrenz deutlich überlegenen Algorithmus.

Die Variante "Uber-Pool" etwa, bei der ein Fahrer mehrere Gäste auf einer ähnlichen Route mitnehmen kann, war jedoch lange Zeit derart desaströs, dass ein ehemaliger Mitarbeiter dem Nachrichtenportal Buzzfeed jüngst sagte: "Das war ein richtig beschissenes Produkt, das wir da auf den Markt gebracht haben." Interne Dokumente, die Buzzfeed zugespielt worden sind, weisen darauf hin, dass Uber bisweilen mehr als eine Million Dollar pro Woche investiert hat, um allein in San Francisco gegen Lyft zu bestehen. "Wir haben Geld verbrannt und hatten keine langfristige Strategie", sagte der ehemalige Mitarbeiter: "Wir haben versucht, eine klaffende Wunde mit einem Pflaster zu verarzten."

Der Erfolg der Pool-Variante - die vor allem bei selbstfahrenden Autos äußerst rentabel wäre - gilt als ebenso signifikant für die Zukunftsaussichten wie der Ausgang des Gerichtsverfahrens, das die Alphabet-Tochter Waymo angestrengt hat und das auch durch die Entlassung von Levandowski nicht unbedingt rosiger aussieht. Uber schickt bereits testweise Autos ohne Fahrer auf die Straße, könnte jedoch per einstweiliger Verfügung gestoppt werden. Das Unternehmen muss beweisen, dass die Technik für die selbstfahrenden Autos nicht auf den Erfindungen von Waymo basiert. Gelingt das nicht, dürfte Uber bei seinem ehrgeizigen Projekt weit hinter Konkurrenten wie Lyft, Alphabet oder Apple zurückfallen. Und das sind keine Start-ups, sondern Silicon-Valley-Platzhirsche.

"Uber war mal das heißeste Unternehmen der Welt, in den vergangenen Monaten ist es jedoch merklich abgekühlt", sagt Evan Rawley, Wirtschaftsprofessor an der Columbia University: "Es ist nicht mehr der attraktivste Arbeitgeber für einen Hochbegabten, der bereits einen ordentlichen Job hat. Genau solche Leute aber braucht Uber jetzt dringend." Kalanick muss die zahlreichen Probleme lösen und das Unternehmen als eines präsentieren, zu dem kluge Köpfe wechseln und in das Geldgeber investieren wollen.

Kalanick gilt als rücksichtsloser Firmenchef, der neuen Mitarbeitern ein Blatt mit 14 Grundsätzen zur Unterschrift vorlegt. Einer davon: "Always be hustlin'." Man kann "hustling" mit "ranhalten" und "Dinge vorantreiben" übersetzen, aber auch mit "abzocken" oder "auf den Strich gehen". Sein wahnwitziger Ehrgeiz, so heißt es, sei sowohl Kalanicks größte Schwäche als auch seine größte Stärke.

Dem Quartalsverlust von 708 Millionen Dollar steht dann eben auch ein Umsatzwachstum um 18 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar gegenüber. Nach zahlreichen Finanzierungsrunden wird Uber bereits mit 69 Milliarden Dollar bewertet, ein Börsengang soll womöglich noch für dieses Jahr geplant sein. Kalanick hat gerade Raquel Urtasun zu Uber gelockt, die als Superhirn im Bereich der künstlichen Intelligenz für Fahrzeuge gilt. Das sind doch bedeutsame Erfolge.

Kalanick müht sich redlich, den Heißluftballon wieder in die Höhe zu bringen. Einfach wird das nicht. Es würde nicht verwundern, wenn in der nächsten Staffel von "Silicon Valley" der Vorspann aufsteigende Ballons aus den Firmenzentralen von Alphabet und Apple, ein kräftiges Lyft-Gefährt und einen wilden chinesischen Konkurrenten zeigen würde. Die Größe und die Stabilität des Uber-Luftfahrzeugs wird sich erst noch zeigen.

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