Uber-Jobs:"Mehr Mythos als Wirklichkeit"

Es gibt weniger Uber-Fahrer als gedacht: Die viel geschmähte Gig Economy, in der vermeintliche Freiberufler pro Einsatz bezahlt werden, spielt gesamtwirtschaftlich gesehen kaum eine Rolle.

Von Claus Hulverscheidt

Selbständige Zimmermädchen, die pro gereinigtem Raum bezahlt werden, Taxifahrer, die sich als Tagelöhner verdingen, Handwerker, die heute als Subunternehmer angeheuert werden und morgen ohne jeden Lohn da stehen: Die sogenannte Gig Economy, in der die Menschen keine festangestellten Arbeitnehmer mit sozialer Sicherung und festem Verdienst mehr sind, sondern als vermeintlich selbständige Freiberufler von App-Betreibern wie dem Taxidienst Uber pro Auftritt ("Gig") bezahlt werden, erfasst immer mehr Bereiche und höhlt klassische Beschäftigungsverhältnisse zunehmend aus.

Oder vielleicht doch nicht? Eine Studie der US-Notenbank Fed kommt jetzt zum Schluss, dass die Gig Economy gemessen an der Gesamtwirtschaft kaum eine Rolle spielt. Zwar gaben drei von zehn Amerikanern an, dass sie im Monat vor der Umfrage Erfahrungen mit solchen Jobs gemacht haben. Aber nur fünf Prozent der Anbieter erwirtschaften mit Gigs mehr als die Hälfte des Familieneinkommens. Die übergroße Mehrheit betrachtet die Arbeit als Freiberufler lediglich als netten Zuverdienst, als Hobby oder als Hilfeleistung für Familienangehörige. Der typische Anbieter arbeitet laut Fed gerade einmal fünf Stunden pro Monat im Gig-Job, in mehr als drei von vier Fällen macht der Verdienst keine zehn Prozent des Gesamteinkommens aus. "Die Gig Economy", sagt auch Torsten Sløk, Weltwirtschaftsexperte der Deutschen Bank in New York, "ist mehr Mythos als Wirklichkeit."

Die Fed definiert den Begriff der Gig-Wirtschaft sehr breit und betont zudem, dass das Phänomen mitnichten eine Erfindung des Internetzeitalters sei. Der Untersuchung zufolge arbeitet weniger als die Hälfte der vermeintlichen Freiberufler für einen App-Anbieter - etwa als Taxifahrer, Fahrradkurier, Handwerker, Designer oder Übersetzer. Alle anderen sind in Offline-Jobs tätig: Sie putzen, betreuen Kinder oder verkaufen Gebrauchtwaren auf Flohmärkten oder in Second-Hand-Läden. "Meistens wird die Gig-Arbeit zusätzlich zum Hauptberuf erledigt", schreibt die Notenbank. Immerhin: Obwohl der Zuverdienst fast immer gering ist, sagt fast die Hälfte der Betroffenen, dass das Extra-Geld "einigermaßen wichtig" oder sogar "sehr wichtig" für sie ist.

Deutsche-Bank-Volkswirt Sløk verweist noch auf eine andere Zahl, um die Bedeutung der Gig Economy für die amerikanische Wirtschaft zu verdeutlichen: Demnach gibt es in den USA 833 000 Menschen, die für Uber Taxi fahren. Da die meisten dies aber nur für ein paar Stunden im Monat tun, ergibt sich auf Vollzeitstellen hochgerechnet nur eine Zahl von 100 000 Online-Chauffeuren. Bei einer Gesamtbeschäftigtenzahl von 148 Millionen Menschen liegt der Anteil der Uber-Fahrer damit bei kaum wahrnehmbaren 0,7 Promille. "Warum erfährt die Gig Economy dennoch so viel Beachtung?", fragt Sløk und liefert die Antwort praktischerweise gleich mit: "Vermutlich liegt es daran, dass viele Menschen in Manhattan Taxi-Apps nutzen und fälschlicherweise glauben, dass ihre persönliche Erfahrung repräsentativ für den Rest der Volkswirtschaft ist."

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