Uber:Die Wutprobe

Uber: Stoppt Uber: Bereits im März demonstrierten Taxifahrer in Brüssel gegen den US-Fahrdienst-Anbieter. Am Mittwoch soll es wieder soweit sein.

Stoppt Uber: Bereits im März demonstrierten Taxifahrer in Brüssel gegen den US-Fahrdienst-Anbieter. Am Mittwoch soll es wieder soweit sein.

(Foto: Virginia Mayo/AP)

Taxifahrer aus ganz Europa wollen diese Woche gegen den Fahrdienst Uber demonstrieren. Manche versuchen es mit Selbstausbeutung - in Brüssel sind Taxis schon zum halben Preis unterwegs.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

In Brüssel gibt es einen Spruch, den sich so mancher Taxifahrer auf sein Auto geklebt hat: "Das ist kein illegales Taxi". Dabei erkennt man es eigentlich ganz leicht: schwarzer Lack, gelbe Registriernummer, die Buchstaben "TX" auf dem Kennzeichen, meistens ist es ein Škoda. Wer also am Sonntag in eines dieser Autos stieg, hatte nicht nur einen (hoffentlich) ortskundigen Fahrer am Steuer sitzen, sondern musste auch nur die Hälfte des Fahrpreises zahlen.

Diese selbstausbeuterische Aktion der Brüsseler Taxifahrer ist der Auftakt zu einer großen Demonstration, an der am Mittwoch Kollegen aus ganz Europa teilnehmen sollen. Sie wollen dann den Verkehr in der belgischen Hauptstadt lahmlegen und im Europaviertel ihre Wut loswerden. Ihre Wut gegen Uber, jenen Fahrdienst-Anbieter, den die Taxifahrer für illegal halten - und das nicht nur in Europa.

Egal ob San Francisco, London oder Shanghai - mit Ubers Smartphone-App können Nutzer private Fahrer bestellen, die sie in ihrem eigenen Auto mitnehmen; und das zu einem deutlich günstigeren Preis als ein Taxi. Uber ist weltweit erfolgreich, das Unternehmen wächst und wird mit etwa 50 Milliarden Dollar bewertet. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde sammelte die Firma aus Kalifornien mehr als eine Milliarde Dollar ein, um das Geschäft in China auszubauen.

Die EU-Kommission dringt auf soziale Mindeststandards

Doch so aggressiv die Expansionsstrategie von Uber ist, so leise ist der Chef des Unternehmens geworden. Travis Kalanick hatte sich vor allem als Großmaul einen Namen gemacht, er sagte Sätze wie diesen: "Wir befinden uns im Wahlkampf, und der eine Kandidat ist Uber und der andere ein Arschloch namens Taxi." Mittlerweile beteuert er, dass er das so nicht mehr formulieren würde. Kalanick will nicht mehr provozieren, er will überzeugen. Das wird ihn viel Geld kosten, denn Uber steht immer wieder vor Gericht. Und das weltweit.

Der Fahrdienst-Anbieter wehrt sich auf seine Art und hat bei der EU-Kommission vier Beschwerden eingebracht: eine gegen Deutschland, eine gegen Spanien und zwei gegen Frankreich. Im deutschen Fall nimmt Uber das Personenbeförderungsgesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ins Visier - und deren Anwendung durch deutsche Gerichte und Behörden. Das Unternehmen sieht sich im Nachteil gegenüber Taxi-Anbietern. "Obwohl wir eine digitale Vermittlungsplattform sind, fallen wir unter Gesetze, die noch aus den 1950er-Jahren stammen", beklagt ein Sprecher. Die Untersuchungen der EU-Kommission laufen noch. Und es kann gut sein, dass die Mitgliedsländer den Umgang mit Uber auf nationaler Ebene klären müssen; zu unterschiedlich sind die jeweiligen Gesetze. In Brüssel heißt es, dass es eine marktfreundliche Regulierung geben müsse, bei der soziale Mindeststandards gelten sollen. Den Weg dorthin will die EU-Kommission ebnen. "Wir arbeiten daran, die Sharing Economy voranzutreiben", sagt ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Neben den wirtschaftlichen Weichenstellungen müssten aber vor allem auch soziale Fragen berücksichtigt werden. Es wird also etwa darum gehen, welche Rechte die Fahrer von Uber haben.

Firmen haben aus der Idee der Sharing Economy ein Geschäft gemacht, das polarisiert

Im Grundsatz stellt sich die Frage, wie eine Gesellschaft mit dem Phänomen der Sharing Economy (Ökonomie des Teilens) umgeht - und dabei vor allem mit Unternehmen, die aus dieser Idee ein Geschäft gemacht haben. Firmen wie Uber oder der Zimmer- und Wohnungsdienst Airbnb vermitteln ihren Kunden über Online-Plattformen eine sofort verfügbare Dienstleistung. Im Fall Uber ist es eine Taxifahrt, bei Airbnb eine Übernachtung. Und damit die Kunden dabei auch ein gutes Gefühl haben, verweisen die Anbieter gerne auf den Begriff der Sharing Economy. Sie sehen sich als Vorreiter einer "Bewegung des Teilens von persönlichen Gegenständen mit anderen Leuten über das Internet". Das Ziel, so heißt es bei Airbnb, sei "die Wandlung zu einer Gesellschaft, die sich nicht länger durch Besitz, sondern durch Zugang definiert".

In Wahrheit haben die Firmen daraus ein Geschäft gemacht, das die Gesellschaft polarisiert. Kein Wunder, dass Eigentümer ihre Wohnung lieber über Airbnb vermieten, denn das bringt oft mehr Geld. Und kein Wunder, dass der Arbeitsvertrag eines Uber-Fahrers nicht den Anforderungen einer deutschen Gewerkschaft entspricht. Es würde zu viel kosten.

Manche Ökonomen sehen das nüchtern und sprechen von Plattform-Kapitalismus, weil die Unternehmen im Internet Plattformen betreiben, auf denen Dienstleistungen gehandelt werden. Wie es aussieht, werden solche Anbieter den Wettbewerb künftig bestimmen. Uber selbst macht keinen Hehl daraus, dass die Firma zur ganzheitlichen Plattform der On-Demand-Economy werden will.

Spätestens dann werden die Behörden Antworten finden müssen auf die Klagen und Proteste der Old Economy, der traditionellen Wirtschaftszweige, die sich von Uber und anderen angegriffen fühlen. Spätestens dann wird man sie dringend brauchen, die Regeln für diese neue Wirtschaftsform. Doch zuerst müssen sich die Unternehmen entwickeln können. Es hilft ja nichts, neue Geschäftsmodelle zu verbieten, obwohl die Nachfrage danach da ist.

Viele Kunden durften sich am Wochenende auch freuen. Haben die Brüsseler Taxifahrer doch mit ihrer Aktion unfreiwillig demonstriert, wie Marktwirtschaft funktioniert: Angesichts des neuen Wettbewerbers senkten sie die Fahrpreise. Uber wiederum startete in Brüssel das Angebot UberX mit einem Mindestpreis von fünf Euro pro Fahrt.

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