Turbulenzen bei Siemens:Cromme contra Pierer

Neben Ex-Konzernchef Kleinfeld soll auch dessen Vorgänger von Pierer bei der Hauptversammlung von Siemens nicht entlastet werden - offenbar auf Betreiben von Aufsichtsratschef Cromme.

Klaus Ott

Lebhaft wird es wohl zugehen beim Treffen der Siemens-Aktionäre am 24. Januar in der Münchner Olympiahalle. Viele Anteilseigner wollen wissen, wer verantwortlich ist für den Schmiergeldskandal, der die größte Krise in der langen, traditionsreichen Geschichte des Technologie-Konzerns ausgelöst hat.

Turbulenzen bei Siemens: "Wer stoppt wen?" lautet die große Frage vor der Siemens-Hauptversammlung.

"Wer stoppt wen?" lautet die große Frage vor der Siemens-Hauptversammlung.

(Foto: Foto: ddp)

Im Vorfeld der Hauptversammlung wird heftig diskutiert, welche früheren Top-Manager dafür einstweilen die Quittung bekommen sollen, indem ihre Entlastung um ein Jahr verschoben wird. Ein solches Votum hätte erst einmal symbolische Wirkung und könnte auf lange Sicht Schadensersatzklagen gegen frühere Führungskräfte erleichtern. Die Schmiergeldaffäre hat Siemens bislang mehr als eine Milliarde Euro gekostet.

Die neueste Idee stammt aus dem Lager der Kapitalvertreter im Aufsichtsrat. Sie lautet, dem ehemaligen Konzernchef Klaus Kleinfeld, seinem Vorgänger Heinrich von Pierer und dem bisherigen Personalvorstand Jürgen Radomski die Entlastung zu verweigern, bis die Affäre aufgeklärt ist. Das besagen Informationen aus dem Umfeld des Kontrollgremiums.

Der Chef des Kontrollgremiums bei Siemens, Gerhard Cromme vom Stahlkonzern ThyssenKrupp, und der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, sind die beiden führenden Figuren im Arbeitgeberlager des Aufsichtsrats. Auch sie sind bei mehreren Aktionärsgruppen in die Kritik geraten; nun wollen sie womöglich die Flucht nach vorne antreten. Immer mehr Anteilseigner verlangen, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten, also auch Cromme und Ackermann nicht.

Die beiden waren im vergangenen Jahr wegen des Skandals um schwarze Kassen und weltweite Korruptionsdelikte erkennbar auf Distanz zum einstigen Siemens-Chef Pierer gegangen. In dessen Amtszeiten als Vorstandsvorsitzender bis Januar 2005 und Aufsichtsratsvorsitzender bis April 2007 fallen die nach und nach enthüllten Machenschaften. Bei der Hauptversammlung steht auch Pierers Entlastung auf der Tagesordnung, da er bis ins vergangene Geschäftsjahr dem Aufsichtsrat angehört hat. Pierer hat stets beteuert, vom System der Schwarzgeldkonten und Schmiergeldzahlungen nichts gewusst zu haben. Doch das nutzt ihm in der aktuellen Diskussion nichts.

Nach Angaben aus dem Umfeld des Aufsichtsrats soll auch Cromme intern dafür plädieren, Pierer, Kleinfeld und Radomski nicht zu bescheinigen, ihre Jobs ordentlich erledigt zu haben, solange die kriminellen Machenschaften nicht vollständig aufgeklärt seien. Radomski war zuständig für die Anti-Korruptionsabteilung, die den Skandal nicht verhindert hat. Cromme geht davon aus, dass er entlastet wird. Er gehört dem Kontrollgremien seit Jahren an und will offenbar vermeiden, mit Pierer, Kleinfeld und anderen in einen Top geworfen zu werden.

"Geschickter Schachzug von Kleinfeld"

Mehrere Organisationen von Kleinaktionären fordern, überhaupt keine aktiven und ehemaligen Vorstände und auch keinen Aufsichtsrat zu entlasten, mit Ausnahme des neuen Konzernchefs Peter Löscher. Auch der einflussreiche US-Aktionärsverband ISS sieht das so.

Die Vertreter der Belegschaft im Kontrollgremium von Siemens diskutieren derweil noch. Aus ihrem Kreise heißt es, es spreche viel dafür, bei allen früheren und jetzigen Vorständen (mit Ausnahme Löschers) sowie bei Pierer als vormaligem Aufsichtsratschef die Entlastung zu vertagen. Für die übrigen Kontrolleure, also auch Cromme, Ackermann und den kompletten Arbeitnehmerflügel, solle das nicht gelten. Der Aufsichtsrat sei getäuscht worden, er sei nicht schuld am Schmiergeldskandal.

Ende dieser Woche will der von IG-Metall-Chef Berthold Huber und Siemens-Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann angeführte Arbeitnehmerflügel mit den Kapitalvertretern beraten. Dann habe Cromme, der auch den Aufsichtrat von Thyssen-Kruppe leitet und sich auf die dortige Hauptversammlung am 18. Januar vorbereitet, dafür Zeit.

Ein paar Tage später, am Montag, 21. Januar, wollen sich Cromme, Ackermann, Huber und Heckmann treffen und abstimmen, mit welchem Votum der Siemens-Aufsichtsrat in das Aktionärstreffen am 24. Januar gehen soll. In der Einladung hat das Kontrollgremium noch vorgeschlagen, alle Vorstände und Aufsichtsräte zu entlasten, doch dabei wird es kaum bleiben.

Argwohn hat der Vorschlag von Kleinfeld ausgelöst, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat komplett zu vertagen. Kleinfeld wolle davon ablenken, dass er seiner besonderen Verantwortung als Konzernchef womöglich nicht gerecht geworden sei, verlautet aus dem Kontrollgremium. "Für ihn wäre es am besten, wenn überhaupt niemand entlastet wird."

Schließlich sei Kleinfeld inzwischen Präsident des Aluminium-Konzerns Alcoa in New York. Und in den USA werde genau registriert, was bei Siemens geschehe. Gleichwohl wird im Aufsichtsrat zugegeben, Kleinfelds Vorstoß sei ein "geschickter Schachzug". Der Diskussion, niemanden zu entlasten, bis alles aufgeklärt sei, könne man sich nicht entziehen.

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