Tuifly:Mitarbeiter lenken ein

Vor wenigen Wochen legten Piloten und Flugbegleiter der Tui-Tochter den Betrieb lahm. Der Grund: der geplante Zusammenschluss mit der Air-Berlin-Tochter Niki zu einer neuen Fluggesellschaft. Jetzt geben sie den Widerstand auf.

Von Jens Flottau, Berlin

Als die Verkaufspläne im Oktober bekannt wurden, war das Chaos binnen Stunden perfekt. Flugbegleiter und Piloten der Ferienfluggesellschaft Tuifly meldeten sich massenhaft und kurzfristig krank, der Flugbetrieb stand tagelang nahezu still. Erst als die Muttergesellschaft, der Reisekonzern Tui, die Entscheidung, die Mehrheit an der Airline abzugeben, vertagte und die Mitarbeiter zu Beratungen einlud, beruhigte sich die Lage.

Einen guten Monat später sieht es so aus, als käme Tui nun doch ans Ziel. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung stehen mittlerweile die Eckdaten der geplanten Transaktion fest und sie werden offenbar auch von den Mitarbeitern weitgehend mitgetragen. Offiziell verkündet werden soll der Start der neuen Airline mit dem Projektnamen "Blue Sky" spätestens Ende des Monats. Tui äußerte sich nicht zu den Informationen.

Demnach werden der Air-Berlin-Großaktionär Ethihad Airways, Tui sowie eine österreichische Stiftung Gesellschafter einer neuen Fluggesellschaft, die aus zwei Teilen besteht: Tuifly sowie die österreichische Tochtergesellschaft von Air Berlin, Niki. An der neuen Holding wird die Stiftung den Informationen zufolge 51 Prozent der Anteile halten, Etihad kommt auf 25 Prozent und Tui auf 24 Prozent. Da wiederum Air-Berlin-Chef Stefan Pichler in Personalunion auch Vorsitzender der Stiftung ist, dürften Kontrolle und ein Großteil des wirtschaftlichen Risikos über Umwege, aber de facto bei Etihad liegen - diese hält schließlich 29,2 NeueProzent der Anteile von Air Berlin und sorgt mit Finanzspritzen seit Jahren für deren Überleben.

"Blue Sky" wurde wegen der desaströsen finanziellen Lage von Air Berlin nötig. Tuifly vermietet seit Jahren 14 Boeing 737-Flugzeuge mitsamt Piloten an Air Berlin, zu hohen Stundensätzen und mit extrem hoher Gewinnmarge. Air Berlin will die Maschinen seit langem loswerden, um die bedrohliche wirtschaftliche Lage nicht noch weiter zu verschlimmern, doch Tui pochte bislang auf geltende Verträge. Nun aber hat der Reisekonzern Sorge, dass Air Berlin die Maschinen eines Tages nicht mehr bezahlen kann - und zog deshalb die Reißleine: Tui gibt das lukrative Arrangement auf, verlangt aber ein weitgehendes Entgegenkommen von Etihad, als Kompensation für den Sanierungsbeitrag bei Air Berlin.

Air Berlin verschafft die Einigung wieder etwas Luft

Dem Vernehmen nach nutzt Tui die Gelegenheit, die Verflechtung mit der bislang konzerneigenen Ferienfluggesellschaft deutlich zu lockern. Offenbar garantiert Tui zwar für zehn Jahre eine fest definierte Zahl von Passagieren, sie soll aber kein Mitspracherecht mehr haben bei den Entscheidungen über Strecken und Flugzeugumläufe. Umgekehrt bedeutet das, dass die neue Airline nur noch eine Grundauslastung durch Tui-Kunden haben wird. Wenn sie aber Geld verdienen will, muss sie andere Veranstalter für sich gewinnen und deutlich stärker ins Einzelplatzgeschäft einsteigen. Ein Risiko in einem Markt, der an starken Überkapazitäten leidet.

"Blue Sky" wird mit 62 Flugzeugen eine vergleichsweise große Fluggesellschaft sein, nach Zahl der Maschinen größer als Condor und fast so groß wie der verbleibende Rest von Air Berlin. Von Air Berlin kommen zusätzlich zu den 14 Miet-Jets auch noch die 21 bei Niki eingesetzten Flugzeuge. Die heutige Tuifly und Niki bleiben dem Vernehmen nach vorerst separate Flugbetriebe, die Verwaltung soll allerdings so weit wie möglich in Hannover konzentriert werden.

Die Tuifly-Mitarbeiter haben sich in den vergangenen Wochen offenbar davon überzeugen lassen, dass sie kurzfristig nicht um ihre Arbeitsplätze und ihre soziale Absicherung fürchten müssen. Die neue Gesellschaft soll den Informationen zufolge auch die bislang aufgelaufenen Pensionsverpflichtungen von Tuifly übernehmen. Und Etihad hat offenbar hinter den Kulissen erfolgreich den Eindruck vermittelt, dass es sich bei dem neuen Konstrukt aus ihrer Sicht nicht (nur) um ein Notprojekt zur Rettung von Air Berlin handelt, sondern auch um eine langfristige Investition. Diese soll sich, so heißt es, auch dadurch rentieren, als Etihad auf mehr Gäste der Tui-Reiseveranstalter auf Langstreckenflügen hoffen darf. So soll der eigentlich unerwünschte Schritt ins europäische Ferienfluggeschäft, der nicht zur bisherigen Etihad-Strategie passte, weniger schmerzhaft werden.

Aus Sicht von Air Berlin drängt die Zeit mehr denn je: Denn die Fluggesellschaft hat auch im nachfragestarken Sommer-Quartal Verluste eingeflogen und geht nun ohne zusätzliche Reserven in die maue Wintersaison.

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