Tui:Gutes Hannover, böses Hannover

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Urlaub auf den Philippinen: Tui sucht auch Kunden aus Asien. (Foto: Sanjit Das/Bloomberg)

Der Chef des Reisekonzerns macht bei Aktionären mit seiner Strategie Stimmung, gleichzeitig wird vor Gericht gestritten. Es geht dort um Reisen, die die Kunden gar nicht oder erst verspätet antreten konnten.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Der Dienstag in Hannover ist ein guter Tag für Tui, hat Fritz Joussen beschlossen. Joussen, 53, ist seit Anfang 2013 der Vorstandschef von Deutschlands größtem Tourismusunternehmen. Nun ist der Tag der Hauptversammlung, und Joussen hat seinen Aktionären viele gute Dinge zu verkünden.

Wenn man das Konzept des Managers in einem Wort zusammenfassen wollte, hieße es: aufräumen. Seit Joussen Tui leitet, versucht er, Geschäftszweige loszuwerden, die aus seiner Sicht vom Kerngeschäft zu weit entfernt sind. Deshalb hält er seit langem Ausschau nach einem Käufer für die Beteiligung von Tui an der Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd. Deshalb verkaufte er im April das Online-Buchungsportal Hotelbeds für 1,2 Milliarden Euro an die Beteiligungsfirma Conven. Und deswegen hat Tui in dieser Woche auch den Verkauf seiner Spezialreisesparte Travelopia eingetütet - 381 Millionen Euro soll der Finanzinvestor KKR dafür zahlen. "Extra für Sie" habe man das noch vor dem Aktionärstreffen gemacht, sagt Joussen zu den Anteilseignern. Das ist natürlich ein bisschen Koketterie, bei den Anlegern kommt Joussens Strategie aber dennoch gut an: Die Aktie wird im Lauf des Tages um mehr als vier Prozent steigen.

Der Dienstag in Hannover ist ein schlechter Tag für Tui, so wünschen sich das zumindest die Urlauber, die beim Amtsgericht Klage eingereicht haben. Es sind Passagiere, die im vergangenen Herbst mit der Tui-Tochter Tuifly reisen wollten und die nun Entschädigung verlangen wegen entgangener oder verminderter Urlaubserholung. Sie sind nicht die einzigen, nur die ersten: allein in Hannover sind viele hundert Zivilverfahren anhängig. Hintergrund sind die zahlreichen Flugausfälle im vergangenen Oktober. Damals blieben fast eine Woche lang die Mehrzahl der Flieger am Boden, weil sich die Mitarbeiter von Tuifly massenweise krankmeldeten. Viele fürchteten um ihre Jobs, nachdem bekannt geworden war, dass Tuifly gemeinsam mit der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki in eine Holding unter Führung von Etihad integriert werden soll.

Als Folge der Flugausfälle konnten viele Urlauber ihre Herbstferien nicht oder nur verspätet antreten. Tui argumentiert, dass es sich bei der plötzlichen Erkrankung des Bordpersonals nicht um Zufall gehandelt habe, sondern um eine Art wilden Streik. Das schließe Ersatzansprüche aus. Tuifly will den Kunden deshalb keine Entschädigungen zahlen, sondern erstattet nur den Reisepreis. Ein Urteil soll an diesem Mittwoch fallen. Schon bislang kosteten die Ausfälle Tuifly 22 Millionen Euro.

Fritz Joussen kann das an diesem Tag nicht die Laune verderben: Er präsentiert den Aktionären in der "Tui-Arena" derweil große Pläne: Demnach will das Unternehmen mit einer Expansion in neue Märkte den Umsatz binnen fünf Jahren um eine Milliarde Euro steigern. In Spanien und Portugal wolle man neue Urlauber gewinnen. In diese Länder bringt das Unternehmen bereits viele Reisende aus Nordeuropa - künftig wolle man die Südeuropäer aber auch als Kunden gewinnen. Gleiches gelte für China und einige Länder in Südostasien, sagt Joussen. Um das Risiko zu minimieren, werde sich der Konzern dabei auf den Verkauf von Reisen über das Internet konzentrieren. Schon viele Unternehmen hätten sich in China "eine blutige Nase geholt", das solle Tui nicht passieren.

Große Hoffnungen setzt Tui außerdem auf das Hotel- und Kreuzfahrtgeschäft. Kaum ein Volk liebe Reisen per Schiff so sehr wie die Deutschen, konstatiert Joussen. Dementsprechend sind die Wachstumsraten: Der Gewinn der Schiffs-Tochter Tui Cruises stieg im vergangenen Jahr um mehr als 60 Prozent. Dieser Trend wirkte sich auch auf die Zahlen im traditionell verlustreichen ersten Quartal aus: Von Oktober bis Dezember stand unter dem Strich ein Verlust von knapp 118 Millionen Euro und damit ein Drittel weniger als ein Jahr zuvor. Der Umsatz zog auf vergleichbarer Basis um gut zwei Prozent auf 3,3 Milliarden Euro an. Reiseveranstalter schreiben im Winter in der Regel rote Zahlen. Ihre Gewinne erwirtschaften sie in der Hauptreisezeit im Sommer. Sowohl in der laufenden Wintersaison als auch für den Sommer verzeichnet Tui derzeit vier Prozent mehr Gäste als ein Jahr zuvor. Trotz des Ausstiegs von Großbritannien aus der EU und der damit verbundenen Preissteigerung für britische Gäste sei auch die Reiselust dieser wichtigen Zielgruppe ungebrochen.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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