TTIP-Abkommen:USA sollen EU-Gesetze beeinflussen

  • TTIP ist kein reines Freihandelsabkommen: "Es sind Verhandlungen, die über normale Handelsfragen wie Marktzugang für Waren und Dienstleistungen weit hinaus gehen", sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.
  • In der Praxis soll das zu einer gegenseitigen, institutionalisierten Einflussnahme im Gesetzgebungsverfahren führen.
  • Europaabgeordnete sehen den Vorschlag der EU-Kommission skeptisch.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Bei den Verhandlungen um das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) wird häufig Heimlichtuerei unerstellt, doch in einer Hinsicht ist stets mit offenen Karten gespielt worden: Um ein reines Freihandelsabkommen handelt es sich eben gerade nicht. "Es sind Verhandlungen, die über normale Handelsfragen wie Marktzugang für Waren und Dienstleistungen weit hinaus gehen", sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Worum es vor allem gehe, sei regulatorische Zusammenarbeit. Mit anderen Worten: um Gesetze. Nun bekannt gewordene vorläufige Verhandlungspositionen der EU-Kommission offenbaren, wie viel Konfliktstoff das Thema birgt.

Die regulatorische Zusammenarbeit solle zur Schaffung von Wachstum und Jobs beitragen, heißt es im ersten von 16 Artikeln eines vertraulichen vorläufigen Kommissionsvorschlages für das entsprechende Kapitel im TTIP-Vertrag, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Zunächst hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung über das Papier berichtet. Anliegen wie Umwelt- und Verbraucherschutz müssten berücksichtigt werden, heißt es dort. Es gehe darum, ein "effektives, wettbewerbsfreundliches regulatorisches Umfeld zu schaffen, das transparent und berechenbar für Bürger und Unternehmen ist". Heißt im Klartext: Amerikaner sollen von der EU-Gesetzgebung künftig nicht kalt erwischt werden - und Europäer von der amerikanischen auch nicht.

EU und USA wollen von neuen Regeln nicht kalt erwischt werden

In der Praxis soll das zu einer gegenseitigen, institutionalisierten Einflussnahme im Gesetzgebungsverfahren führen. So sollen, wie es der Kommissionsvorschlag in Artikel 5 vorsieht, geplante neue Gesetze und Standards den Partnern möglichst frühzeitig avisiert werden. Einmal im Jahr sollen die Vertragspartner eine Liste der geplanten regulatorischen Vorhaben austauschen. Ein fester Kooperationsmechanismus soll den Informationsaustausch regeln, überdies sollen dafür in der EU-Kommission wie auch der US-Verwaltung Anlaufstellen geschaffen werden, um sich auszutauschen. Das Herzstück der Kooperation soll ein "Regulatory Cooperation Body" bilden, ein Gremium für die regulatorische Zusammenarbeit.

Betroffen wären nicht nur die EU-Ebene und die Bundesebene in den USA. Einen Austausch soll es auch geben können, wenn Gesetze und Bestimmungen von EU-Mitgliedsländern oder US-Staaten "einen erheblichen Einfluss" auf Handel und Investitionen zwischen der EU und den USA erwarten lassen.

Europaabgeordnete sehen den Vorschlag der EU-Kommission skeptisch. "Gesetze werden von Parlamenten erlassen, deren Inhalte von gewählten Volksvertretern bestimmt", betont Bernd Lange, SPD-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. Daran dürfe auch in den TTIP-Verhandlungen nicht gerüttelt werden. Ein Informationsaustausch zwischen regulierenden Behörden dürfe " unter keinen Umständen zu einem Mitspracherecht für demokratisch nicht legitimierte Gremien führen". Ein verbesserter Informationsaustausch könne aber im besten Fall zu gemeinsamen Ansätzen in Regulierungsfragen führen. Auch in anderen Bereichen sehen Kritiker die Gefahr, dass TTIP demokratische Rechte einschränkt. Die Grünen im Europaparlament warnten am Dienstag, Regeln für Finanzmärkte sollten in Zukunft außerhalb der gewählten Parlamente festgelegt werden und legten entsprechende Verhandlungspapiere vor. "Die Finanzmärkte sollen wieder von demokratischer Kontrolle befreit werden. Ein neu zu schaffendes transatlantisches Gremium, das Forum genannt, soll die Regulierungen aushandeln und verbindlich machen", sagte der Abgeordnete Michel Reimon.

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