Tsipras in Berlin:"Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen schuld"

  • Nach seinem ersten offiziellen Besuch im Kanzleramt versucht Griechenlands Premier Alexis Tsipras die Deutschen zu beruhigen: Der Ton ist freundlich und er verspricht Reformen.
  • Auch im Streit um einen Zwangskredit und Reparationsforderungen aus der Nazizeit mäßigt Tsipras den Ton deutlich.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisiert ihrem Gast derweil zwar vorsichtige Unterstützung, konkrete Zusagen will sie aber nur in der Runde der Euro-Partner machen.

Werben beim Antrittsbesuch

Bei seinem ersten Besuch als Regierungschef in Deutschland hat der griechische Premier Alexis Tsipras der Bundesregierung eine neue Form der Zusammenarbeit angeboten. "Wir müssen uns besser verstehen", sagte Tsipras am Montag bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel. "Es gibt keinen anderen Weg als den des Dialogs, um bestehende Schwierigkeiten zu überwinden."

Zugleich warnte er beide Seiten vor weiteren gegenseitigen Schuldzuweisungen. "Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen schuld an den Übeln und den Missständen in Griechenland. Wir müssen hart daran arbeiten, diese schrecklichen Stereotypen zu überwinden." Zugleich versprach Tsipras auch "umfangreiche Strukturreformen". Griechenland sei es in den vergangenen fünf Jahren nicht gelungen, seine eigenen Probleme zu lösen. "Es gibt auch interne Ursachen für die enorme Krise in Griechenland. Wir müssen einen neuen politischen Mix erreichen, um diese Übel zu beseitigen."

Griechischer Ministerpräsident Alexis Tsipras in Berlin

Merkel und Tsipras bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Bundeskanzleramt.

(Foto: dpa)

Es sei daher Zeit für eine große Strukturreform in Griechenland, um Steuervermeidung und Korruption zu bekämpfen, so Tsipras weiter. Griechenland wolle seinen Verpflichtungen nachkommen. Damit wolle er auch eine Spaltung der Euro-Zone verhindern, so der griechische Ministerpräsident. "Wir sind entschlossen, eine gemeinsame Lösung zu finden." Das Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sei dazu wichtig gewesen.

Beruhigung im Streit um historische Schuld und Schulden

Auch in die Debatte um Reparationszahlungen und einen Zwangskredit aus der Zeit des Dritten Reichs versuchte der griechische Regierungschef etwas Ruhe zu bringen. Es handele sich "um keine materielle Forderung in erster Linie" gegenüber Deutschland mehr, sagte Tsipras. In dem Zusammenhang stehe auch eine Schließung des deutschen Goethe-Instituts in Athen nicht zur Debatte. "Das können Sie vergessen, das gilt einfach nicht", sagte er zu entsprechenden Erwägungen im griechischen Parlament und im Kabinett.

Tsipras machte auch deutlich, dass die Debatte um Reparationen ein "rein bilaterales Thema" sei, in dem es um eine "ethische Bewertung" gehe. Mit der gegenwärtigen Schuldenkrise und der Suche nach Lösungen auf EU-Ebene hänge es "nicht zusammen". Das demokratische Deutschland von heute habe "nichts zu tun mit dem Deutschland des Dritten Reichs, das so viel Blutzoll gekostet hat", hob er hervor.

Grundsätzliche Unterstützung - aber keine Zusagen

Die Kanzlerin signalisierte im Gegenzug ihre Bereitschaft zum Aufbau einer Entwicklungsbank zur Unterstützung Griechenlands. Wenn Hilfe gewünscht werde, könne man darüber reden, sagte Merkel nach dem Treffen. Konkrete Zusagen könne sie aber nicht machen.

Merkel beteuerte, ihr sei an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten gelegen. Mit Blick auf die anstehenden Auszahlungen weiterer Mittel an Griechenland erneuerte sie ihre Haltung, wonach die entsprechenden Entscheidungen in den zuständigen europäischen Gremien wie der Eurogruppe fallen müssten. "Ich kann Griechenland nichts in Aussicht stellen oder zusagen", sagte Merkel.

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