Strafzölle:Trump schwingt die Abrissbirne

Mit maßlosen Strafzöllen erklärt der US-Präsident ganz China zum Feind. Präsident Xi muss klüger handeln - und seinen Blick nach Europa wenden.

Kommentar von Stefan Kornelius

Handelskriege kennen in der Regel keinen Sieger. Und im schlimmsten Fall sind sie erst der Vorbote zu weit schlimmeren Auseinandersetzungen: wirklichen Kriegen nämlich. Die Geschichte hält da ein Beispiel parat, das eigentlich abschreckend genug sein sollte: die Smoot-Hawley-Zölle, eingeführt 1930 durch die USA in einer allemal protektionistischen und isolationistischen Phase der Weltgeschichte.

Der globale Handel ging nach Einführung der Zölle drastisch zurück, von 1929 bis 1934 um 66 Prozent. Die Wirkung vor allem in Europa und insbesondere in Deutschland ist bekannt: enorme Probleme der Volkswirtschaften, Massenarbeitslosigkeit, der wachsende Hunger nach Nationalismus, Faschismus, Totalitarismus. Die vergiftete Epoche der "Ismen" entlud sich im Zweiten Weltkrieg.

Der verhängnisvolle Sturm der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird sich so nicht wieder zusammenbrauen, aber es sind andere Konstellationen denkbar, die nicht weniger dramatisch enden könnten. Donald Trumps Handelsvendetta gegen China und die chinesische Kampfbereitschaft auf der anderen Seite speisen sich aus derselben Wurzel: einem fiesen Nationalismus, der seit Jahren schon gefüttert wird von populistischer Rhetorik und massiver Leugnung der wechselseitigen Abhängigkeiten, die sich in Produktionsketten, Handelsströmen oder Finanzverbindungen ablesen lassen.

Eine kleinteilige Ursachenforschung nutzt nun freilich wenig, solange beide Seiten nicht bereit sind, auf dem Weg der Verhandlungen eine gemeinsame Sprache zu finden. Übrigens sind es auch nicht nur die USA, die Schuld an der Eskalation tragen. Chinas Handelspolitik ist schon in seiner Konstruktion auf Ungerechtigkeit getrimmt. Sie hat den Hunger ausgenutzt, der die globale Konsumgemeinschaft an die billigen Fast-Food-Stände in Ostasien getrieben hat. So sind heftige Abhängigkeiten entstanden, die sich aber über die Jahre gedreht haben. Plötzlich spüren nicht nur die USA, dass sich hier die Machtverhältnisse ändern. China baut ein zweites Ordnungssystem für seine Idee einer sinozentrischen Globalisierung, inklusive Handelsnetz, Regelwerk, Finanzierungssystem und politischem Verhaltenskodex. Da geht es um mehr als die Halbleiterproduktion oder die Vorherrschaft in der Forschung um künstliche Intelligenz.

Trump stellt diesem Aufstieg kein kluges Gegenmodell entgegen. Vielmehr schwingt er die Abrissbirne. Dabei sollte er wissen: Er erklärt nicht nur Chinas Wirtschaftssystem zum Feind, sondern den Staat insgesamt, das System - schlimmer noch - die Partei und ihr Allmachtssymbol Xi Jinping. Der Name des chinesischen Präsidenten ist untrennbar mit dem Wachstumsmodell und dem Expansionskurs des Landes verbunden. Davon hängen ab: Beschäftigung, Wohlstandsversprechen, innere Stabilität, der Bestand der KP. Mehr geht nicht. Und deshalb wird Xi mit aller Zornesmacht, die ihm das System verleihen kann, reagieren.

Europa ist kein Zwerg im Handelskrieg, im Gegenteil

Weil beide Präsidenten mit dem Volkswillen zündeln, ergibt sich tatsächlich eine gefährliche Melange. Xi sollte da klüger sein als Trump, der es noch am Tag seiner maßlosen Sanktionsentscheidung schafft, China über den grünen Klee zu loben. "Wenn wir mit Russland zurechtkommen, wenn wir mit China zurechtkommen, wenn wir mit anderen Ländern zurechtkommen, dann ist das eine gute Sache, keine schlechte." Das Problem ist freilich, dass Trump mit niemandem zurechtkommt und die Washingtoner Welt zerfällt.

Eine Lösung für Xi ergibt sich, wenn er nicht nach Osten schaut, sondern nach Westen. Chinas Handelsproblem ist ja auch Europas Handelsproblem. Und die Unwucht, die Peking dem System zugefügt hat, lässt auch Europa schlingern.

Dieses Europa ist kein Zwerg im Handelskrieg, ganz im Gegenteil. Die USA und China haben es bei der EU mit einem Handelsraum von 500 Millionen Menschen zu tun, der nur funktioniert, weil er einem elaborierten Regelsystem folgt. Erkennt China einen Vorteil in dem Regelgeflecht und wichtiger noch: entwickelt die EU endlich eine China-Strategie, mit der sich ungerechte Marktzugänge, Urheberrechtsfragen und vor allem der Systemkonflikt zwischen dem Modell Peking und dem Modell Brüssel lösen lassen, dann würde ein starkes Gegenmodell zur Welt des Donald Trump entstehen.

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