Trotz Kritik:Telekom-Chef bekommt noch eine Chance

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Kai-Uwe Ricke hat für sein neues Strategiekonzept die Zustimmung des Aufsichtsrates erhalten. Sollte der Kurs der T-Aktie jedoch weiter sinken, könnte der Konzern-Chef schnell wieder unter Druck geraten.

G. Hennemann und U. Schäfer

Der nach massiven Kundenverlusten und einer Gewinnwarnung Anfang August in die öffentliche Kritik geratene Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke bleibt vorerst im Amt. Nach zweitägigen Beratungen billigte der Aufsichtsrat unter Vorsitz von Postchef Klaus Zumwinkel ein von Ricke vorgelegtes Strategiekonzept.

Rückendeckung vom Aufsichtsrat: Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke. (Foto: Foto: AP)

Einschneidende Maßnahmen vorgesehen

Es sieht in insgesamt sieben Punkten einschneidende Maßnahmen vor, um den weiteren Verlust von Marktanteilen im inländischen Festnetz- und Mobilfunkgeschäft zu verhindern. Ricke selbst teilte nach der Aufsichtsratssitzung mit, dass ihm für erste Erfolge keine Fristen gesetzt worden seien und dass es auch sonst keine Diskussion über seine Führungsqualitäten gegeben habe, nachdem er den Kontrolleuren noch einmal seine langfristig angelegte Strategie dargelegt habe.

Das vom Aufsichtsrat gebilligte Sieben-Punkte-Konzept entspricht weitgehend dem, was Ricke bereits mehrfach - zuletzt bei der Halbjahres-Pressekonferenz am 10. August - an strategischen Kurskorrekturen angedeutet hatte. Mit attraktiven Flatrates und Bündelangeboten im Festnetz- und Mobilfunkgeschäft sowie mit einer groß angelegten Serviceoffensive in allen Bereichen will der Vorstand die sich immer mehr beschleunigende Abwanderung von Kunden stoppen und zugleich durch weitere Sparprogramme die Kosten drücken.

"Nicht kaputt sparen"

Wichtigste Einzelmaßnahme soll dabei die Umstellung des derzeit noch vermittlungsbasierten Netzes auf die weitaus kostengünstigere, weil wartungsärmere Internet-Technologie sein, die bis 2010 dann auch den letzten Winkel Deutschlands mit breitbandigen DSL-Anschlüssen versorgen kann. Zu diesem Zweck müssten in nächster Zeit die Prioritäten bei den Investitionen verschoben werden, ohne dass dies Zukunftsentwicklungen behindert.

Dazu erklärte Ricke: "Wir werden uns nicht kaputt sparen, sondern uns durch die Veräußerung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen weitere Handlungsspielräume erschließen". Der Telekom werde es gelingen, sich bis zum Jahr 2010 zum ertragsstärksten Unternehmen der europäischen Telekommunikationsbranche zu entwickeln.

Der Aufsichtsrat hatte zuvor gebilligt, dass Ricke künftig neben dem globalen Werbemanagement zusätzlich auch die Bereiche Werbebudget, Werbeplanung und Mediakoordination für den Inlandsmarkt übernimmt. Mobilfunk-Vorstand Rene Obermann soll darüber hinaus ab sofort konzernübergreifend für den gesamten stationären Vertrieb von Festnetz- und Mobilfunkprodukten in den T-Punkten verantwortlich sein und dort das Kompetenzgerangel zwischen der T-Com und der T-Mobile beenden.

Eindeutiger Verlierer

T-Systems-Chef Lothar Pauly, der vor der Aufsichtsratssitzung als ein besonders gefährdetes Vorstandsmitglied öffentlich gehandelt worden war, erhält sogar zusätzliche Kompetenzen in den Bereichen weltweite Netztechnik, IT und Einkauf. Im Falle T-Mobile sprach sich der Aufsichtsrat uneingeschränkt dafür aus, das Engagement in den Vereinigten Staaten zu intensivieren und die amerikanische Tochter zur größten Geschäftseinheit der Deutschen Telekom zu entwickeln.

Als eindeutiger Verlierer verließ T-Com-Chef Walter Raizner die Aufsichtsratssitzung, nachdem ihm das Gremium die Zuständigkeit für den stationären Verkauf in Deutschland entzogen hatte. Nach dieser Rochade ist die Frage nach Raizners weiterem Verbleib im Vorstand offen. Noch vor wenigen Tagen hatte er selbstbewusst erklärt, dass trotz der ihm angelasteten Massenflucht aus dem Festnetz und der Pannen bei der Einführung des Internet-TV sein Vorstandsposten völlig ungefährdet sei.

"Sieben dürre Punkte"

Aufsichtsratskreise in Berlin beurteilten am Sonntag die Strategie des Telekom-Chefs weiterhin sehr skeptisch. Ricke habe in der Sitzung lediglich "sieben dürre Punkte" präsentiert, die kaum ausreichen dürften, um den Aktienkurs zu beflügeln und die Geschäftszahlen dauerhaft zu verbessern. Schon am Montag werde sich zeigen, wie die Aktienmärkte auf die Beschlüsse vom Wochenende reagieren würden. Sollte der Kurs der T-Aktie weiter sinken, werde der Druck auf Ricke ganz schnell wieder zunehmen, betonte ein Insider.

Mit völligem Unverständnis reagierte man in Berlin im Übrigen darauf, dass ausgerechnet die gebeutelte T-Com zu einer besonders pompösen Party anlässlich der Funkausstellung geladen hatte. Mehrere hundert Gäste waren am Donnerstagabend auf Einladung von Party-Organisator Manfred Schmidt angereist, um ein rauschendes Fest zu feiern.

© SZ vom 4.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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